Tanz der Finanzen. Thomas Neiße

Tanz der Finanzen - Thomas Neiße


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in seinem Umhang verschwinden. Danach kam er um den Tisch herum und legte Niels Werner die Hand auf die Schulter.

      »Mein Bruder, der Karl, der hat einen Hof weiter oben in der Nähe vom Höllental und seine Hündin hat Junge bekommen. Das sind Hirtenhunde, vielleicht auch Mischlinge. Aber wenn du einen Welpen willst, sag mir Bescheid. Wir würden auch auf ihn aufpassen, wenn du mal nicht da bist.«

      Niels Werner hätte den alten Bauern fast in den Arm genommen, so überwältigt war er von dessen unerwarteter Herzlichkeit.

      »Danke, Josef. Aber ich werde eventuell künftig wohl wieder, zumindest in der Woche, in München sein.«

      »Sag nur ein Wort und wir werden ein Auge auf deinen wunderschönen Hof haben. Ich muss mich jetzt aber wieder um mein Vieh kümmern. Wenn du etwas brauchst, du weißt ja, wo wir sind.«

      Mit diesen Worten drehte er sich um und stapfte wieder den Weg herunter zu seinem Hof, wobei seinem Gang nicht anzusehen war, dass er gerade eine gehörige Menge Schnaps in sich hineingeschüttet hatte. Trotzdem behielt Niels Werner ihn von seiner erhöhten Position im Auge. Man konnte ja nie wissen. Aber Josef meisterte den doch recht steilen Abstieg mit traumwandlerischer Sicherheit und erreichte unbeschadet seinen Hof.

      Dort allerdings wurde er von einem Autofahrer angehalten, der ihn offensichtlich nach dem Weg fragte. Josefs Zunge war wohl immer noch vom Schnaps gelöst, denn er beugte sich durch die geöffnete Scheibe zu dem Fahrer herunter und verharrte eine ganze Weile in dieser Position. Dann machte er mit seinem Arm eine einladende Geste den Weg hinauf, den er gerade heruntergegangen war. Der Wagen setzte sich daraufhin in Bewegung und schlug den Weg zu seinem Berghof ein. Jetzt war Niels Werner hochgradig alarmiert. Was kam denn da auf ihn zu? Als der Fahrer, auf seinem Hof angekommen, ausstieg, dachte er nur: Mich laust der Affe!

      »Konrad, was in aller Welt machst du denn hier?«

      »Hallo, Niels, wie es aussieht, besuche ich einen alten Freund und Ex-Kollegen.«

      »Aber um Himmels willen, ich denke, du bist in Amerika und darfst dich in Deutschland nicht mehr blicken lassen.«

      »Eins nach dem Anderen. Darf ich vorher erst einmal dein Bad benutzen?«

      »Na klar, komm, ich zeige dir den Weg. Möchtest du etwas trinken?«

      »Wenn ich unverschämt sein darf, Kaffee wäre schön, und vielleicht hast du auch noch eine Kleinigkeit für meinen Magen.«

      »Kein Problem.«

      Während Konrad Pair im Bad verschwand, warf Niels Werner die Kaffeemaschine an und stellte schon einmal Milch und Zucker bereit. Es dauerte auch nicht lange, bis sein Gast sichtlich entspannter wieder auftauchte.

      »Das ist ja ein Superdomizil, ich muss schon sagen, Niels, schön hast du es hier. Das gefällt mir«, und mit einem ironischen Zwinkern, »hier werde ich mich sicherlich wohlfühlen.«

      »Hast du vor zu bleiben?«

      »Wenn ich darf. Ich müsste für einige Tage untertauchen, und ich glaube, hier wird mich keiner vermuten und schon gar nicht finden.«

      »Du bist willkommen, in dieser Hütte ist es in letzter Zeit ohnehin zu still. Das Gästezimmer ist frei und du hast da auch dein eigenes Bad. Wollen wir uns raussetzen? Auf der Terrasse im Garten ist es am angenehmsten und du hast einen Superblick über das Dreisamtal.«

      »Gern.«

      Konrad Pair ließ seinen Blick schweifen, während Niels Werner Kaffee und Teile des von Agathe gebackenen Zwetschgenkuchens auf den Tisch stellte. Sein Gast griff beherzt zu.

