Seewölfe Paket 30. Roy Palmer

Seewölfe Paket 30 - Roy Palmer


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      Olivaro stolperte in die Kammer, hielt sich am Pfosten des Schotts fest.

      „Ist sie das?“ brüllte er. „Deine Tochter, Engländer?“

      „Ja!“ erwiderte Ives.

      Olivaro deutete auf den Toten, der undeutlich zwischen den Trümmern zu erkennen war. „Das war dein Bruder?“

      „Ja!“

      „Onkel!“ schluchzte Farah.

      Sie bewies mehr Reaktionsfähigkeit, als Ives erwartet hatte. Trotz der prekären Lage atmete der Kapitän ein wenig auf.

      „Her mit der Schatulle!“ fuhr Olivaro den Kapitän an. „Ich will mit meinen eigenen Augen sehen, ob du mich angeschwindelt hast, Hund!“

      Ives verließ die Kammer und kroch im Mittelgang nach achtern. Der Wind schüttelte das Wrack, fast schien es, als würde es jeden Moment ganz auseinanderbrechen. Farah mußte Ives folgen. Olivaro dirigierte die beiden mit der Pistole vor sich her, die er vorher dem Kapitän abgenommen hatte.

      Das Schott der Kapitänskammer war offen. Burl Ives arbeitete sich ins Innere vor, bis zur Koje. Hier richtete er sich auf. Farah war mit keuchendem Atem neben ihm. Olivaro richtete sich zu seiner vollen Größe auf und zielte mit der Pistole auf das Mädchen.

      „Und jetzt raus mit dem Ding, oder sie ist als erste dran!“ fauchte er.

      Burl Ives fuhr mit den Händen über die Holzverkleidung an der Kopfseite der Koje. Er verharrte und bewegte eine Zierleiste. Ein Geheimfach öffnete sich – nur einen Spaltbreit. Ives zerrte es ganz auf, dann förderte er die schwarze Schatulle zutage, in der sich seine Ersparnisse befanden.

      Er reichte sie dem Piratenführer. Farah verfolgte es mit tränennassen Augen. Schlagartig begriff sie alles. Ives tat es für sie, um ihr zu helfen. Das werde ich ihm nie vergessen, dachte sie.

      Olivaro riß die Schatulle an sich.

      „Rührt euch nicht vom Fleck!“ befahl er. Er hielt Ives und das Mädchen weiterhin mit der Pistole in Schach. Mit der freien Hand öffnete er den Kasten.

      Bisher hatte sich alles, was Ives gesagt hatte, als richtig erwiesen. Und es stimmte auch, daß Olivaro allein das Geheimversteck mit der Schatulle niemals gefunden hätte. Er hätte sich totsuchen können. Nun war die Frage, ob wirklich Geld darin war.

      Der Deckel der Schatulle schwang auf. Münzen klirrten zu Boden. Die Schatulle war bis obenhin mit dicken, schweren Münzen gefüllt. Gold, dachte Olivaro, kein Zweifel. Dafür hatte er auch bei völliger Finsternis den richtigen Blick und Griff.

      „Heb die Münzen auf!“ fuhr er das Mädchen an.

      Farah Acton bückte sich und sammelte die Münzen ein, so schnell sie konnte. Sie erhob sich wieder und reichte sie dem Piraten. Grinsend nahm Olivaro das verlorene Geld in Empfang. Er legte es in die Schatulle und knallte den Deckel zu.

      „Piaster und Dukaten“, sagte er.

      „Ich habe dir also nicht zuviel versprochen“, sagte Ives.

      „Stimmt. Woher hast du das Geld?“

      „Ich habe es mir verdient und auf die hohe Kante gelegt.“

      „Du bist der Eigner dieses Schiffes?“ wollte Olivaro wissen.

      „Ja.“

      Olivaro stieß einen Pfiff aus. „Das heißt, du hast in England noch mehr Geld, nicht wahr?“

      Burl Ives zögerte absichtlich mit der Antwort. Er witterte eine Chance – für Farah und für sich.

      Olivaro stieß einen ellenlangen Fluch aus und trat einen Schritt auf Farah zu. „Was ist, soll ich die kleine Hure ein bißchen kitzeln?“

      „Nein!“ stieß Farah hervor.

