Tanz der Finanzen. Thomas Neiße

Tanz der Finanzen - Thomas Neiße


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Jahre Altersunterschied waren auf die Dauer einfach zu viel.

      Nicht nur Gabi fehlte ihm, zusätzlich hatte er vor zehn Tagen auch noch seine Schäferhündin einschläfern lassen müssen. Ihre Hüftprobleme waren immer schlimmer geworden und in Absprache mit der Tierärztin hatte er sich zu diesem Schritt durchgerungen. Ihm war immer noch ganz schwer ums Herz und wo immer er sich im Haus bewegte, sah er seine Nicki. Aber es half nichts, seine einzige Unterhaltung waren jetzt zweimal in der Woche die etwas einsilbigen Dialoge mit Agathe, seiner Haushälterin.

      Das Telefon riss ihn aus seiner etwas düsteren Stimmung.

      »Werner.«

      »Hallo, Niels, hier ist Peter, Peter Nehmer.«

      »Hallo, Peter, wie geht es?«

      »Danke der Nachfrage, mein Lieber. Den Jungen geht es prächtig und Claire, na – du kennst sie ja, sie wird mit jedem Tag schöner. Das Alter scheint ihr überhaupt nichts auszumachen. Ich hoffe, du bist auch gut drauf?«

      »Alles okay. Was kann ich für dich tun?«

      »Ich will dich nur kurz ins Bild setzen. Deine Idee des … ich nenne es mal Staatsfonds … ist hier bestens aufgenommen worden. Horst war sofort Feuer und Flamme, Boris ist sowieso immer positiv, was meine Vorschläge angeht, die Kohler habe ich mit sanftem Druck auf meine Seite gebracht, nur der Wohler war zögerlich. Natürlich wollte er mal wieder einen Unternehmensberater einschalten.«

      Niels Werner stöhnte leicht. »Oh nein, nur das nicht. Da kannst du ja gleich in den Medien unser Vorhaben hinausposaunen. Hast du deinen Kollegen irgendwelche Details gesagt?«

      »Wo denkst du hin! Die haben von mir nur vage die grobe Richtung mitgeteilt bekommen. Genauso wie unser Aufsichtsratsvorsitzender Fieber. Der schwätzt ja auch gerne rum. Was mich persönlich noch umtreibt, ist die Frage, woher du so schnell die Information bezüglich des Scheiterns unserer Bankenallianz bekommen hast. Ich meine, ich wusste das ja mal gerade einen Tag vorher. Darf ich fragen, welches Vöglein dir das gesungen hat?«

      »Fragen darfst du.«

      Nach einem längeren Moment der Stille kam wieder Peter Nehmers Stimme durch das Telefon.

      »Schon gut, ich habe verstanden. Übrigens denkt die Kohler, wir sollten uns um das Management des Atomfonds bemühen. Was meinst du?«

      »Kann man machen, aber gemessen an den 500 Milliarden, die du im Visier haben solltest, sind das eher Peanuts.«

      »Da hast du wohl Recht, ich habe sie zur Tarnung in dem Glauben gelassen, dass das ein guter Vorschlag ist. Horst hat mich übrigens noch auf eine Dringlichkeit aufmerksam gemacht, falls wir deinen Plan umsetzen wollen.« Horst Kaiser, der Finanzchef, die graue Eminenz der Wertebank, war immer für gute Vorschläge gut. Niels Werner schätzte ihn sehr.

      »Und was meint er?«

      »Er hat mich schon vor Wochen darauf aufmerksam gemacht, dass wir einen guten Chef für das Asset Management brauchen. Die Frage, Niels, ist schlicht, ob du bereit bist, zu uns zurück zu kommen.«

      »Du hattest mich doch entlassen, erinnerst du dich?«

      »Ich weiß.« Nehmers Stimme klang leicht gequält. »Im Nachhinein betrachtet habe ich damals wohl überreagiert.«

      »Ich weiß, ich wollte dich eben auch nur ein wenig piksen.«

      »Niels, ich hatte mich bei meiner Entscheidung zu sehr auf deine angedachte Rolle als trojanisches Pferd für Gerd Brauners Meinebank fokussiert und weniger auf deine enormen Verdienste für unsere Bank und mich persönlich natürlich. Ohne dich wäre die Entführung unseres Sohnes wohl nicht so glimpflich ausgegangen.«

      Das Angebot zur Wertebank zurückzukommen und seine alte Position wieder einzunehmen, hatte Niels Werner befürchtet. Er fühlte sich hier auf seinem Berghof im Schwarzwald pudelwohl, auch wenn es im Moment sehr still in seinen vier Wänden war. Aber natürlich würde es ihm auch Spaß machen, wieder in seine alte Rolle bei der Wertebank zu schlüpfen.

