Mordsmäßig heilig. Barbara Merten

Mordsmäßig heilig - Barbara Merten


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Coronakrise nix mehr, nur noch Abstand halten. Beim Singen fliegen doch die Viren rum.« Jan zappelte mit den Fingern vor seinem Gesicht, als tummelten sich dort lauter Krankheitskeime. »Jetzt soll jeder zuhause beten. Nix mehr mit Sonntagspflicht. Oma hat das gebeichtet, wenn sie am Sonntag mal nicht zur Messe gehen konnte. Weißt du noch, was die dann für ein schlechtes Gewissen hatte?«

      Die Brüder dachten an früher.

      »Ja, ich weiß. Ich glaube, die Schwarzröcke sind nicht böse, dass es das Virus gibt. Denen kommt das wie gerufen. Jetzt brauchen sie nicht mal ´ne Predigt vorbereiten. Kirchensteuern einsammeln und gut is.«

      »Meinst du ehrlich? Aber vielleicht ist ja doch was dran an dem ganzen Glaubensgedöns. Vielleicht straft Gott die Menschen mit dem Virus, weil sie die Welt kaputt machen?«

      »Du redest schon wie Oma!«

      »Na, kann doch sein. Selbst der Chef scheint an Gott zu glauben, besonders an die Mutter Maria. Warum mussten wir sonst die Madonna aus Germershausen und das Bild aus der Basilika klauen? Der scheint das für sein Seelenheil zu brauchen«, meinte Fredde und guckte zu seinem Bruder rüber.

      »Du spinnst! Der und Seelenheil!« Jan lachte laut auf. »Wenn der an Gott glaubt, würde er uns nichts klauen lassen. Der Chef ist aber ein Studierter. Der glaubt so´n Quatsch nicht, sondern nur, was er sieht. Religion ist ›Opium fürs Volk‹. Hat schon Karl Marx gesagt.«

      »Du und dein Karl Marx. Der Papst hat auch studiert. Oder meinst du, der tut nur fromm?«

      »Ach, ich weiß nicht. Der Chef macht bestimmt auf Kunsthandel im Darknet. Da kannst du so was zu Spitzenpreisen verhökern. Das sind jahrhundertealte Unikate. Die gibt es nur einmal auf der ganzen Welt. Vielleicht hat der einen Kunstliebhaber an der Hand, der ihm viel Geld dafür bezahlt. Warum sonst musste es auf dem Höherberg ausgerechnet die Figur mit dem Drachen sein? Da standen doch so viele andere. Klauen auf Bestellung. Und wir machen die Drecksarbeit«, überlegte Jan und warf einen Blick auf den Tacho. Im gleichen Moment zuckte er zusammen. Siebzig innerorts! Runter vom Gas! Scheiße. Er trat auf die Bremse. Hier in Pöhlde wird oft geblitzt. Das fehlte uns gerade noch. Sein Herz klopfte. Sämtliche Poren seiner Haut öffneten vor Schreck ihre Schleusen. Schweiß rann ihm den Rücken herunter, tropfte von der Nase. Er wischte sein Gesicht am Hemdärmel ab. »Scheiße! Warum quatschen wir hier blöd rum. Mensch Fredde, wenn sie uns jetzt geblitzt haben, war´s das. Dann kriegen sie uns!«

      Fredde wurde blass. Seine Beine begannen zu zittern. Er hielt die Hände auf die Knie. »Hoffentlich nicht.«

      Am Ortsausgang atmeten sie erleichtert auf. Kein Blitzer! Jan schaute in den Rückspiegel. Folgte ihnen jemand? Nein. Alles gut. Bleib ruhig. Hinter dem Ortsschild beschleunigte er wieder.

      »Da vorn, vor der Brücke, geht ein Feldweg nach rechts. Ich fahr da rein, und wir machen die Holzwürmer ab. Dann erkennt uns keiner mehr. Okay?«

      Fredde nickte. »Ja, das ist gut.«

      Jan bog in den geschotterten Weg, der neben der Oder entlang verlief. Eine Staubwolke hüllte sie ein. Das Flussbett führte nur wenig Wasser. Seit Wochen hatte es nicht geregnet. Als sie außer Sichtweise zur Straße waren, hielt er an. Sie stiegen aus, sahen sich um. Niemand war zu sehen.

      »Das war echt ´ne gute Idee von dir mit dem Firmenzeichen. Wenn sie uns jetzt suchen, suchen sie vergeblich einen Wagen mit Holzwurm«, sagte Fredde, während sie die Folie mit den aufgeklebten Holzwurmemblemen von der Fahrer- und Beifahrertür pulten.

