Seewölfe Paket 27. Roy Palmer

Seewölfe Paket 27 - Roy Palmer


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ersten Sturm soff der Kahn fast ab“, sagte de Canares, vor dessen geistigem Auge die Geschehnisse noch einmal abliefen. „Wir haben Glück gehabt, daß wir überhaupt lebend hier in China angekommen sind.“

      „Besser wär’s gewesen, wenn wir abgesoffen wären“, meinte Toninho. „Oder an der Ruhr krepiert wie die fünf armen Schweine, die wir in die See geworfen haben.“

      „Einer hatte Skorbut“, sagte Barilla. „Und Skorbut kriegt man, wenn die Bordverpflegung nicht reichhaltig genug ist. Alles die Schuld von de Norimbergo, diesem Hundesohn!“

      „Der Teufel soll ihn holen“, zischte Rodrigo. „Dem Drecksack wünsche ich die Pest an den Hals!“

      „Wer konnte auch ahnen, daß er die verrottete ‚Sao Paolo‘ in Macao hinter unserem Rücken verhökert, von dem Geld ein kleineres Schiff kauft und mit nur drei Mann wieder abhaut, ohne uns die Heuer zu zahlen“, sagte de Canares. „Ich hätte es ihm nicht zugetraut. Trotz allem schien er ein ordentlicher Kapitän zu sein.“

      „Ein Blender!“ stieß Barilla aufgebracht hervor. „Das sind die Schlimmsten! Wenn ich ihn kriege, drehe ich ihm ganz langsam den Hals um!“

      „Da saßen wir nun in Macao“, murmelte Joan Marinho. „Ohne Geld, ohne Arbeit. Ohne Schiff. Keiner wollte uns haben. Wir haben es ja überall versucht. Kein Kapitän wollte uns in seine Musterrolle aufnehmen.“

      „Und die Gardisten“, sagte Costales. „Habt ihr die vergessen? Die haben uns ja ständig belauert. Wenn man da zu lange herumlungert, sperren sie einen ein.“

      „Wenn wir doch bloß eine Heuer auf einer lausigen Gemüse-Dschunke gefunden hätten“, sagte de Canares. „Damit wäre uns ja schon geholfen gewesen. Wir wären nach Shanghai getörnt, und da hätten wir schon eine neue Arbeit gekriegt.“

      „Hoffentlich stimmt das überhaupt“, brummte Barilla. „Der Kerl, der uns das in Macao erzählt hat, war wahrscheinlich auch so ein Lügner. Ich glaube keinem mehr.“

      „In Shanghai erhält man leichter eine Heuer als in Macao“, sagte Rodrigo. „Das hat mir sogar in Lissabon mal ein alter Seemann verraten.“

      Toninho entgegnete: „Vergiß es. Was nutzt es noch? Wir erreichen Shanghai nicht mehr.“

      „Ausgerechnet diesen Zopfmännern mußten wir in die Hände fallen“, klagte Marinho.

      „Es war schon waghalsig von uns, zu Fuß nach Norden aufzubrechen“, sagte Toninho. „Was haben wir uns denn eingebildet? Na schön, aus Macao kamen wir einfach nicht weg. Aber zu Fuß nach Shanghai latschen? Lachhaft! Das hätten wir nie geschafft. Wir hätten den ersten Kahn, den wir in irgendeinem lausigen Fischernest entdeckt hätten, geklaut, das schwöre ich euch.“

      „Deswegen sind wir noch lange keine Galgenstricke“, erwiderte de Canares. „Wir hätten aus einer Notlage heraus gehandelt.“

      „Hätten, hätten“, sagte Barilla verächtlich. „Was nutzt das jetzt noch? Die Zopfmänner haben uns geschnappt. Wir sind ihnen regelrecht in die Arme gelaufen.“

      „Sie hatten uns eine Falle gestellt“, sagte Costales. „Sie müssen uns schon eine Weile im Dschungel belauert haben. Dann sind sie uns nachgeschlichen und haben uns niedergeschlagen und an Bord ihrer verdammten Dschunke geschleppt.“

      „Und da hocken wir nun mehr tot als lebendig“, sagte Rodrigo. „Alles Reden hat keinen Sinn. Die Hunde werden uns abmurksen.“

      „Wer sind sie?“ fragte Marinho mit bebender Stimme. „Gehören Sie zur chinesischen Marine? Gibt es hier so was überhaupt?“

      „Nicht in dem Sinne wie bei uns“, entgegnete de Canares. „Und die gelben Hurensöhne sind keine Soldaten des Kaisers, da bin ich sicher.“

      „Also doch Piraten, wie ich vermutet habe“, sagte Barilla.

      „Auch das nicht“, meinte de Canares.

