Tanz der Finanzen. Thomas Neiße

Tanz der Finanzen - Thomas Neiße


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Nehmer ließ sich schwer auf einen Gartenstuhl sinken. »Und dieses Vöglein ist hier?«

      »In der Tat«, ließ sich nun der aus dem Haus getretene Konrad Pair vernehmen. »Hallo Peter, alles gut? Du siehst etwas angegriffen aus.«

      Peter Nehmer sprang auf und umarmte ihn heftig. Dann hielt er ihn auf Armeslänge von sich, sah ihm ins Gesicht und schüttelte immer wieder seinen Kopf. »Jetzt brat mir aber einer einen Storch. Wo in aller Welt kommst du denn her? Das gibt es doch gar nicht!«

      »Das ist eine spezielle Geschichte. Am besten setzen wir uns wieder dahinten in den Garten.«

      Dabei machte er eine bedeutungsvolle Geste in Richtung Haus. Nehmer verstand sofort und folgte ihm zusammen mit Niels Werner.

      »Also, wenn ihr nichts dagegen habt, ich kenne die Geschichte ja schon. Ich werde mal ins Haus gehen und Agathe ein wenig auf die Finger schauen. Wer weiß, was die in ihrem Faible für Konrad sonst noch alles anstellt. Peter, was darf ich dir zu trinken anbieten?«

      »Ihr habt ja schon mit Bier angefangen, dann schließe ich mich an.«

      »Okay, kommt sofort. Konrad, du hast noch?«

      Konrad Pair nickte und begann, als Niels Werner die zwei allein ließ, intensiv auf Peter Nehmer einzureden. Niels Werner ließ sich Zeit mit dem Bier. Er wusste, Peter würde angesichts dessen, was Konrad ihm auftischte, so schnell kein Bedürfnis nach seinem Bier haben. Agathe sah ihn vorwurfsvoll an, sie hatte sich wohl ein wenig mehr Zweisamkeit mit Konrad erhofft oder war enttäuscht, dass sie nicht mitbekam, was da so Interessantes besprochen wurde. Als er mit dem Bier in der Hand zum Tisch der beiden Freunde ging, spielte Peter Nehmer gerade den Moralapostel und fuchtelte mit den Händen in der Luft herum.

      »Willst du mir ernsthaft sagen, du warst ein Geheimdienstagent? All die Jahre, die du für mich gearbeitet hast? Konrad, ich habe dir vertraut!«

      »Ja, so kann man es auch formulieren. Ich habe mich aber immer im Hauptberuf als dein Mitarbeiter gesehen und meine Geheimdienstnummer war eher eine Nebenbeschäftigung. Ich denke, dein Vertrauen in mich war in jeder Phase gerechtfertigt. Ich habe dir schließlich nicht geschadet.«

      An dieser Stelle mischte sich Niels Werner ein. »Peter, man muss die Vergangenheit auch mal ruhen lassen können. Schließlich haben wir alle, und dazu zählst vermutlich auch du, früher Dinge getan, auf die wir heute nicht mehr unbedingt stolz sind. Das gilt ganz besonders für mich und meine, wenn auch nur kurzzeitige, Rolle als trojanisches Pferd. Du hast es ja auch bei mir geschafft zu verzeihen. Ich denke, Konrad hat so viel für dich getan, du solltest auch in seinem Fall großzügig sein können.«

      Die nun folgende Pause war lang, sehr lang. Werner und Pair sahen Peter Nehmer schweigend an. Dessen Blick war auf ein imaginäres Ziel in der Ferne gerichtet. Schließlich kehrte sein Blick zurück, er nahm das Bier und schenkte sein Glas voll. Dann sah er die beiden an und hob sein Glas. »Na dann Prost, ihr Säcke.«

      Ein erleichtertes Lachen und ein lautes Prost war die Reaktion. Niels Werner brachte geschickt sofort ein anderes Thema zur Sprache. »Was hat dich aufgehalten, Peter, du wolltest doch gestern schon hier sein.«

      »Ich hatte kurzfristig einen Termin beim bayerischen Ministerpräsidenten bekommen. Ihr kennt ihn übrigens, er war damals dabei, als wir Gerd Brauner bei unserem Treffen in der bayerischen Landesvertretung in Berlin zerlegt haben. Damals war er noch Wirtschaftsminister, ihm sind also ökonomische Fragestellungen durchaus geläufig. Deswegen hat sich mein Besuch bei dir, Niels, um einen Tag verzögert.«

