Tanz der Finanzen. Thomas Neiße

Tanz der Finanzen - Thomas Neiße


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ihn erwartungsvoll an. Nehmer konnte sich nun nicht mehr hinter seinem Schreibtisch verschanzen, sondern musste ihr Gesellschaft leisten. Seinem Gesicht war dabei nicht anzusehen, ob er sich ausgebremst fühlte oder nicht.

      »Frau Kohler, ich habe Sie natürlich nicht wegen des Risikoberichtes hergebeten. Mir war es ein Bedürfnis, Sie, bevor wir in das Treffen mit unseren Kollegen gehen, über unsere bröckelnden Bankallianzen zu informieren.«

      Barbara Kohler zog hörbar die Luft ein. »Oh nein, bloß nicht das. Wer bröckelt?«

      »Nun, unser amerikanischer Partner, die Allamo Trust, hat einen neuen Chef, und der hat mir gestern seine neuen Prioritäten mitgeteilt. Wir kamen in dieser Aufzählung nicht mehr vor. Er will sich vor allem auf den US-Markt konzentrieren. Damit nicht genug, wollen auch unsere chinesischen Freunde nicht mehr mitmachen.«

      »Ausgerechnet. Die beiden waren doch die Eckpfeiler unserer künftigen Strategie. Jetzt stehen wir schön blöd da, wir haben schließlich ganze Geschäftsbereiche zu deren Gunsten geschlossen. Wieso kriegen die auf einmal kalte Füße?«

      Er zuckte mit den Schultern. »Da bin ich auf Vermutungen angewiesen. Die Chinesen könnten sauer sein, weil wir unseren Anteil an der Meinebank an die Bundesrepublik Deutschland verkauft haben. Dadurch konnten sie ihre Absicht nicht realisieren, im deutschen Bankenmarkt nachhaltig Fuß zu fassen. Bei den Amerikanern tappe ich im Dunkeln, allerdings hat die dortige Regierung sich über die Silbersteins wohl mit der Meinebank verbündet. Zumindest habe ich die Andeutung von Brauner über seine unbegrenzten Finanzmittel, um uns aufzukaufen, so verstanden. Vielleicht liegt hier, wie bei den Chinesen, der Hund begraben.«

      »Du lieber Himmel, was wurde und wird denn hier gespielt?« Die Denkfalten in Barbara Kohlers Gesicht vertieften sich um einiges.

      »Ja, Frau Kohler, mir dämmert auch erst so langsam die ganze Dimension unseres Kampfes mit Gerd Brauner und seiner Meinebank. Wir sind da offenbar zwischen die Mühlen der zwei mächtigsten Nationen geraten. Aber was jetzt viel wichtiger ist, ist die Frage, wie geht es weiter.« Er machte eine vielsagende Pause, bevor er tief in Barbara Kohlers Augen sah. »Frau Kollegin, ich habe einen sehr ambitionierten Plan, um diese Bank zukunftsfähig neu auszurichten. Ich werde dazu für einen längeren Zeitraum ein hochrangiges Team zusammenstellen müssen, das verschwiegen und absolut loyal mir zuarbeitet.« Er machte wieder eine kurze Pause. »Werden Sie mir dafür zur Verfügung stehen?«

      »Aber was für eine Frage, selbstverständlich werde ich das. Wieso fragen Sie das überhaupt?«

      »Weil«, und wieder eine kleine Pause, »weil ich nicht weiß, wie lange Sie noch bei uns sind.«

      Barbara Kohler durchströmte es heiß und kalt, ihre Lippen zuckten kurz.

      »Ihr Vertrag läuft noch ein Jahr, glaube ich.« Der Mistkerl, dachte sie, das weiß er doch ganz genau. »Hat Herr Fieber schon einmal mit Ihnen über eine Verlängerung gesprochen?«

      »Nein, noch nicht. Ich dachte, das sei nur eine Formalität.«

      Angesichts ihrer leicht zittrigen Stimme war jetzt die Zeit für das Zuckerbrot gekommen. Seine Stimme hatte ein betont gütiges Timbre. »Ist es sicherlich auch.« Er widerstand dem Impuls, ihre Hand zu nehmen. »Da muss ich unserem Herrn Aufsichtsratsvorsitzenden wohl mal einen Hinweis geben. Üblicherweise werden Verträge zwölf Monate vor Ablauf erneuert. Dafür sind dann aber noch umfangreiche Gespräche nötig, die sind auch nicht in wenigen Tagen abgeschlossen. Ich sehe Herrn Fieber vermutlich heute Nachmittag und werde ihn in Marsch setzen. Ich würde mich jedenfalls sehr freuen, wenn Sie bei uns bleiben.«

      »Danke, Herr Nehmer, ich fühle mich auch sehr wohl in dieser Bank, und in München sowieso. Und ich werde loyal an Ihrer Seite stehen, darauf können Sie sich verlassen. Darf ich fragen, wie Ihr ambitionierter Plan für diese Bank in seinen Grundzügen aussieht? Völlig vertraulich, versteht sich.«

