Seewölfe Paket 1. Roy Palmer

Seewölfe Paket 1 - Roy Palmer


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sagte der Kapitän und drehte sich um, weil er sich das Lachen verkneifen mußte. Hätte es das Bürschchen gesehen, wäre es vielleicht beleidigt gewesen.

      „Los, Hasard“, sagte Donegal Daniel O’Flynn begeistert und zappelte ungeduldig. „Springen wir vorn oder achtern ’rein?“

      „Langsam“, sagte Hasard. „Geh zum Bootsmann und hol zwei Tampen in Wurfleinenstärke. Wir steigen mit einer Sicherheitsleine runter, und zwar an einer Strickleiter, verstanden?“

      „Aye, aye.“ Und weg war das Bürschchen.

      Es kehrte mit Ben Brighton zurück, der zwei lange, in Buchten aufgeschossene Tampen mitbrachte. Hasard nahm sie in Empfang.

      „Ben, du nimmst Dan an die Angel, wenn wir runtergehen“, sagte er. „Wenn Dan dreimal kräftig zieht, hievst du ihn sofort hoch. Für mich gilt das gleiche. „Und wer nimmt dich an die Angel?“

      „Ich“, sagte Carberry, der bei der Pumpe gestanden hatte. Er blickte über die Schulter zurück. „Pumpt weiter, ihr Rübenschweine, noch ist nicht Feierabend. He, Smoky! Hol die Strickleiter aus der Segellast, hopp-hopp!“

      „Aye, aye“, brummte Smoky, lief los und stolperte über das ausgestreckte Bein Gordon Browns. Er landete auf den Planken, fluchte und war wie eine Katze wieder auf den Beinen.

      Hatte Gordon Brown das Bein absichtlich ausgestreckt? Niemand hatte es gesehen.

      Ob absichtlich oder nicht, Smoky war das gleichgültig. Das Bein war plötzlich dagewesen, und er war lang hingeschlagen. Er schlich auf Gordon Brown zu.

      „Die Ratte hat dir wohl noch nicht gereicht, wie?“ sagte er und knurrte dabei wie ein gereizter Kettenhund.

      Carberry fuhr dazwischen: „Schluß! Hol die Strickleiter, Smoky!“

      „Er hat mir ein Bein ...“

      „Weiß ich!“ pfiff ihn Carberry an. „Und daß er ein hirnrissiges Rübenschwein ist, weiß ich auch. Aber dafür haben wir jetzt keine Zeit. Wenn ihr euch prügeln wollt, besorgt das später im Vordeck – falls wir nicht alle absaufen. Zisch ab!“

      Smoky trollte sich grollend.

      Carberry knurrte jetzt Gordon Brown an und sagte: „Ran an die Pumpe, du Saftsack! Und paß auf, daß mir nicht zufällig deine stinkenden Quanten im Weg stehen!“

      Gordon Brown gehorchte widerspruchslos.

      Hasard knüpfte sich die Leine um den Leib und schob sie unter die Achseln. Er überprüfte den Sitz von Dans Leine und nickte ihm zu.

      „Wir nehmen uns jeder eine Schiffshälfte auf der Steuerbordseite vor. Du die vordere, ich die achtere. In der Mitte bei der Strickleiter treffen wir uns wieder. Haben wir nichts gefunden, untersuchen wir die Backbordseite. Vergiß nicht, bis zum Kiel zu tauchen. Paß auf Muscheln auf, die sich eventuell schon angesetzt haben, sie können höllisch scharf sein. Taste das Holz ab und halt die Augen offen. Alles klar?“

      „Alles klar“, erwiderte das Bürschchen.

      Smoky brachte die Strickleiter. Sie wurde auf der Steuerbordseite mittschiffs an einer massiven Holzklampe belegt und nach unten gelassen.

      Hasard schwang sich als erster über das Schanzkleid und kletterte hinunter.

      „Gib genug lose, Ed!“ rief er nach oben.

      Carberry beugte sich weit über das Schanzkleid und fierte die Leine weg. Donegal Daniel O’Flynn folgte dem Seewolf und grinste Ben Brighton an, der seine Leine führte.

      „Halt mich ja schön fest, Bootsmann“, sagte er. „Vielleicht find ich ’ne Seejungfrau und zwick sie in den Popo!“

      „Untersteh dich“, sagte Ben Brighton.

      Hasard ließ sich ins Wasser sinken und gab die Strickleiter frei. Dan ließ sich einfach ins Wasser plumpsen, verschwand und tauchte prustend wieder auf. Seine borstigen Blondhaare standen wie die Stachel eines Igels ab.