      Niels Werner winkte ab. »Kein Problem, wie war seine Reaktion?«

      »Nun, er hat den Charme dieser Idee natürlich sofort verstanden, nicht umsonst war er vor seiner politischen Karriere als Steuerberater tätig. Aber er hat mich gleich gewarnt. Es würde sehr schwierig werden, den Finanzminister zu gewinnen. Diesem Buchhaltertyp wären neue Schulden ein Gräuel. Und er sieht auch keine Möglichkeit, diesen Plan durch den Haushaltsausschuss zu bringen, ohne eine riesige Debatte über Verteilungsgerechtigkeit loszutreten. Der Haushaltsausschuss muss aber in jedem Fall derartige Aktionen genehmigen. Darüber hinaus stellt die Frage, wer an diesem Fonds partizipieren soll, für ihn ein schier unüberwindbares Hindernis dar. Sollen alle einen Anteil an diesem Fonds haben oder nur die, die auch in unser Sozialsystem einzahlen, egal welcher Nationalität sie angehören. Und dann wäre da noch zu klären, ab wann dieser Anteil bezogen werden kann, erst mit der Rente oder auch schon früher, und so weiter und so weiter. Zusammengefasst, er persönlich findet die Idee gut, sieht aber enorme Probleme bei der Durchführung. Er will mir demnächst noch ein Grundsatzpapier zu all diesen Problemen erstellen lassen, sein Sekretär wird diesbezüglich auf mich zukommen.«

      Peter Nehmer hatte sich zwar vorgenommen, nicht zu negativ bei seinem Bericht zu werden, aber je länger er sprach, desto schlechter konnte er seinen Frust verbergen. Und wie so oft in der Vergangenheit war es auch diesmal Konrad Pair, der ihn wieder aufbaute.

      »Vergiss diesen ganzen Verteilungskram, vergiss, wer wann ein Anrecht auf seinen Anteil hat. Das Ganze muss als Staatsfonds konzipiert werden. Schau nach Norwegen, die haben so einen Staatsfonds. Der ist 1000 Milliarden Euro schwer, wird aus den Öl- und Erdgaseinnahmen des Landes gespeist und investiert in die globalen Anleihe- und Aktienmärkte. Norwegen hat auch schon bei konjunkturellen Schwierigkeiten bis zu 50 Milliarden aus dem Fonds abgezogen, um der Wirtschaft wieder Leben einzuhauchen. Zuletzt geschehen 2020 während der Corona-Pandemie.«

      »Das ist es, Konrad«, Niels war sofort Feuer und Flamme, »und unser Fonds speist sich eben aus der Aufnahme von Schulden zu Nullzinsen. Bei 500 Milliarden und einer durchschnittlichen Verzinsung unserer Aktieninvestments von 6 Prozent, etwas, was die Börse in den letzten 100 Jahren im Durchschnitt eines jeden Jahres erzielt hat, haben wir Pi mal Daumen in zehn Jahren auch 1000 Milliarden Fondsvolumen. Der Staat kann dann sogar bei wichtigen Unternehmen als Ankerinvestor auftreten und so unerwünschte Übernahmen aus dem Ausland verhindern.«

      »Na, ihr zwei seid ja wohl der perfekte Braintrust. Einfach super! Kann ich denn davon ausgehen, dass ihr mir künftig zur Verfügung steht?«

      Niels Werner war der Erste, der das folgende Schweigen brach: »Wenn Konrad mit an Bord ist und du mir einen Wagen mit Fahrer stellst, der mich Montag morgens abholt und Freitag abends hier wieder abliefert, dann bin ich dabei, Peter. Eine derart spannende Geschichte möchte ich um nichts in der Welt verpassen.«

      »Okay, letzteres lässt sich leicht arrangieren und was Konrad angeht, kannst du dich denn überhaupt in Deutschland frei bewegen?«

      »Ich denke schon. In meinen Papieren steht Entlassung wegen extrem guter Führung. Wer daran gedreht hat, wird dankenswerterweise nicht erwähnt. Meine persönliche Sicherheit ist durch das Deponieren meiner Niederschrift über das Geschehene wohl gewährleistet. Nicht umsonst habe ich das meine früheren Kollegen wissen lassen. Natürlich kann es aber einen gewissen Sturm der Entrüstung in den Medien geben, aber noch nicht einmal das ist sicher.«

      »Na, und selbst wenn, damit können wir umgehen.« Nun hatte Peter Nehmer einen Geistesblitz. »Wenn wir diesen Plan in Berlin durchboxen wollen, brauchen wir einen fähigen Mann vor Ort. Wie wäre es, Konrad, wenn du unsere Berliner Dependance leitest und vor Ort den Kontakt zu den entscheidenden Personen auf dem politischen Parkett intensivierst? Wir brauchen eine erstklassige Lobbyarbeit, und du hast das richtige Temperament und den Grips dafür.«

      Niels Werner konnte es sich nicht verkneifen: »Oh ja, und er hat auch noch andere Talente, die sehr nützlich sein könnten.« »Hör nicht auf ihn, Peter, er ist nur neidisch. Also gut, deine Idee gefällt mir. Für diesen Fonds müssen wir in der Tat eine starke Präsenz in Berlin aufbauen und eventuell sogar einen Teil unseres Asset Managements dorthin verlagern.« Er ignorierte, dass Niels Werner seine Augen verdrehte. »Ich bin dabei, mein Lieber, sehr gern sogar.«

      »Sehr schön, zusammen mit Horst Kaiser sind wir ein unschlagbares Team. Wegen der Details wird sich der Bernhardt mit euch in Verbindung setzen, er …«

      Seine weitere Rede wurde rüde von Agathe unterbrochen, die die Herren zu Tisch bat.


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