Tanz der Finanzen. Thomas Neiße
das alles mit dir zu tun?«
»Tja, jetzt kommen wir zu des Pudels Kern«, und nach einer längeren Pause: »Es versteht sich doch wohl von selbst, Niels, dass du zu niemandem auch nur ein Sterbenswort sagst?«
Nach dem lautlos formulierten Klar von Niels Werner fuhr Pair fort: »Auch ich gehöre seit ewigen Zeiten einer geheimen Organisation an, die aber deutsche Interessen vertritt, nennen wir sie mal Bundesnachrichtendienst. Die Amerikaner haben uns quasi um Amtshilfe gebeten. Und auch für uns wäre es nicht wünschenswert gewesen, bestimmte Kreise auf die Existenz unserer Zirkel aufmerksam werden zu lassen. Deshalb erging an mich der Auftrag, den Leist zu eliminieren.«
Niels Werner ließ zischend den unwillkürlich angehaltenen Atem entweichen. »Ich habe mich ohnehin schon gefragt, wie du eine Waffe durch die strengen Kontrollen am Gericht hast schmuggeln können.«
»Ja, du bist clever. Ein Gerichtsdiener hat sie mir zugesteckt, deswegen bin ich auch als erstes in den Gerichtssaal gegangen.« »Das bedeutet also, du hast nicht nur für die Wertebank und unseren Chef Peter Nehmer gearbeitet, sondern darüber hinaus auch noch alle Neuigkeiten aus der Wertebank brühwarm an den BND oder wen auch immer weitergeleitet. Sind derartige Arrangements eigentlich der Normalfall in der deutschen Wirtschaft?«
»Da bin ich überfragt, ich kenne ja nur meinen Fall. Die Routine, mit der ich von denen geführt wurde, spricht allerdings dafür, dass Derartiges nicht so selten ist. Schließlich besteht ein großes Interesse an Informationen aus der Wirtschaft und insbesondere aus der Finanzwelt.«
»Echt?«
»Ja. Der Übernahmekampf zwischen dem Brauner und seiner Meinebank und unserem Peter Nehmer mit der Wertebank hat die natürlich brennend interessiert. So etwas war ja in Deutschland einmalig. Und dann Peters Versuch, eine globale Banken-Allianz auf die Beine zu stellen. Da wird jeder Geheimdienst hellhörig, schließlich kann das enorme Komplikationen in der Finanzwelt auslösen.«
»Schon richtig, das erklärt aber immer noch nicht, wieso du jetzt hier herumspazieren kannst.«
»Ich spaziere nicht herum, sondern bin auf dem Weg in die Staaten. Meine dortigen neuen Freunde haben mir eine andere Identität verpasst und werden mich auch beschäftigen. Ich bin also jetzt John Norton, ein Teammitglied von Silberstein und Partner. Und jetzt verstehst du hoffentlich, warum du mich nie gesehen hast. Diese Sorte Amerikaner versteht keinen Spaß, sie haben auch die Geliebte von Leist in Moskau getötet.«
»Puh, Konrad, ich glaube, ich brauche jetzt noch ein Bier. Das muss ich erst einmal verdauen.«
»Ich bin dabei, mein Lieber, aber danach muss ich zum Flieger, der soll pünktlich starten.«
»Ganz im Gegensatz zu meinem.«
Niels Werner gab der Bedienung mit zwei Fingern ein Zeichen.
»Wo willst du eigentlich hin?«
»Nach Barcelona, da ist eine Ausstellung über die neuesten Maya-Funde auf Yukatan. Ich bin ein großer Fan ihrer Kultur.« »Ach, Quatsch, Niels, ich kenne dich doch, du bist mal wieder auf der Suche nach Außerirdischen und hoffst auf neue Hinweise durch die Ausgrabungen.«
Werner hätte sich beinahe an seinem zweiten Bier verschluckt. »Woher weißt du das denn?«
»Das hast du mir selber mal auf einem gemeinsamen Wochenendseminar erzählt. Erinnerst du dich nicht mehr? Nein? Na egal, es gibt wichtigeres für dich zu tun.« Konrad Pairs Gesicht war auf einmal todernst. »Hör zu, vergiss Barcelona und vergiss die Mayas. Fahr nach München zu Peter, der braucht dich. Wenn ich mich nicht allzu sehr täusche, hat er Probleme.«
»Woher willst du das denn wissen?«
»Dieser Typ aus Amerika, der für Silberstein arbeitet, ein gewisser Max Snyder, hat eine Bemerkung gemacht, nach der die Banken-Allianz zum Scheitern verurteilt ist. Sowohl die Amerikaner als auch die Chinesen scheinen aus der Sache auszusteigen. Er hat dabei ein so selbstzufriedenes Gesicht aufgesetzt, dass ich glaube, er hat mit Sicherheit seine Hand im Spiel. Wenn das stimmt, ist die Wertebank in ernsten Problemen, schließlich hat sie für diese Allianz einen Teil ihrer Aktivitäten eingestellt und würde damit mehr oder weniger nackt und bloß dastehen.«
