Seewölfe Paket 1. Roy Palmer
lassen, erlaubte Hasard eine Verbrüderung erst nach Einbruch der Dunkelheit und dann auch nur für die Hälfte der Mannschaft. Die andere Hälfte konnte ihr Glück dann in der nächsten Nacht suchen.
Ihm war nicht wohl bei der ganzen Geschichte. Er wäre kein Mann gewesen, wenn ihn diese jungen, unbefangenen und fröhlichen Mädchen nicht auch erregt hätten, aber er wußte genau, daß er sein Recht verspielte, den Männern Befehle in diesem Fall zu erteilen, wenn er sich selbst an diesem angenehmen Spiel beteiligte.
Hasard war froh, daß er es nicht getan hatte, als der erste Streit ausbrach. Er hatte es kommen sehen. Es war immer das gleiche. Siebzehn Mädchen kümmerten sich um acht Männer, und doch mußten sich Blacky, Smoky und Pete Ballie ausgerechnet um eine der Schönen streiten. Zugegebenermaßen war Nuva, um die der Streit entbrannt war, die hübscheste der Mädchen, aber lohnte das einen Streit unter Männern?
Er konnte im letzten Moment einen Kampf verhindern. Hasard war wütend und schickte sie alle drei zur Ankerwache hinaus auf die Galeonen. Als er Nuva im Beisein von Batuti fragte, was denn losgewesen sei, stellte sich obendrein heraus, daß das Mädchen eigentlich keinen von den dreien haben wollte. Sie hatte erst ein Auge auf ihn und dann auf Donegan O’Flynn geworfen. Der wiederum hatte es angesichts der mächtigen Fäuste von Blacky, Smoky und Pete Ballie gar nicht erst gewagt, in den Konkurrenzkampf einzutreten. In dieser Nacht war er der lachende Vierte.
Tagsüber hielt Ferris Tucker die Männer unter Dampf. Hasard hatte ihm genau fünf Tage Zeit gegeben, das Leck in der Karacke abzudichten.
Es war ein Wunder, daß sich das Schiff überhaupt noch bis in die Bucht hinein über Wasser gehalten hatte. Das Leck erstreckte sich über vier Yards und hatte die Höhe eines ausgewachsenen Mannes. Drei Spanten waren angeknackst, doch die konnte Ferris Tucker unmöglich ersetzen. Er richtete sie und besserte sie, so gut es ging, aus. Er stützte sie mit ein paar kräftigen kurzen Balken ab.
Die Karacke lag nach Steuerbord gekrängt, so daß die Backbordseite mit dem Leck zum Strand hin zeigte. Ferris Tucker hatte als erstes ein kleines Floß herstellen lassen, auf dem er arbeiten konnte.
Die zerfetzten Planken waren bereits herausgeschnitten, und Ferris Tucker hatte bereits starke Planken von innen gegen die Spanten schlagen lassen. Jetzt war er dabei, die innere Beplankung von außen zu kalfatern. Zu dieser Arbeit hatte sich Ferris Tucker Smoky, Blacky und Pete Ballie geholt. Die Männer fluchten ununterbrochen vor sich hin. Die Arbeit selbst stank ihnen zwar auch, aber das schlimmste war, daß sie nicht wußten, ob ihr Streit vom vergangenen Abend noch weitere Folgen hatte.
Voller Wut hämmerten sie das Werg mit den Kalfatereisen in die Fugen zwischen den Planken und verfluchten Batuti, der auf dem Floß Pech kochte, dessen fürchterlicher Gestank den drei Männern in die Nase stieg.
Ferris Tucker war am Strand dabei, die Planken für die Außenhaut zurechtzuschneiden. Dazu benutzte er nicht frisch geschlagenes Holz von der Insel, sondern Planken, die er von allen drei Schiffen zusammengesucht hatte.
Hasard hielt sich an Bord der „Santa Barbara“ auf. Das ungute Gefühl, das ihn seit Tagen in regelmäßigen Abständen überfiel, hatte sich noch verstärkt. Am liebsten hätte er umgehend den Befehl erteilt, die Segel zu setzen und in See zu gehen. Er wußte, daß er wegen der Schwarzen seine beiden Prisenschiffe aufs Spiel setzte, doch er konnte nicht anders handeln. Außerdem brauchte Ferris Tucker jetzt nur noch einen Tag, um die Karacke seeklar zu kriegen.
Hasard ließ sich von zwei Männern wieder an den Strand rudern.
Er war voller Unruhe. Er sah, wie seine Männer häufig zu der Hütte hinüberstarrten, wo sich die jungen Afrikanerinnen im Sand aalten. Nuva winkte ihm zu, doch er reagierte nicht darauf. Er hörte das Kichern der Mädchen. Verdammt, er kam sich vor wie ein Idiot! Wenn nur dieses blöde Gefühl nicht wäre!
