Seewölfe Paket 1. Roy Palmer
gab ruhig seine Befehle. Er hatte die Entschlossenheit auf den Gesichtern seiner Gefährten gesehen, und er wußte, daß sie ihr Leben aufs Spiel setzen würden, um ihre Freiheit zu behalten.
Der Bug der Karacke war immer tiefer abgesunken. Sie bewegte sich nur noch schwerfällig voran. Die Backgräting wurde bereits vom Meerwasser überschwemmt.
Bogo starrte auf die Spitze des Lavafingers, den sie fast erreicht hatten. Atemlos wartete er darauf, daß sie Einblick in die kleine Bucht erhielten, in dem die beiden von den Engländern gekaperten spanischen Galeonen vor Anker lagen.
Die Mastspitzen der Schiffe tauchten auf. Das Krachen der Kanonen und die helleren Schüsse der Musketen waren jetzt deutlich zu hören. Geschrei schallte zur Karacke hinüber.
Bogo hatte die Hände zu Fäusten geballt. Hoffentlich war es noch nicht zu spät!
Die schwer beschädigte Karacke schob ihren Bug um den Lavafinger und gab den Blick in die Bucht von Punta Lagens frei. Bogo sah die kleine Ortschaft, deren Häuser an den schrägen Abhang gebaut waren, der bis nahe zum Strand abfiel.
In der Ortschaft wurde nicht gekämpft. Bogos Augen suchten den runden Strand ab, und plötzlich sah er wieder die grauen Wölkchen aufsteigen. Das Krachen folgte Sekundenbruchteile danach. Eine Kugel schlug in die schwarzen Lavafelsen und riß große Brocken heraus. Prasselnd fielen sie herunter. Ein paar Spanier, die sich am Fuße der Felswand aufhielten, sprangen auf und rannten davon. Schüsse peitschten auf, und die Spanier, deren Helme in der hellen Nachmittagssonne glänzten, warfen sich platt in den Sand.
Bogo blickte zu der Stelle hinüber, an der die Schüsse abgefeuert worden waren. Seine Augen begannen zu leuchten. Er drehte sich zu seinen Männern um und rief: „Wir kommen nicht zu spät! Seht, die Engländer haben sich verschanzt! Los, Männer! Setzt das Schiff auf den Strand, und dann werden wir die Spanier aus ihren Löchern jagen!“
Der Südwind blies genau in die Bucht hinein. Die schwerfällige Karacke fuhr langsam an den beiden ankernden Galeonen vorbei. Bogo sah die überraschten Gesichter der beiden Männer, die als Ankerwachen auf den Schiffen geblieben waren, und winkte ihnen zu. Er schickte seine besten Schützen mit ihren Musketen auf die Back, um von dort aus die Landung der anderen zu decken.
Dann knirschte der tief hängende Bug der Karacke über den Sand des flachen Strandes. Der Rumpf ächzte, und Bogo befürchtete für einen Moment, daß das Schiff auseinanderbrechen könnte, aber dann hatte er keine Zeit mehr, darüber nachzudenken. Er hielt sich am Schanzkleid fest, als er merkte, wie sich die Karacke langsam nach Steuerbord neigte, und als das Schiff mit einem Ruck auflief, schwang er sich laut schreiend über Bord. Er klatschte ins Wasser und schwamm auf den Strand zu.
Die anderen Schwarzen sprangen von der Backgräting hinab. Sie brüllten aus Leibeskräften. Die Männer mit Musketen hielten ihre Waffen hoch über dem Kopf, damit sie nicht mit dem Wasser in Berührung gerieten.
Endlich spürte Bogo Land unter den Füßen. Er stapfte und watete durch das Wasser. Von den Häusern sah er einen Mann herbeilaufen. Er hockte sich plötzlich hin und zog die lange Muskete, die er in den Händen hielt, an die Schulter.
Bogo wollte sich ins Wasser werfen, doch da krachte ein Schuß hinter ihm. Einer der Männer auf der Back der Karacke hatte gefeuert.
Der Mann vor den Häusern warf beide Hände in die Luft und kippte nach hinten um. Reglos blieb er liegen.
Ein wilder Schrei stieg aus den Kehlen der Schwarzen. Bogos Gesicht hatte sich zu einer Grimasse verzerrt. Etwas Besseres hatte nicht passieren können. Seine Gefährten hatten erkannt, daß die Spanier nicht unverwundbar waren. Einer der ihren hatte es geschafft, einen weißen Mann zu töten!
Ein Rausch schien die Schwarzen zu packen. Ungeachtet der weiteren Kugeln, die jetzt auf sie zuflogen, stürmten sie unter Bogos Führung an den Strand – auf die Stelle zu, wo sich die spanischen Soldaten verschanzt hatten.
2.