      Nehmer beugte sich mit verschwörerischer Miene vor. »Es fällt mir nicht leicht, aber ich muss wohl meinen Traum von einer internationalen Bankenallianz begraben. Ich plane, unser Haus noch stärker auf das Asset Management auszurichten.«

      »Das würde unserem Risikoexposure sicherlich guttun. Sie wissen ja, ich war aus Sicht des Risikomanagements immer skeptisch gegenüber dem internationalen Geschäftsmodell. Immer, wenn zusätzliche Geschäftspartner ins Spiel kommen, steigen auch die Risiken. Man ist schließlich auf Gedeih und Verderb an die Ertragsentwicklung des Partners gebunden, hat aber auf dessen Geschäftspolitik kaum Einfluss, schon gar nicht, wenn er im Ausland residiert. Wird er insolvent, haben auch wir ein Problem. Im Asset Management dagegen handelt es sich ja um Zug-um-Zug-Geschäfte, du gibst mir und gleichzeitig gebe ich dir. Von daher sind hier Kontrahentenrisiken so gut wie nicht vorhanden.«

      Er nickte zustimmend. »Ja, in der Tat. Bleibt nur die Frage, wie wir zusätzliches Asset-Management-Geschäft kreieren.«

      »Vielleicht können wir dazu unsere exzellenten Beziehungen in Regierungskreise nutzen. Die brauchen doch Vermögensverwalter, jetzt, wo die Milliarden aus den Atomrückstellungen der Elektrizitätsversorger professionell in einem Staatsfonds gemanagt werden.«

      Donnerwetter, die Kollegin hatte er ja wohl gründlich unterschätzt. »Eine sehr gute Idee, das werden wir in der Arbeitsgruppe ausführlich zu diskutieren haben. Ich hätte da noch die eine oder andere kleine Ergänzung, über die wir aber jetzt nicht reden können, dafür fehlt uns die Zeit. Wir können unsere Kollegen nicht noch länger warten lassen.«

      Peter Nehmer geleitete mit einem hochzufriedenen Gesichtsausdruck Barbara Kohler aus seinem Büro.

       ABSCHNEIDEN

      Er liebte Washington DC. Die Stadt hatte das Flair einer Machtmetropole, war aber gleichzeitig noch irgendwie beschaulich. Man konnte alles zu Fuß erreichen, es gab wunderbare Museen, erstklassige Restaurants und sehr viele geschichtsträchtige Denkmäler. Ihn persönlich zog es vor allem zum Vietnam-Memorial. Stundenlang konnte er auf den Namen seines Bruders starren, der dort inmitten der Namen vieler anderer Gefallener eingraviert war, als ob der dadurch wieder lebendig würde. Er war so ziemlich der einzige Mensch, zu dem er eine tiefere emotionale Beziehung gehabt hatte.

      Heute allerdings hatte er schnurstracks den Weg zu seinem Büro am Woodland Park eingeschlagen. Er hatte ein volles Programm und vor allem musste er die leidige Affäre Konrad Pair entscheiden. Natürlich hatte der nur deswegen eine amerikanische Identität bekommen, damit er besser aus dem Weg geräumt werden konnte. Max Snyder ließ bei seinen Aktivitäten niemals lose Enden zurück. Und hier in den Staaten konnte er bei einem überraschenden Tod von Pair massiven Einfluss auf die polizeilichen Ermittlungen nehmen. Dadurch war sichergestellt, dass sie im Sande verlaufen würden. In Deutschland wäre so etwas nur äußerst schwierig zu bewerkstelligen gewesen.

      Er wollte gerade die Treppe zum Eingang des unscheinbaren Gebäudes hochgehen, in dem sich seine nur Spezialisten bekannte Behörde befand, als sein Handy vibrierte. »Ja?«

      »Max?«

      »Ja.«

      »Jerry hier, ich muss dich sprechen. Wo bist du?«

      »Bin gleich in meinem Büro. Ist es dringend?«

      »Mega.«

      »Dann komm gleich, nachher bin ich im Stress.«

      Er beendete das Gespräch und machte sich auf den Weg in sein Büro. Was hatte denn seinen Nachrichtenspezialisten nur so aufgescheucht? Der war doch sonst die Ruhe selbst. Und da war er auch schon, er hatte doch tatsächlich noch vor ihm sein Büro erreicht.

      »Komm rein, Jerry. Was gibt es?«

      »Du hattest mir doch ein Foto von diesem John Norton in die Hand gedrückt und mich gebeten, meine Lauscher aufzustellen. Hattest du dabei etwas Bestimmtes im Sinn?«

      »Eher eine Ahnung. Nennen wir es Instinkt. Bist du über etwas gestolpert?«

      »Gestolpert ist gut, gefallen trifft es eher. Schau dir das mal an. Ist das unser Kandidat?«

      »Das


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