      »Das sind die Dinge, die man in Amerika vermisst. Der Kaffee ist eine Katastrophe und so einen Kuchen bekommst du nirgends.«

      »Und deswegen bist du nach Deutschland zurückgekehrt?«

      Pair gluckste vor sich hin. »Nicht so ganz. Ich bin vor allem zurückgekommen, um am Leben zu bleiben.«

      »Erzähl.«

      »Na ja, warum wollten die Amis Samuel Leist eliminieren und warum hat der deutsche Geheimdienst durch meine Person dabei geholfen? Weil nichts über die Existenz dieser Organisationen bekannt werden soll. Nachdem Leist tot war, verblieb nur noch ein Restrisiko.«

      »Du redest von dir.«

      »Exakt. Ich glaube, sie hatten von Anfang an vor, mich ebenfalls mundtot zu machen. Nur deswegen haben sie mich in die USA gelotst. Natürlich bot sich für ihr Vorhaben New York an, in dieser Millionenstadt fällt ein Toter nicht so auf. Nachdem die mir in Washington erklärten, dass mein künftiger Arbeitsplatz in New York sei, war mir klar, ich muss verschwinden. Ich habe mich dann von New York aus in einem Greyhound abgesetzt und bin nach Montreal gefahren. Dort habe ich einen Flug mit Air France nach Paris gebucht. Vom Flughafen Charles de Gaulle ging es dann mit dem Mietwagen hierher. Den Wagen gebe ich morgen in Freiburg zurück.«

      »Und nun? Wie willst du verhindern, dass die dich finden?«

      »Das dürfte für die Jungs erst einmal nicht so einfach werden. Ich habe in New York eine falsche Spur gelegt und die John-Norton-Kreditkarte einem dortigen Studenten gegeben. Der wird sie eifrig benutzt und den Amis damit signalisiert haben, ich sei noch in New York. Beim Buchen des Greyhound-Tickets habe ich meine Identität nicht offenlegen müssen und beim Passieren der kanadischen Grenze hat sich so spät in der Nacht kein Grenzer für uns interessiert. Mein Ticket in Montreal lautete dann auf Konrad Pair, ebenso dieser Mietwagen da hinten. Natürlich werden sie mich finden, aber es wird wohl eine Weile dauern.«

      »Ja, und dann?«

      »Bis dahin werde ich mir eine Rückversicherung schaffen. Ich werde alles niederschreiben und einem Notar übergeben, der im Falle meines plötzlichen Todes diese Informationen an die Presse weitergibt. Und ich werde dafür sorgen, dass sowohl die Geheimdienste in Deutschland als auch in den USA davon wissen. Das dürfte deren Wunsch mich zu töten spürbar dämpfen.«

      »Na, das hast du dir ja fein ausgedacht. Aber was ist, wenn es die Öffentlichkeit mitbekommt, ich meine, dass du frei bist?«

      »Da wird es dann wohl den einen oder anderen bissigen Zeitungsartikel geben, von wegen Beugung des Rechtssystems und so weiter. Aber ich habe ordnungsgemäße Entlassungspapiere, die als Grund extrem gute Führung angeben. Rechtlich bin ich damit sauber. Der deutsche Geheimdienst kann ja schlecht seine Hilfe bei dieser Entlassung zugeben.«

      »Mhm, wenn das so ist, dann könntest du ja wieder in die Wertebank eintreten.«

      »Theoretisch schon. Was ist mit dir, hast du mit Peter gesprochen?«

      »Ja, er hat mir diesbezüglich schon Avancen gemacht. Er will übrigens in ein paar Tagen hier vorbeikommen. Da kannst du ja auch mit ihm reden.«

      »Das passt wie die Faust aufs Auge. Super. Niels, ich würde mich jetzt gern zurückziehen. Ich bin hundemüde, im Flieger konnte ich wie immer nicht schlafen.«

      »Kein Problem, fühl dich wie zuhause.«

       RACHEGELÜSTE

      Sein von Haus aus ohnehin sauertöpfisches Naturell hatte sich in den zurückliegenden Tagen noch weiter eingetrübt. Auch der Blick aus seinem Arbeitszimmer in den schönen Woodland Park konnte seine Stimmung nicht aufhellen. Es war ja auch wirklich zum Auswachsen. Seit Tagen trieb sich offenbar Konrad Pair in New York herum, hatte sich aber noch nicht bei Silberstein gemeldet. Sein genauer Aufenthaltsort war ein Rätsel. Auch wie er überhaupt nach New York gereist war, hatten sie noch nicht wirklich aufklären können. Sein Schatten Liam Waggoner hatte ihn zwar in den Ronald Reagan Airport hineingehen sehen, dann aber aus den Augen verloren.

      Max Snyder zuckte mit den Schultern. Es war ja auch eigentlich nicht wichtig. Wichtig war, dass Pair es offenbar für nötig gehalten hatte, seine Fahrt nach New York zu verschleiern. Das ließ sich nur mit einem gehörigen Misstrauen erklären und, was fast noch schlimmer war, wahrscheinlich hatte er Waggoner in seinem Kielwasser bemerkt. Deswegen hatte er den für ihn gebuchten


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