Seewölfe Paket 1. Roy Palmer

Seewölfe Paket 1 - Roy Palmer


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hundertmal geübt, lief wie am Schnürchen. Barry Burnaby, der Stückmeister, verteilte die Waffen, die Kanonen wurden schußklar gemacht, Pützen mit Seewasser bereitgestellt, das Kombüsenfeuer gelöscht.

      Carberry tobte in seiner gewohnten Art über das Mitteldeck, drohte jedem, der nicht spurte, fürchterliche Strafen an, die darin gipfelten, Affenärschen die Haut abzuziehen und an die Kombüse zu nageln, und schrie sich die Kehle heiser.

      Und prompt geriet er sich mit Mac Pellew in die Haare, der zurückschrie, er solle sich die Häute der Affenärsche gefälligst selbst auf den Hintern nageln, aber nicht an die Kombüse. Er hätte keine Lust, in einer Kombüse zu kochen, die mit solchen Häuten benagelt sei, verdammt.

      Und dann brüllten sich die beiden zum Gaudium der Mannschaft wie die Gossenjungen an, hielten sich gegenseitig die Fäuste unter die Nasen, mit denen sie sowieso schon fast zusammenstießen, weil sie beide ihre Köpfe vorgestreckt hatten, und belegten sich mit Schimpfnamen und Flüchen, die selbst den Abgebrühtesten unter ihnen zu einem wohligen Erschauern verhalf.

      Das heizte so richtig die Kampfstimmung an.

      Francis Drake stand mit steinerner Miene auf dem Achterdeck und starrte angelegentlich in die Segel. Er würde den Teufel tun, die beiden Kampfhähne zur Räson zu bringen. Sie waren genau die richtige Medizin, die Männer fürs Gefecht anzustacheln. Er kannte seine Leute.

      Hasard hörte amüsiert zu und lernte eine Menge. Gleichzeitig beobachtete er den Spanier, der den Taubstummen spielte, unbeteiligt über die See starrte und seine Gefechtsstation an der achteren Kanone auf der Backbordseite hatte.

      Sieh an, dachte er. Denn auch Gordon Brown hatte dort seine Gefechtsstation. Der ahnungslose Burnaby hatte die beiden Kumpane genau an die Stelle eingeteilt, von wo aus sie am besten das erhöhte Achterdeck erreichen konnten. Denn hinter ihnen führte ein Niedergang zum Achterkastell hoch.

      Gordon Brown war sichtlich nervös. Er fummelte an einem Fleischermesser herum, das er in einer Gürtelscheide trug, blickte sich ständig um, als werde er verfolgt, und hatte Schweißperlen auf seiner Stirn.

      Der Spanier, nun ja, er war ja „taubstumm“, bewies, daß er die besseren Nerven hatte. Aber die mußte ein solcher Mann, der von der spanischen Krone den Auftrag erhalten hatte, Francis Drake zu ermorden, wohl auch haben.

      Hasard beging nicht den Fehler, einen Gegner zu unterschätzen. Dieser Mann mußte über kämpferische Qualitäten verfügen – und seine Rücksichtslosigkeit hatte er bereits unter Beweis gestellt.

      „Könnt ihr mal eure verdammten Schnauzen dort unten halten!“ schrie das Bürschchen wutentbrannt vom Mars herunter. „Ich hab dem Kapitän was zu melden!“

      Den beiden Kampfhähnen blieb der Mund offenstehen, sie starrten nach oben. Alle starrten nach oben.

      Das Bürschchen feixte und schrie: „Ein Spanier, Sir! Das Kreuz erkenne ich ganz deutlich. Drei Masten hat er. Außerdem hat er ebenfalls angeluvt. Wie ich das sehe, Sir, werden sich unsere Kurse kreuzen.“

      „Danke, Dan!“ rief der Kapitän nach oben und lächelte. „Sofort melden, wenn er den Kurs ändert.“

      „Aye, aye, Sir.“

      Die Rahen knarrten ächzend, Wellen klatschten gegen die Bordwand, Gischt sprühte in feinen Schleiern über das Vorschiff. Carberry zischte dem Koch einen letzten Fluch ins Gesicht, der nicht unbeantwortet blieb, dann trat wieder Stille ein, wie sie sich vor jedem Gefecht einzustellen pflegte, und in der sich die Männer darauf vorbereiteten, dem Gevatter Tod zwischen die grinsenden Zähne zu springen.

      Hasard schlenderte über das schräggeneigte Deck und setzte sich auf eine Stufe des Niedergangs zum Achterkastell.

      Gordon Brown fuhr herum, musterte ihn wütend und biß sich auf die Lippen.