      „Ah, da tut gut!“ schrie er.

      „Vergiß nicht, warum wir hier sind“, sagte Hasard, warf sich hoch, knickte im Leib ein und schoß wie ein Fisch in die grüne Tiefe.

      Das Leck mußte ziemlich tief sitzen, sonst hätte es Ferris Tucker längst gefunden. Vielleicht befand es sich direkt an einem Querspant über dem Kielgang, an den der Schiffszimmermann schlecht herankam, um die Plankengänge zu untersuchen.

      Hasard stieß bis zum Kiel vor und tastete sich an ihm entlang. Unter dem Schiffsleib war es dunkel, kleine Seepocken hatten sich bereits an die Planken gesetzt. Hasard konnte sie fühlen. Hinter sich spürte er Bewegung im Wasser. Es war Dan, der am Kiel angelangt war und in Stevenrichtung zu suchen begann.

      Hasard fand das Leck bei seinem ersten Tauchgang und stieß überrascht die Luft aus, die in sprudelnden Blasen hochstieg. Er war auf eine endlose Suche gefaßt gewesen und begriff im ersten Moment gar nicht, daß er das Leck gefunden hatte. Aber an der Stelle waren die Seepocken abgeplatzt, und das hatte ihn stutzig werden lassen.

      Er spürte unter den Pocken Holzsplitter und den Sog des Wassers, das in ein kreisrundes Loch von der Dicke eines dünnen Kinderhandgelenks strömte. Mit seinem Zeigefinger tastete er das Loch ab, um den Durchmesser genau zu ermitteln, nahm die anderen Finger zu Hilfe und steckte sie in das Loch. Zeige-, Mittel- und Ringfinger paßten nebeneinander hinein.

      Er blies den letzten Rest seiner angehaltenen Luft aus und tauchte genau in Höhe des Lecks um den gewölbten Rumpf herum wieder auf.

      Etwa zehn Yards rechts von ihm schoß Dan aus dem Wasser und schnappte nach Luft.

      „Hast du’s?“ schrie das Bürschchen.

      „Ja!“ rief Hasard zurück.

      „Ehrlich?“

      „Was dachtest du denn?“

      „Mann!“ Das O’Flynn-Kerlchen wurde richtig fuchtig und klatschte die Rechte aufs Wasser. „Kannst du mich nicht auch mal ’ne Heldentat vollbringen lassen?“

      „He!“ sagte der Seewolf. „Du bist wohl scharf auf schottischen Whisky?“

      „Und ob“, sagte das Bürschchen.

      „So jung und schon ein Säufer. Was soll nur aus dir werden, O’Flynn?“

      „Ein Kapitän“, sagte das Bürschchen.

      „Was ist?“ schrie Carberry vom Schanzkleid herunter. Links und rechts neben ihm standen die Männer Kopf an Kopf und starrten nach unten. Ihre Gesichter waren voller Hoffnung.

      Beim Achterkastell beugte sich der Kapitän über die Reling.

      „Haben Sie das Leck gefunden, Killigrew?“ rief er.

      „Aye, aye, Sir.“

      Die Männer schrien begeistert los.

      Hasard schwamm an die Strickleiter heran und enterte hoch. Er drängte sich an den tobenden Männern vorbei zu Ferris Tukker und sagte leise: „Schneide einen Rundkeil zurecht, Ferris, vorn leicht zugespitzt, etwa so breit wie meine drei Finger hier.“

      „Geht klar“, sagte Ferris Tucker und verschwand unter Deck.

      Carberry brüllte: „Wollt ihr wohl an die Arbeit, ihr Affenärsche – ihr verlausten, dreimal von euren Großmüttern im Linksgalopp an die Wand geschissenen Waldameisen! Ist hier Betstunde, was, wie? Noch wird gepumpt und gepützt, bis euch das Wasser im Hintern kocht! Grinst nicht so dämlich. Hier ist heute nicht eher Feierabend, bis die Bilge knochentrocken ist, habt ihr mich verstanden?“

      „Aye, aye“, erklang es im Chor. Die Männer eilten wieder an die schweißtreibende Arbeit. Aber sie hatten neue Kraft geschöpft. Bald würde die Schinderei zu Ende sein und der Alptraum des Absaufens verblassen.

      Nur Carberry und Ben Brighton blieben am Schanzkleid. Der Kapitän trat hinzu. „Was ist das für ein Leck?“

      Hasard


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