Seewölfe Paket 1. Roy Palmer

Seewölfe Paket 1 - Roy Palmer


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der Frauen begann leise zu wimmern. Die anderen kümmerten sich nicht darum. Sie hatten alle mit ihrer eigenen Angst genug zu tun.

      Der große Schwarze auf dem Quarterdeck krampfte beide Hände um die Reling. Die Engländer, die sie aus dem Bauch des spanischen Schiffes befreit hatten, hatten ihm die Grundbegriffe des Segelns beigebracht, aber sie hatten ihm nicht gesagt, was er tun sollte, wenn das Meer und der Wind sich in ein furchteinflößendes Schweigen hüllten.

      Die Stille war unheimlich. Nicht einmal das Knarren der Takelage, das sie seit den beiden Tagen, die sie auf See waren, ständig in den Ohren gehabt hatten, war mehr zu hören.

      Der große Schwarze spürte die Angst, die ihn ebenso wie seine Brüder und Schwestern gepackt hatte. Er versuchte sie abzuschütteln, aber die Ehrfurcht vor der Mutter Natur ließ seine Händeleicht zittern.

      „Fürchtet euch nicht!“ rief er mit heiserer Stimme über Deck. „Der schlafende Wind wird bald wieder erwachen und unsere Segel füllen.“

      „Nein, Bogo!“ rief einer der Männer auf dem Mitteldeck. „Das große Wasser ist ein Verbündeter der weißen Männer! Es mag uns nicht, und es wird uns verschlingen!“

      „Rede keimen Unsinn, Onoba!“ rief Bogo. „Wir werden …“

      Ein tiefes Grollen, das aus der Tiefe des Meeres aufzusteigen schien, riß dem Schwarzen auf dem Quarterdeck die Worte von den Lippen. Die Frauen unter der Back begannen zu kreischen und zu wimmern. Sie preßten sich noch enger zusammen und verbargen ihre Köpfe unter verschränkten Armen.

      Für die einunddreißig Männer und siebzehn Frauen hatte der Weltuntergang begonnen. Sie warfen sich auf die Decksplanken, als die Karacke plötzlich, wie von einer unsichtbaren Faust gepackt, angehoben und zur Seite geschleudert wurde.

      Das dumpfe Grollen war in ein schmetterndes Donnern übergegangen. Die Luft war von einem Moment zum anderen mit einem Höllenlärm angefüllt. Die Karacke krängte stark nach Steuerbord. Kreischend rutschten die Schwarzen über das schräggeneigte Deck und suchten verzweifelt nach einem Halt.

      Bogo, der an der Steuerbordreling des Quarterdecks in die Knie gegangen war, beobachtete mit weit aufgerissenen Augen, wie dicht neben dem Rumpf des Schiffes das Wasser zu kochen begann. Eine Fontäne jagte mit einem Knall in die Höhe und überschüttete das Deck. Im Nu schwamm das Mitteldeck. An den Speigatten gurgelte das Wasser, als es sich seinen Weg zurück ins Meer suchte.

      Nur eine Kabellänge von der Karacke entfernt brach das Meer auf. Riesige Wellenberge schienen von diesem Höllenauge in alle Richtungen zu springen.

      Ungläubig starrte Bogo den heranbrausenden Wassermassen entgegen.

      „Haltet euch fest!“ brüllte er. Er erkannte seine eigene Stimme nicht wieder. Krampfhaft dachte er daran, was ihm die Engländer gesagt hatten. Bei Sturm mußten als erstes die großen Segel eingeholt werden.

      Sein Kopf ruckte in die Höhe.

      Sturm?

      Die Segel hingen immer noch schlaff von den Rahen!

      Der erste Wellenberg traf die Karacke. Er warf das Schiff herum und überschüttete die Decks. Durch das Brausen und Donnern hörte Bogo noch andere Laute. Holz splitterte. Die Rahe des Fockmastes war auf die Back gestürzt und hatte sich durch die Planken gebohrt.

      Bogo konnte nicht sehen, ob eine der Frauen unter der Back verletzt worden war. Eine zweite riesige Welle packte das Schiff und drehte es herum. Es neigte sich stark nach Backbord.

      Bogo schloß in diesem Augenblick mit seinem Leben ab. Onoba hatte recht gehabt. Das Meer war drauf und dran, sie zu verschlingen. Die bösen Geister gestatteten es nicht, daß schwarze Männer ein Schiff über ihren Rücken steuerten.

      Eine weitere Welle richtete die Karacke wieder auf. Bogo hörte einen entsetzten Schrei. Er sah, wie Onoba von den Wassermassen gepackt und in die Höhe geschleudert wurde. Doch bevor die Welle ihn über das Schanzkleid reißen konnte, griff Onoba nach den Wanten des Großmastes und krallte seine Finger darum.