»Puh, das wäre wirklich nicht so super. Aber was kann ich dabei für Peter tun? Wie du weißt, bin ich in erster Linie ein Asset Manager und weniger ein Bankmensch.«
»Genau das ist der Punkt. Deswegen braucht er dich. Um der alten Zeiten willen gebe ich dir jetzt einen Tipp«, Konrad Pair hob abwehrend die Hände, »bevor du etwas sagst, nein, ich gebe diesen Tipp nur dir und niemandem sonst. Im Gefängnis hat man viel Zeit zum Nachdenken, und ich habe ja so eine Art Abendnachrichten im Gefängnissender moderiert und kommentiert.« »Was du als exzellenter Ökonom bestimmt auch super gemacht hast.«
Konrad Pair prostete Niels Werner zu. Offensichtlich freute er sich über das Kompliment. »Danke, ich war ja nicht umsonst Chefvolkswirt unserer Bank. Aber hör zu, die Zeit wird knapp. Der derzeit lächerlich niedrige Zins, den die Bundesrepublik Deutschland bei neuen Schulden zahlen muss, ach was, mittlerweile ist dieser Zins ja teilweise negativ, hat mich dabei auf eine Idee gebracht. Wie wäre es, wenn Deutschland, sagen wir mal 500 Milliarden, neue Schulden aufnehmen und dieses Geld in den Aktienmarkt investieren würde? Du nimmst Geld zu Nullzinsen auf und investierst es in eine Anlage, die sich immer noch langfristig jedes Jahr mit sechs bis acht Prozent verzinst. Die Belastung für den Jahreshaushalt ist gleich Null, du zahlst ja keine Zinsen für das neue Geld, und die, sagen wir, siebenprozentigen Erträge aus dem Investment des Geldes lässt du in einem Fonds anwachsen und kreierst so Werte für jeden einzelnen Bürger. Wenn du es schaffst, die Politiker von dieser Idee zu überzeugen, dann verwaltest du für die Wertebank zusätzliche 500 Milliarden mit wachsender Tendenz und hast ausgesorgt. Keine Bankenallianz würde auch nur annähernd so viele Erträge erzeugen und Peter könnte diese Lieblingsidee von ihm getrost vergessen. Die Einzelheiten auszubaldowern überlasse ich dir, du bist ein kluger Kopf.«
Niels Werner hatte völlig vergessen, sein Bier weiter zu trinken, so fasziniert hatte er zugehört. Konrad Pair tätschelte ihm leicht die Wange. »Mach den Mund zu und denk darüber nach, mein Freund. Ich muss mich jetzt sputen, der Flieger wartet nicht. Pass auf dich auf und vergiss nicht, du hast mich nie gesehen.«
Mit diesen Worten umarmte er ihn und eilte zu seinem Gate. Niels Werner blieb noch einen Moment wie betäubt sitzen. Was für eine geile Idee! Aber wie er wusste, lag bei diesen Dingen der Teufel im Detail. Und ihm war klar, dass er so schnell wie möglich Kontakt mit Peter Nehmer aufnehmen musste. Er war sich zwar nicht sicher, wie der ihn begrüßen würde, aber es war allemal einen Versuch wert. Fürs Erste konnte ihm der Flieger nach Barcelona den Buckel runterrutschen. Gut, dass er nur Bordgepäck dabeihatte.
LICHTBLICK
Nachdem er das Telefonat beendet hatte, pfiff Peter Nehmer in seinem Büro leise vor sich hin. Das war in der Tat eine, wie Niels Werner es gerade formuliert hatte, geile Idee. Die Frage war nur, wie sie im Detail aussah und wie er den zuständigen Politikern das Ganze schmackhaft machen konnte. Oh, er hörte im Geiste schon die Einwände, all die Worthülsen, die Politiker so gerne formulieren, wie sozial ungerecht, verteilungspolitisch problematisch und ähnliches. Darüber hinaus verstand die Mehrzahl der in der Verantwortung stehenden Politiker nichts von ökonomischen Zusammenhängen. Wie denn auch, dachte er resigniert, die sind ja vor allem Berufspolitiker. Als solche agieren sie nicht kreativ im Sinne der Bürger, sondern im Sinn von Macht und Einfluss. Wer handelt, macht sich angreifbar und könnte Wählerstimmen verlieren. Da ist es doch besser, mit der Meute zu heulen.
Er rief sich innerlich zur Ordnung. Das vordringlichste Problem war jetzt erst einmal, seine Vorstandskollegen mit ins Boot zu holen. Das würde schwierig genug werden, er konnte sich noch gut an die Diskussionen im Rahmen des Übernahmegefechtes mit der Meinebank erinnern. Insbesondere sein Risikovorstand Barbara Kohler hatte ihm das Leben mit bohrenden Fragen schwer gemacht. Na, mal sehen, ob es da nicht Möglichkeiten gab, sie etwas zu zähmen. Auch beim ständig nach Beratern rufenden Vorstandskollegen Wohler konnten ein paar Daumenschrauben