Seewölfe Paket 26. Roy Palmer

Seewölfe Paket 26 - Roy Palmer


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Lauf den beiden jungen Frauen, die im hinteren Winkel des Raumes mit Pulverflaschen, Schußpflastern, Kugeln und Ladestöcken hantierten.

      Ricarda und Amata waren Hausgehilfinnen der Familie Herrera, und sie hatten sich freiwillig bereit erklärt, bei ihrem Dienstherrn zu bleiben – ebenso wie Ernesto und Ugo, die beiden Diener.

      Mit geschickten Händen arbeiteten Richarda und Amata in nahezu völliger Dunkelheit. Kerzen- oder Lampenlicht war im Umgang mit Pulver zu gefährlich. In den möglichen Wirren des Geschehens konnte man sich allzu leicht selbst in die Luft jagen.

      Ein erneuter Rammstoß erschütterte das Haus. Diesmal blieb es nicht beim Dröhnen und Erbeben des Mauerwerks. Holz splitterte. Ein kurzes Klirren von Scherben war zu hören. Die Kerle waren im Begriff, einen der Fensterläden und die dahinter befindliche Bohlensicherung zu zerstören.

      Entsetzt verharrten die fünf Menschen im Obergeschoß. Dies konnte das beginnende Ende sein und bedeuten, daß das Warten auf Hilfe vergeblich war. Ricarda und Amata bekreuzigten sich, alle dachten an die Frau und die Kinder des Handelsherrn.

      Señora Herrera hatte sich an der Verteidigung des Hauses beteiligen wollen, aber ihr Ehemann hatte sie überzeugen können, daß sie die Kinder beaufsichtigen mußte, mit denen sie sich hoch oben – in der Dachkammer – halbwegs in Sicherheit befand.

      Felipe Herrera gab sich einen Ruck. Der nächste Rammstoß würde in wenigen Sekunden erfolgen. Es mußte etwas geschehen.

      „Ernesto“, sagte er rauh, „wir müssen unten nach dem Rechten sehen. Bist du bereit?“

      „Si, Señor“, erwiderte der Diener sofort, ein untersetzter Mann mit rundem Gesicht, das ebenso pulververschmiert war wie das seines Dienstherrn.

      „Beeilen wir uns!“ rief Herrera. „Ugo, du versuchst, die Kerle mit der Muskete zurückzuhalten!“

      Der zweite Diener, ein sehniger Mann, hatte sich bereits mit einer Langwaffe versorgt und näherte sich geduckt dem Fenster, von dem aus Felipe Herrera gefeuert hatte.

      Der Hausherr nahm unterdessen eine Pistole vom Tisch und eilte voran. Ernesto schob zwei Kurzwaffen unter den Hosenbund und folgte dem Inhaber des Handelshauses. Im Erdgeschoß befanden sich ausschließlich die Kontore der Compañia Herrera y Castillo.

      Herrera hatte die Mehrheit des Geschäftskapitals, sein Teilhaber Castillo fungierte als eingeschränkt weisungsberechtigter Geschäftsführer. Das Nachbarhaus, in dem er mit seiner Familie gewohnt hatte, war längst ausgeplündert worden. Nach Ausbruch der Unruhen hatte sich Castillo der Mehrheit der Bürger angeschlossen und sich in die Residenz evakuieren lassen.

      Herreras Haus war wie eine Insel im Meer von Gewalt. Er gehörte zu den wenigen, die sich dem Aufruhr des Pöbels widersetzten. Lediglich von dem deutschen Handelsherrn Arne von Manteuffel wußte er, daß dieser ebenfalls noch den Angriffen trotzte. Von den restlichen Widerstandsnestern im Stadtgebiet hatte Herrera in dieser Nacht auf den 9. Juli Anno 1595 schon seit Stunden nichts mehr gehört.

      Es war das große Kontor in der vorderen linken Gebäudehälfte, in dem das Fenster nachzugeben drohte.

      Ein abermaliger Rammstoß dröhnte den beiden Männern entgegen, als sie den von Balkenverstrebungen durchkreuzten Raum betraten. Wieder splitterte Holz.

      Ernesto hatte eine Laterne aus dem oberen Korridor mitgebracht. Furchtlos begann er, die Querbalken und die Stützbalken jenes Fensters abzuleuchten, durch dessen entstehende Ritzen der Fackelschein von außen drang.

      Im Obergeschoß krachte die Muskete. Wutgebrüll der Kerle und schrilles Kreischen der Hafenweiber waren die Antwort. Gleich darauf erfolgte ein wildes Geknatter von Pistolenschüssen. Ein Schmerzensschrei innerhalb des Hauses ertönte, dann folgte der dumpfe Laut eines hinschlagenden Körpers. Gleich darauf waren wieder Schreie zu hören – die Stimmen Ricardas und Amatas, voller Entsetzen.

      Draußen wechselte das Gebrüll von Wut zu Triumph.