      »Denk darüber nach, Niels. In drei Tagen halte ich in Straßburg eine Rede. Das Europaparlament zieht mal wieder für eine Woche dorthin. Claire will mit den Kindern anschließend nach Colmar zu ihren Eltern fahren. Ich könnte von dort schnell bei dir vorbeischauen, mit dem Auto ist es ja nur eine Stunde.«

      »Du bist herzlich willkommen, Peter.«

      »Gut, dann also bis Freitag.«

      Puh, was sollte er bloß machen? Offenbar ließ ihn seine alte Branche nicht los. Vielleicht sollte er hin und her pendeln? Dann könnte er zumindest das Wochenende hier verbringen. Wenn bloß die Verkehrsverbindung nach München nicht so schlecht wäre. Mit dem Zug war das eine Katastrophe, da kam nur der Wagen in Frage. Aber auch das würde zeitaufwändig sein.

      Erst jetzt bemerkte er das laute Klopfen. Als er die Haustür öffnete, stand vor ihm ein etwas verlegen wirkender Josef. Der alte Mann vom tiefer gelegenen Bauernhof war sein nächster Nachbar, allerdings hatte er mit ihm noch nie mehr als drei Worte gewechselt, und das meistens auch nur, wenn seine Nicki die Katze vom Josef gejagt hatte. Das hatte ihn dann stets eine Flasche Rotwein gekostet. Gegenseitige Besuche waren aber völlig ausgeschlossen und hatten auch nie stattgefunden. Entsprechend verlegen trat Josef von einem Bein auf das andere und drehte seinen verwitterten Strohhut in der Hand.

      »Entschuldigung, ich habe keine Klingel gefunden – und da habe ich halt an die Tür geklopft. Ich hoffe, ich störe nicht.«

      »Aber nein, ganz und gar nicht. Wollen Sie hereinkommen?«

      »Nein, passt schon, ich bleib lieber hier draußen in der schönen Sonne und setze mich an den Tisch dort.«

      Wie immer hatte Niels Werner Schwierigkeiten mit dem alemannischen Dialekt, aber viele Jahre im Schwarzwald hatten sein Ohr mittlerweile dafür geschärft.

      »Haben Sie zwei Gläser?« Mit diesen Worten holte Josef aus den Untiefen seines Umhangs eine Flasche Schnaps hervor. »Selbstgebrannt, versteht sich.«

      Nachdem die Gläser auf dem Tisch standen, schenkte er großzügig ein. Mit einem »Prost« kippte er sein Glas hinunter und füllte es sofort wieder nach. Niels Werner kam gar nicht hinterher. Bevor das Ganze allerdings zum Kampftrinken ausartete, begann Josef seine für seine Verhältnisse unfassbar lange Rede.

      »Also, die Gerda, was meine Frau ist, und ich, wir haben gedacht, jetzt, wo die Jungen weg sind und auch die Nicki nicht mehr da ist, muss es doch hier oben ziemlich einsam sein und dass Ihnen ein wenig Gesellschaft gut tun würde. Und da wir schon so lange eine gute Nachbarschaft pflegen«, Niels Werner traute seinen Ohren nicht, »habe ich eine Flasche von meinem Selbstgebrannten geschnappt und bin hier hoch gekommen.«

      »Das ist eine Superidee von Ihnen, Josef. Ich weiß das sehr zu schätzen. Sagen Sie das auch Ihrer Frau.«

      Josef nickte vor sich hin und kippte mittlerweile das dritte Glas seines Schnapses hinunter, ehe Niels Werner fortfuhr: »Aber ich hatte gedacht, die Nicki geht Ihnen auf die Nerven, weil sie doch immer Ihre Katze gejagt hat.«

      »Ja, ja, die Nicki, eine bildschöne Hündin, und so lieb war sie, tat keiner Menschenseele etwas zuleide. Und meine Katze, na ja, es gab ja immer eine gute Flasche Rotwein hinterher.«

      Josef sah ihn augenzwinkernd an und er begriff, dass wahrscheinlich sein Hund immer dann angeblich die Katze gejagt hatte, wenn der Josef eine neue Flasche Wein brauchte. Das alte Schlitzohr!

      »Ja, und die Jungen, die haben doch sicher jede Menge Lärm gemacht und ständig Ihre Äpfel vom Baum geklaut.«

      »Ach, die Jungen, lebhaft waren sie schon«, Josef kippte sein viertes Glas, während Niels Werner immer noch mit dem zweiten kämpfte, »aber Äpfel haben wir doch alle geklaut in der Jugend. Die schmeckten immer am besten. Ich bin übrigens der Josef. Du kannst ruhig du zu mir sagen.«

      Jetzt musste er doch sein zweites Glas erheben, während Josef sich sein mittlerweile fünftes einschenkte.

      »Ich bin der Niels, Prost, Josef.«

      »Prost,


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