      »Benedikt Holzwurm! Ade!«

      »Hoffentlich war das Nummernschild dreckig genug und die Frau bei der Oberkirche konnte es nicht entziffern.« Er schaute nach. »Ja, das kann man nicht lesen. Wir sind safe.«

      Sie knüllten die Folienreste zusammen, warfen sie ins Gebüsch, stiegen erleichtert wieder ein, fuhren bis zum Kreisel und geradeaus weiter nach Herzberg.

      Die Beute sollten sie nach Düna in eine Scheune bringen. So lautete die Anweisung vom Chef.

       Die Entfernung ist unwichtig.

       Nur der erste Schritt ist schwierig.

      – Marquise du Defand –

      Hauptkommissar Schneider hatte gerade zwei Bahnen vom Rasen gemäht, da vibrierte sein Handy in der Gesäßtasche. Er ließ den Sicherheitsgriff des Mähers los. Der Motor verstummte. Umständlich zog er die Gartenhandschuhe aus, ließ sie auf den Boden fallen und griff eilig nach dem Handy.

      »Was gibt’s?«

      »Kowalski, Gieboldehausen. Hallo Christian. Du, wir brauchen dich hier. Ich bin in Germershausen. Da ist die ...«

      »Ein Mord?«

      »Nein. Aber, aus der ...«

      »Warum rufst du mich dann an? Wende dich an den Kollegen, der jetzt Schicht hat. Ich hab Feierabend«, würgte Schneider das Gespräch ab, steckte das Handy wieder ein und zog an der Schnur vom Mäher. Der Motor heulte auf.

      Wegen jeder Lappalie rufen die mich an. Warum stecke ich das Handy überhaupt ein? Bin ja selbst schuld. Ich muss nicht ständig erreichbar sein. Schniefend mähte er weiter. Doch das ›Wir brauchen dich hier‹ hallte in seinem Kopf nach. Ich habe nicht mal gefragt, was passiert ist. Kowalski ruft eigentlich nicht wegen einer Kleinigkeit an. Sollte es doch was Wichtiges sein? Er blieb stehen und rief zurück.

      »Ich bin´s nochmal. Hmpf. Sag mal, ist es wirklich wichtig? Kein Kleinkram?«, fragte er, als Kowalski abnahm.

      »Denke schon. Sonst hätte ich dich nicht angerufen. Übrigens: Ich hab mit Marie gewettet, dass du gleich zurückrufst. Bingo! Ich habe gewonnen!«, jubelte Kowalski.

      Im Geiste sah Schneider den Kollegen vor sich, wie er Marie Steffen angrinste und den Daumen hob.

      »So, so. Scheinst mich ja gut zu kennen. Schieß´ los, was ist passiert?«

      »Aus der Wallfahrtskirche wurde die Muttergottesstatue geklaut. Der Schrein ist leer, die Küsterin ist total durch den Wind und das halbe Dorf steht kopf.«

      »Haben die keine Alarmanlage?«

      »Doch, haben sie. Scheinen Profis gewesen zu sein, die sich mit Elektronik auskennen. Alles ist fein säuberlich ausgeschaltet worden. Dass hier Diebe am Werk waren, erkennt man nicht. Ist aber so. Ich hab überall nachgefragt. Niemand hatte einen Auftrag, die Madonna abzuholen. Und heute Morgen, als Frau Hundeshagen die Kirche aufgeschlossen hat, stand sie, nach ihrer Aussage, noch an ihrem Platz. Der Diebstahl muss um die Mittagszeit passiert sein.«

      »Hast du schon die Kriminaltechniker angefordert?«

      »Klar. Und alles abgesperrt.«

      »Gut, ich guck mir das an. Befrage schon mal die Leute. Vielleicht hat einer ein Auto oder Fremde bei der Kirche gesehen. Am besten, Ihr geht in die Gastwirtschaft vorn an der Straße. Die haben dort sicherlich einen Raum für uns. Bin gleich da.«

      »Wird gemacht. Bis dann.« Siegessicher schaute Kowalski zu Marie. »Wusste ich´s doch. Der kann´s nicht lassen. Schneider liebt interessante Fälle, nichts Alltägliches. Am liebsten allerdings Mord, so makaber es auch klingt.«

      »Okay. Du hast die Wette gewonnen, leider. Wollen wir wetten, bis wann er den Fall aufgeklärt hat?«

      »Jau, bis zum nächsten Wochenende, also nicht dieses, sondern das nächste«, gab Kowalski sein Votum ab.

      »Na, na. In zehn Tagen? Das kannste knicken. Ich denke, mindestens doppelt so lang, wenn überhaupt. Hier sind null Spuren. Wie soll er das anstellen?«

      Sie schlug siegessicher in Kowalskis hingehaltene Hand ein.

      »Und um was wetten wir?«

      »Um ´ne Pizza«, meinte Marie.

      »Gebongt.


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