Ferris Tucker blickte Hasard entgegen. Der rothaarige Riese war der einzige neben ihm, der sich noch nicht mit einem der Mädchen vergnügt hatte. Der Schiffszimmermann hatte die letzten Tage wie ein Berserker gearbeitet, und am späten Abend war er todmüde umgefallen.
„Morgen sind wir fertig“, sagte er brummend zu Hasard, der sich die Arbeit Tuckers anschaute.
„Ferris, ich will verdammt sein, wenn nicht noch irgend etwas geschieht, womit ich nicht gerechnet habe“, sagte Hasard leise. „Ich spüre es ganz deutlich in den Knochen.“
Ferris Tucker nickte grinsend zu der Hütte mit den Mädchen hinüber.
„Vielleicht solltest du mal rübergehen. Dann wirst du das Gefühl bestimmt los.“
Hasard schüttelte den Kopf. Er war nicht zu Scherzen aufgelegt. Er blickte Ferris Tucker plötzlich fest an und sagte: „Ferris, kannst du die Nacht nicht durcharbeiten? Wir könnten ein großes Feuer auf dem Floß entfachen. Bei dem Licht müßte es doch möglich sein, die Planken zu kalfatern.“
Ferris Tucker hatte schon den Mund geöffnet, um zu protestieren. Doch an den Augen des jungen Killigrew sah er, wie ernst es ihm war.
„Die Männer werden meutern“, sagte er brummend. „Vor allem die drei da, die du gestern abend von ihrem Vergnügen abgehalten hast.“ Er wies zum Floß hinüber, wo Blacky, Smoky und Pete Ballie schufteten.
„Laß sie bis zum Einbruch der Dunkelheit weiterarbeiten“, sagte Hasard hart. „Wenn sie mit der Innenverplankung fertig sind, können sie sich meinetwegen in der Hütte ausruhen. Alle anderen werden dir helfen oder die Galeonen seeklar machen.“
„Aye, aye“, sagte Ferris Tucker, und als er sich umdrehte, um den Männern auf dem Floß Bescheid zu sagen, konnte er ein Gähnen nicht unterdrücken. Er brauchte den Schlaf von allen am nötigsten, aber er wäre der letzte gewesen, der darauf bestanden hätte, eine Pause einzulegen.
Die Unruhe, die Hasard gepackt hatte, war immer stärker geworden. Eine Stunde vor Einbruch der Dunkelheit hatte er es nicht mehr ausgehalten. Zusammen mit Donegan Daniel O’Flynn war er aufgebrochen, um das Plateau zu besteigen und das Meer zu beobachten.
Irgend etwas hatte ihn die ganze Zeit beunruhigt, und jetzt, da er im Schein der untergehenden Sonne den schmalen grauen Streifen der Insel Corvo am Horizont sah, wußte er, was es war. Die Rauchwolke, die seit Tagen in den Himmel gestiegen war, war verschwunden.
Hasard fand keine Zeit, darüber weiter nachzudenken. Ein Schrei O’Flynns, der auf einen großen Lavafelsen gekrochen war, ließ ihn herumfahren.
Er sah die weit aufgerissenen Augen des Jungen, und er brauchte keine Bestätigung mehr. Er wußte auch so, was der Junge entdeckt hatte. Mit ein paar Schritten hatte er den Felsen erreicht und kroch ebenfalls hinauf.
„Verfluchter Mist“, sagte Dan O’Flynn.
Philip Hasard Killigrew konnte ihm nur stumm zustimmen.
Die spanische Kriegsgaleone, die sich langsam an die kleine Bucht heranschob, war mit mindestens sechsunddreißig Kanonen bestückt. Sie fuhr nur unter Marssegel. Es sah nicht so aus, als wollte sie die Bucht noch vor Dunkelheit anlaufen. Sie hatte es auch nicht nötig. Sie konnte in aller Ruhe vor der Bucht ankern und bis zum nächsten Morgen warten, um die Gegner zusammenzuschießen, wenn sie sich nicht ergaben.
Auf dem großen Schiff, das nur knapp eine halbe Meile von der Küste entfernt war, herrschte absolute Stille. So sehr Hasard auch seine Ohren anstrengte, es war weder das leise Schlagen einer Glocke noch ein laut gerufenes Wort zu hören.
Hasard hatte genug gesehen. Ein Schauer lief ihm über den Rücken, als er sich die Feuerkraft der Galeone vorstellte, aber keinen Moment dachte er daran, vor den Spaniern zu kapitulieren. Irgendeinen Ausweg mußte es geben.
Eines war Hasard klar. Sie mußten von der Insel herunter. Wenn es den Spaniern gelang, die drei Schiffe in der Bucht zu zerstören, waren sie verloren. Dann brauchten die Spanier nur ihre Seesoldaten an Land zu setzen. Gegen eine vierfache Übermacht standen die Engländer auf verlorenem Posten.
Hasard wollte sich umdrehen, doch in diesem Augenblick erhielt er einen Stoß gegen die rechte Schulter. Er verlor das Gleichgewicht und stürzte vom Lavafelsen hinunter.