      „Ich habe noch mehr Geld“, erwiderte Ives endlich. „Daheim, in England.“

      „Viel?“

      „Einige tausend Piaster.“

      Olivaro lachte. Oh, was für einen fetten Fischzug hatte er doch gelandet! Und nur er wußte von diesem Geld! Draußen betranken sich seine Kumpane mit dem Bier und dem Whisky, und sie ahnten nichts von dem, was ihnen durch die Lappen ging.

      Olivaro schob sich die Schatulle unters Hemd.

      „Weißt du, was ich glaube?“ sägte er glucksend. „Ich werde euch zurück nach England begleiten. Gemeinsam ist die Reise nicht so langweilig, und ich werde euch beschützen. Unterwegs könnte soviel passieren! Ihr glaubt gar nicht, was für schlimme Halunken und Galgenstricke es gibt.“ Er lachte wiehernd.

      „Ich verstehe“, sagte Ives.

      „Was verstehst du, Engländer?“ erkundigte sich Olivaro drohend.

      „Du willst auch den Rest meines Geldes.“

      „Was denn sonst?“ Der Anführer kicherte. „Das ist mein gutes Recht. Schließlich habt ihr mir zu verdanken, daß ihr noch am Leben seid. Und wenn euch weiterhin kein Härchen gekrümmt wird, ist auch das mein Verdienst. Dafür möchte ich bezahlt werden. Ist das etwa unverschämt?“

      „Nein, das ist es nicht“, entgegnete Ives.

      Olivaro stieß einen knurrenden Laut aus. „Ich hab’s ja gleich gewußt, wir verstehen uns prächtig. Los jetzt, wir haben hier genug Zeit verloren. Ab ins Lager. Da kriegt ihr was zu futtern, meinetwegen könnt ihr auch was von eurem Bier saufen.“

      Kurz darauf traten die drei zu den Piraten ins Freie. Grölend hievten die Kerle die Fässer aus dem Laderaum und warfen sie in den Sand. Einige Fässer rollten auf dem Strand hin und her. Eins kullerte bis ins Wasser und drohte abzutreiben. Zwei Piraten rannten johlend hinterher und brachten es zurück an Land.

      „Wäre doch schade, wenn uns was von dem kostbaren Zeug verloren ginge!“ schrie Guzman, der auch schon reichlich angetrunken war. „Ho, was haben wir für einen feinen Fang eingebracht!“

      „Was Besseres hätten wir gar nicht erwischen können!“ johlte ein anderer Pirat.

      Ives und das Mädchen tauschten einen Blick. Aber sie hüteten sich, auch nur ein Wort dazu zu äußern. Daß Olivaro das Geld für sich allein wollte, war ihnen gleich aufgegangen. Er würde den Teufel tun und mit seinen Kerlen teilen.

      Allerdings – wenn die Piraten etwas davon erfuhren, daß Olivaro Geld unterschlug, war der Anführer geliefert. Wie die Haie würden sie über ihn herfallen.

      Vielleicht kann ich diese Karte zu einem späteren Zeitpunkt ausspielen, dachte Ives.

      Aber Olivaro wußte genau, was er riskierte. Lange durfte er nicht warten, sonst bestand die Gefahr, daß die beiden Gefangenen den Kumpanen gegenüber etwas ausplauderten. Er mußte die Engländer isoliert halten. Und sobald der Sturm nachgelassen hatte, würde er mit ihnen abhauen. Das war sein Plan.

      Die Horde nahm einen Teil der Fässer mit, der Rest sollte am Morgen abgeborgen werden. Ein grölender Haufen setzte sich in Bewegung und marschierte durch den Sturm zurück zum Schlupfwinkel. Am Strand blieb die „Samanta“ zurück, die für den Vater Farahs zur tödlichen Falle und zur Ruhestätte zugleich geworden war.

       4.

      Vier Gestalten schlichen aus dem Hauptquartier von Olivaro, ohne daß einer der Posten sie bemerkte – Domingo Calafuria und seine Familienangehörigen. Domingo hatte die Pistole des toten Piraten Juanito, Rodrigo wie zuvor sein Messer. Asuncion hatte sich mit dem Säbel des Kerls bewaffnet. Pamela hatte das Messer an sich genommen, das Juanito im Gurt getragen hatte.

      Die Finsternis und der Sturm waren in diesem Moment die Verbündeten der Familie. Noch vier Wachtposten lauerten im Dorf der Fischer, aber sie registrierten nicht, was sich hinter ihrem Rücken abspielte. Sie ahnten nicht, daß sich das Verderben unaufhaltsam


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