      Hasard lächelte nur und verschränkte die Arme über der Brust. Er saß völlig entspannt auf der Stufe und tat so, als sei dieser Tag voll des Frohsinns und der Freude.

      Der Spanier drehte sich um und blickte den sitzenden, lächelnden Mann an. Er hatte sich völlig in der Gewalt, wandte sich, ohne eine Miene zu verziehen, wieder um und starrte weiter über das Schanzkleid auf die See.

      Gordon Brown trat von einem Fuß auf den anderen.

      „Du hast noch Schulden bei mir“, sagte Hasard laut und deutlich und sehr freundlich. „Vergiß sie nicht, Gordon Brown.“

      Alle Männer – einschließlich Francis Drake – schauten überrascht zu dem sitzenden Mann.

      Nur zwei Männer begriffen, was er jetzt sagte. Er sagte zu Gordon Brown: „Ich werde wie ein Schießhund aufpassen, daß du deine Schulden bezahlst.“

      Dann stand Hasard wieder auf, blickte kurz zum Kapitän hoch und schlenderte auf die Steuerbordseite hinüber. Das Aufblitzen in den grauen Augen des Kapitäns hatte er bemerkt. Und ebenso sah er das Erkennen in der Miene des Schiffszimmermanns, der an der Nagelbank des Großmastes lehnte. Unmerklich nickte er ihm zu, und Ferris Tucker nickte zurück.

      „Burnaby“, sagte der Kapitän vom Achterkastell herunter, „heute sind Sie wieder dran. Ich möchte, daß Sie dem Don mit der Serpentine den Fockmast wegschießen. Daraufhin wird er zumindest in den Wind gehen. Liegt er im Wind, sind wir bereits bei ihm längsseits und entern. Carberry, sorgen Sie dafür, daß die Entermannschaft bereit ist. Brighton, lassen Sie die Segel aufgeien, sobald der Don in den Wind geht. Ist alles klar, Gentlemen?“

      „Aye, aye, Sir“, erklang es im Chor zurück.

      „Gott sei mit euch“, sagte der Kapitän. „Und tut eure Pflicht.“

      Burnaby eilte nach vorn auf die Back und hantierte an der Backbordserpentine. Die Entermannschaft verteilte sich auf der Backbordseite entlang des Schanzkleides und ging in Dekkung. Ben Brighton pflanzte sich zwischen Großmast und Fockmast auf.

      Die beiden Schiffe segelten auf sich kreuzenden Kursen aufeinander zu, der Spanier über Steuerbordbug, die „Marygold“ über Backbord.

      „Peilung steht!“ rief das Bürschchen vom Mars herunter. Das bedeutete, daß die beiden Schiffe auf Rammkurs lagen. Der Kapitän nickte und befahl dem Rudergänger, um knapp einen Strich unmerklich abzufallen.

      „Peilung wandert aus!“ rief das Bürschchen.

      Jetzt zielte der Bug der „Marygold“ auf das Achterschiff des Spaniers, der noch etwa vierhundert Yards entfernt war und seine Stückpforten geöffnet hatte. Verbissen hielt der Spanier seinen Kurs durch.

      Zweifelsohne riskierte der Kapitän eine ganze Menge, denn er durchbrach die eiserne Regel, ein Gefecht nur aus der Luvposition heraus zu beginnen. Er war – wenn auch nur knapp einen Strich – abgefallen, gab also Höhe auf und geriet mehr und mehr in den Leebereich des Gegners. Aber seine Segel standen voller, und die „Marygold“ segelte schneller als der Spanier, was bedeutete, daß sie manövrierfähiger war.

      Bei dem Spanier blitzten vorn auf der Back zwei rote Flammenzungen auf, Schußdonner rollte grollend über die See, Pulverschwaden stiegen hoch.

      Der Spanier hatte das Gefecht eröffnet.

      Zwei kleine Wassersäulen stiegen Backbord voraus aus der See und fielen sofort wieder zusammen. Saubere Schießkunst war das keineswegs, allenfalls eine Demonstration.

      Die „Marygold“ fiel auf Befehl des Kapitäns noch weiter ab, und als sie dann langsam hochluvte, feuerte Burnaby seine Serpentine bei einer Entfernung von etwa achtzig Yards ab.

      Wütendes Musketenfeuer setzte auf die Spanier ein.

      Gebannt starrten die Männer der „Marygold“ hinüber zu dem Spanier. Fiel der verdammte Fockmast, oder hatte Burnaby vorbeigeschossen?

      Er fiel.

      Es sah aus, als vollführe er eine elegante Verbeugung. Er knickte in sich ein, neigte sich immer weiter nach vorn und krachte dann splitternd aufs Vorkastell. Als er auf die Steuerbordseite herüberrutschte, wischte


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