      Sekundenlang hing er außenbords. Bogo sprang mit einem Satz auf die Reling des Quarterdecks und warf sich nach vorn in die Wanten. Er ließ sich aufs Mitteldeck fallen, und bevor Onobas Hand sich von dem geteerten Tau der Großmastwanten lösen konnte, hatte Bogo sie gepackt. Mit einem wilden Schrei zog Bogo Onoba an Deck zurück.

      Es schien, als hätte Bogos Schrei die bösen Geister vertrieben, die sich in die Herzen der Schwarzen genistet hatten.

      Die Männer, die platt auf den Decksplanken lagen und sich irgendwo festgeklammert hatten, sprangen auf und eilten Bogo zu Hilfe. Die Frauen kreischten nicht mehr.

      Bogo starrte zu der Stelle hinüber, die die mächtigen Wellenberge ausgespuckt hatte. Das Wasser schlug dort große Blasen. Dämpfe stiegen in den wolkenlosen Himmel, wenn sie platzten.

      Bogos Kopf ruckte herum. Weit hinten rollten die riesigen Wellen davon. Die Karacke dümpelte in einer langen Dünung, die dem Schiff nicht mehr gefährlich werden konnte.

      „Tarim!“ rief Bogo. „Stell dich wieder ans Ruder und halte das Schiff so, daß die Wellen gegen den Bug laufen!“

      Ein große schlanker Mann, der noch am ganzen Körper zitterte, lief unter das Quarterdeck und drückte mit dem Kolderstockdie Pinne nach Steuerbord.

      Bogo schickte drei weitere Männer auf die Back, um die zersplitterte Rahe über Bord zu werfen.

      Die ersten Frauen tauchten unter der Back auf. Als sie sahen, daß die Männer sich wieder um das Schiff zu kümmern begannen, verloren sie langsam ihre Furcht. Doch als die erste von ihnen, ein vielleicht fünfzehnjähriges Mädchen, das brodelnde Wasser und die heißen Dämpfe sah, flüchtete es kreischend unter die Back zurück.

      Bogo erschrak, als mit einem lauten Knall eine weitere Fontäne aus dem Wasser stieg und kurz darauf große Blasen an der Wasseroberfläche zerplatzten und weiße Dämpfe ausspuckten, die einen unerträglichen Gestank verbreiteten.

      Doch der große Mann wußte, daß er keine Furcht zeigen durfte. Er mußte seinen Brüdern durch sein Verhalten beweisen, daß die bösen Geister nicht die Absicht hatten, sie zu vernichten Er trieb die Männer an, gab ihnen Aufgaben, befahl das Deck zu säubern und die Takelage wieder in Ordnung zu bringen. Zehn Männer beauftragte er damit, eine neue Rahe am Fockmast hochzufieren, aber sie schafften es nicht, sie richtig anzubringen.

      Verzweiflung krampfte Bogos Herz zusammen. Erst zwei Tage waren sie unterwegs, und die Fahrt zurück in ihre Heimat würde sicher noch mehr als dreißig Tage dauern.

      Gewiß, die Engländer hatten ihnen die Handhabung der Karacke erklärt und ihnen in der kurzen Zeit einiges beigebracht. Aber genügte das, um eine so weite Fahrt unbeschadet zu überstehen? Wenn sie wenigstens Batuti bei sich gehabt hätten! Aber der hatte sich entschieden, bei den weißen Männern zu bleiben.

      Ein leises Rauschen schreckte Bogo aus seinen Gedanken. Sein Kopf ruckte hoch. Er sah, wie sich das Großsegel zu blähen begann. Die Leinwand knatterte und schlug gegen den Mast, doch dann hatte der aufkommende Wind das Segel gefüllt, und das Schiff nahm Fahrt auf.

      Die Männer fielen sich in die Arme vor Freude. Sie blickten hinaus zu der Stelle, an der das Wasser immer noch zu kochen schien. Sie hatten die bösen Geister besiegt. Sie brauchten keine Angst mehr zu haben. Jetzt würden sie es auch schaffen, nach Hause zu segeln.

      Erst nach Minuten bemerkte Bogo, daß der Wind aus südlicher Richtung wehte. Die Karacke lief nach Norden – zurück zu der kleinen Insel, von der aus sie ihre Heimreise angetreten hatten.

      Die Sonne stand im Zenit. Bogo bemerkte verzweifelt, wie der Wind stetig auffrischte, und er hatte nicht den Mut, das Schiff wenden zu lassen. Die Engländer hatten ihnen gezeigt, wie man eine Karacke schräg gegen den Wind fuhr, doch Bogo zweifelte daran, daß sie in der Lage waren, das so hastig Gelernte in die Tat umzusetzen.

      Vielleicht war es doch besser, sie fuhren zurück zu der kleinen Insel und warteten bei den Engländern, bis der Wind aus Norden wehte und sie


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