Philip Hasard Killigrew hockte neben Ferris Tucker und wartete, bis der Schiffszimmermann aus seinem Pulverhorn genügend Pulver in den Zündkanal des Fünfpfünders geschüttet hatte.
Neben ihnen kauerten die anderen Männer des Prisenkommandos im heißen Sand des schmalen Strandes. Der Graben, den sie ausgehoben hatten, gewährte ihnen nur wenig Schutz vor den Kugeln der Spanier, doch Hasard war froh, daß er die Männer hatte überzeugen können, diesen Graben auszuheben. Sonst wären sicher nur noch die Hälfte von ihnen am Leben gewesen.
Der Bootsmann Ben Brighton und der junge Donegal Daniel O’Flynn feuerten gerade ihre Musketen ab, aber die Spanier hatten sich eine gute Deckung ausgesucht, in den zerklüfteten Felsen waren sie kaum zu sehen.
Hasard hatte eine gute Möglichkeit gefunden, die Soldaten aus ihren Dekkungen zu scheuchen. Er schoß einfach auf die Felswand. Die herunterstürzenden Brocken prasselten dann auf die Soldaten herunter, und wenn sie nicht von ihnen erschlagen werden wollten, blieb ihnen nichts anderes übrig, als das Weite zu suchen.
Auf diese Art hatten Ben Brighton und die anderen Männer bereits sieben spanische Soldaten ausschalten können.
Ein Blick hinüber zu den Häusern von Punta Lagens zeigte Hasard, daß die Männer, die dort wohnten, noch nicht in den Kampf eingreifen wollten. Wahrscheinlich nahmen sie an, daß die Soldaten die paar Engländer allein überwältigen würden – oder aber sie hatten einen großen Respekt vor den Fünfpfündern, die den Engländern in die Hände gefallen waren.
„Fertig“, sagte Ferris Tucker. Der Schiffszimmermann hatte die Kanone auf einen Vorsprung in der Felswand gerichtet, unter dem er ein paar spanische Soldaten vermutete.
Hasard nickte. Er wartete noch. Er wollte erst feuern, wenn sich die Soldaten bemerkbar machten. Bisher hatte sich der Kampf, der jetzt schon über drei Stunden andauerte, nur auf größere Entfernung abgespielt. Hasard hatte anfangs vermutet, die Soldaten würden ihren kleinen Verteidigungsring stürmen, aber das war den Spaniern wohl zu gefährlich gewesen. Jetzt hatten sie bereits ein paar Tote zu beklagen, und das Verhältnis hatte sich zugunsten der Engländer verändert.
Er fluchte leise vor sich hin. Er hatte gehofft, daß Ferris Tucker nur wenig Mühe mit dem neuen Fockmast hatte, aber zu ihrem Pech waren die Soldaten, die die Karacke an Land gesetzt hatte, schon bald aus dem Landesinneren zurückgekehrt. Sie hatten die Engländer sofort angegriffen, so daß die Arbeit am Mast nicht hatte fortgesetzt werden können.
Dreißig Soldaten waren ein gefährlicher Gegner für die Crew, mit der Philip Hasard Killigrew die „Santa Barbara“ hierher nach Flores gesteuert hatte. Aber sie hatten unmöglich die Insel verlassen können. Sie brauchten den Fockmast, wenn sie die beiden Schiffe nach England bringen wollten.
Zum Glück waren ihnen die Kanonen in die Hände gefallen. Es war nicht auszudenken, wie es jetzt um sie stünde, wenn die Spanier sie vom Plateau über dem Strand aus auf sie hätten abfeuern können.
Er sah, wie sich ein paar Spanier aufrichteten, um ihre Musketen abzufeuern.
„Ben, Achtung!“ rief er. Seine Hand mit dem brennenden Holzspan zuckte nach vorn. Die kleine Flamme schlug ins Zündloch, setzte das Pulver mit einem Zischen in Brand, und dann explodierte die Pulverladung und jagte die Eisenkugel aus dem Lauf.
Krachend schlug sie in die Felsen. Lavabrocken brachen aus der zerklüfteten Wand und polterten herunter. Hasard hörte die Schreie der Spanier. Gestalten in schimmernden Rüstungen sprangen hinter ihren Deckungen hervor und liefen davon.
Ben Brighton und Dan O’Flynn feuerten.
Hasard sah, wie einer der Spanier zu Boden ging und hinter einem Felsvorsprung verschwand. Er wußte nicht, ob der Mann tot oder verletzt war. Jedenfalls hatte er keinen Schrei ausgestoßen.
Dafür schrie jetzt jemand in Hasards Rücken. Er wandte sich um, und als er sah, wie sich Batuti, der große Neger aus Gambia, aufrichten wollte, brüllte er: „Hinlegen!“
Batuti ließ sich fallen. Sein Gesicht klatschte