      Einen Atemzug lang sah Ernesto seinen Herrn erschrocken an. Das Licht, das durch die Ritzen der inneren Balkenlage des zerstörten Fensters drang, warf schmale rötliche Streifen auf sein Gesicht.

      „Señor“, sagte der Diener heiser, „würden Sie die Laterne halten?“

      Felipe Herrera nickte nur, folgte der Aufforderung und beobachtete Ernesto, wie er einen schweren Hammer vom Fußboden aufhob und die Stützbalken fester schlug. Das Gebrüll der Plünderer steigerte sich. Der nächste donnernde Rammstoß übertönte es, schien es auszulöschen. Das Donnern setzte sich in einem Prasseln und Krachen fort. Die oberen Balken hinter dem getroffenen Fenster flogen weg wie morsche Hölzer.

      Ohne einen Laut stürzte Ernesto zu Boden, von zwei oder drei Balken gleichzeitig getroffen. Nur noch der untere Teil der Balkenverstrebungen hielt stand.

      Mit weit aufgerissenen Augen sah Felipe Herrera, was geschah. Noch immer hielt er die Laterne, und er stand wie erstarrt.

      Sein Diener rührte sich nicht mehr. Über ihm flutete Fackelschein durch die entstandene Öffnung. Ein Viertel des Baumstammes, den die Kerle als Ramme benutzt hatten, ragte herein. Beinahe andächtig war die draußen einkehrende Stille.

      Gesichter bewegten sich rund um den Stamm. Dreckstarrende, stoppelbärtige Gesichter mit gierigen Augen. Wüste Visagen voller Siegesgewißheit. Sie schienen eine Weile zu brauchen, um ihren Erfolg zu begreifen.

      Mit starrem Blick, wie in Trance, löschte Herrera die Laterne und stellte sie auf den Boden. Dann hob er die Pistole und feuerte in die Fensteröffnung. Das Krachen des Schusses, innerhalb der vier Wände um ein Vielfaches verstärkt, ließ seine Ohren schmerzen. Aber das Ergebnis glich alles aus. Es war, als hätte der Mündungsblitz die Schreckensfratzen aus dem Fensterloch weggefegt.

      Doch im nächsten Augenblick setzte das Geheul ein. Ihre Stimmen hatten jetzt fast nichts Menschliches mehr. Sie waren wie Wölfe, die im Rudel das sichere Opfer umkreisten und sich gegenseitig zerfleischten, ehe sie zum letzten, alles entscheidenden Angriff übergingen.

      Der Pistolenschuß hatte ihre Blutgier nur noch mehr erregt.

      Herrera beugte sich todesmutig über seinen Diener, obwohl das entstandene Loch zum Greifen nahe war. Er tastete nach dem Herzschlag Ernestos, aber da war nur noch Reglosigkeit. Im nächsten Moment sah Herrera die gebrochenen Augen des treuen Gefährten, und ihn überfiel ein unbändiger Zorn. Er riß die beiden Pistolen unter Ernestos Gurt hervor.

      Die erste Kugel jagte er in eine von rotem Haarwust umrahmte Visage, die – vom Geschrei der Meute angefeuert – in der Öffnung auftauchte. Ein gellender Todesschrei war die Folge. Die Visage verschwand, und für Augenblicke wurde es still.

      Felipe Herrera ließ die leergeschossene Pistole fallen und wich mit der noch geladenen Waffe vom Fenster weg.

      Die Hölle brach los.

      Die brüllenden und kreischenden Stimmen wuchsen zu einem Orkan der Wut an. Der Rammbock wurde zurückgerissen, und Schüsse krachten. Herrera reagierte nicht schnell genug auf die Mündungsblitze, die in den Raum zuckten. Jäher Schmerz durchstach ihn von der Körpermitte her. Erschrocken starrte er auf das Blut, das aus einer Wunde über der rechten Hüfte sickerte und seine Kleidung tränkte.

      Der Schmerz wich seiner neu aufflackernden Entschlossenheit. Er ließ sich fallen, feuerte im Liegen und schaffte es noch einmal, die herandrängende Horde zurückzuschlagen.

      Doch sofort darauf krachten abermals Schüsse, und er war gezwungen, vor den hereinrasenden Kugeln in den Korridor zurückzuweichen. Er ließ die Pistole liegen. Die Schüsse verebbten, ihnen folgte das Gebrüll, das sich erneut steigerte.

      Herrera schaffte es, sich aufzurichten. Der Schmerz, auf den er wartete, setzte noch nicht wieder ein. Er begann, die Treppenstufen hochzusteigen.

      Im Kontor reckten sich gierige Hände und Arme durch die Fensteröffnung und rissen die noch vorhandenen Stützbalken weg. Herrera sah nicht, wie sich das Loch vergrößerte, doch er hörte das Poltern der fallenden Balken. Das Geschrei erfaßte das Innere des Hauses. Wie eine alles verschlingende Brandung


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