      „Was dann, zum Henker? Dämonen? Blutsauger?“

      „Ich halte sie für Fanatiker“, erklärte de Canares. „Habt ihr nicht das Bildnis gesehen, das sie oben an die Wand der Hütte gemalt haben?“

      „Pfui Teufel“, sagte Toninho. „So was Scheußliches habe ich noch nie gesehen.“

      „Was soll das sein?“ fragte Costales. „Ein Ungeheuer.“

      „Ein Affe“, erwiderte de Canares. „Ich vermute, sie verehren ihn als eine Art Götzen.“

      „Heiden“, sagte Barilla. „Wahrscheinlich sogar Kannibalen. Die fressen uns auf, sage ich euch.“

      „O Gott, nein“, flüsterte Marinho. Er bekreuzigte sich.

      „Der Anführer heißt Fong Chen Huan“, fuhr de Canares fort. „Ich habe gehört, wie die Chinesen diesen Namen genannt haben. Mehr kann ich aber auch nicht verstehen. Sicher ist aber, daß dieser Fong ein blutrünstiger Fanatiker ist.“

      „Der uns allen die Gurgeln durchschneiden wird“, brummte Barilla. „Das ist das Ende vom Lied. Na schön, Vinicio, du bist der schlauste von uns. Nicht umsonst hast du’s zum Bootsmann gebracht. Aber was nutzt es uns noch, zu wissen, daß die Kerle irgendeiner verrückten Sekte angehören? Nichts.“

      „Sie sind Fremdenhasser“, sagte de Canares. „Ich glaube, sie verfolgen alle Weißen, die hier auftauchen. Vielleicht wollen sie ihr Land von Ausländern säubern.“

      „Wahnsinn“, murmelte Rodrigo. „Aber so, wie du es sagst, könnte es schon sein, Vinicio. Das bedeutet, wir sind nicht die ersten, die von diesen Verrückten verschleppt werden.“

      „Und wir werden auch nicht die letzten sein“, murmelte de Canares.

      Kurze Zeit darauf stellte sich heraus, daß Vinicio de Canares sich nicht täuschte. Das Gezeter der Chinesen an Oberdeck der dreimastigen Dschunke hatte dieses Mal nicht den Zweck, die Gefangenen zu peinigen.

      Fong Chen Huan und seine dreißig Kerle hatten ein Boot gesichtet, das in der See trieb. An Bord befanden sich zwei erbärmliche Gestalten – weiße Männer.

      Fong ließ Kurs auf das Boot nehmen.

      Fong Chen Huan rieb sich mit höhnischem Grinsen die Hände und entblößte seine weißen Zähne. Sein Blick war auf das Boot mit den Fremden gerichtet. Weiße Teufel, dachte er.

      Nur etwas mehr als fünf Fuß groß war Fong. Sein Äußeres wirkte eher schwächlich. Er war mager und schien nur aus Knochen zu bestehen. Selbst sein sichelförmiger Schnauzbart war dürr. Aber der erste Eindruck auf Menschen, die ihn nicht kannten, täuschte über sein wahres Wesen.

      Fong steckte voller Willenskraft, suggestiver Macht und Grausamkeit. Er war der Inbegriff des charismatischen Führers. Selbst der größte und wildeste Kerl wagte nicht ihm zu trotzen. Fong brach jeglichen inneren Widerstand bei anderen Menschen. Außerdem beherrschte er die Fähigkeit der Hypnose.

      Kein Zweifel, die Fremden in dem Boot waren Schiffbrüchige. Als sie sahen, daß die Dschunke auf sie zusteuerte, hoben sie die Hände und winkten. Ihre Bewegungen waren müde und schwach. Sie mußten schon längere Zeit in ihrer Jolle zugebracht haben.

      Fong warf einen langen Blick durch sein Spektiv und erkannte, daß das Boot weder über Riemen noch über ein Segel verfügte. Es trieb in der See. Weit war die Küste nicht mehr entfernt, aber man konnte sie nicht sehen. Die beiden weißen Männer ahnten also nicht, daß die Rettung viel näher war, als sie wahrscheinlich annahmen.

      Sie ahnten auch nicht, daß sie an Bord der Dschunke alles andere als Hilfe erwartete. Welcher Pirat zeigte schon Interesse an zwei erbarmungswürdigen Wesen, die kaum noch einen Fetzen auf dem Leib hatten?

      Fong ließ das Spektiv sinken und lachte leise. Er kannte das. Die Dschunke wirkte äußerlich so harmlos wie ein Frachtsegler. Das war eine vorzügliche Tarnung.

      Kurze Zeit später glitt die Dschunke mit aufgeholten Mattensegeln


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