Seewölfe Paket 30. Roy Palmer
Stimme. Seine kleinen Schweinsaugen funkelten mordlüstern.
Doch damit konnte er den Profos nicht beeindrucken. „Pieksen willst du auch noch, was?“
Gleichzeitig glitt der Profos mit einer Behendigkeit, die dem bulligen Mann niemand zugetraut hätte, auf den Kerl zu. Er wich der Hand mit dem Messer, die ihm entgegenzuckte, geschickt aus, dann schlug er übergangslos zu.
Der Radaubruder empfing einen gewaltigen Fausthieb unters Kinn, ächzte wie ein vom Sturm gebeuteltes Schiff und krachte rücklings gegen eine der mächtigen Steinsäulen, die das Gewölbe abstützten. Während er wie ein schlaffer Mehlsack daran zu Boden rutschte, klirrte sein Messer auf die Steinfliesen.
Der Profos aber war noch nicht fertig mit ihm. Er packte den Kerl jetzt am Hemdkragen und Hosenboden und wuchtete ihn hoch.
„Und jetzt sorgen wir für Reinschiff“, versprach er. „Du darfst sogar im Wein baden, du Rübenschwein, und dann wollen wir mal sehen, ob du mich immer noch einen Geizhals nennst.“
Er marschierte mit dem zuckenden Bündel in den riesigen Pranken zum Tisch der Arwenacks zurück.
Diese hatten bereits in weiser Voraussicht ihre Becher und die Scherben des Weinkrugs von der Tischplatte genommen, so daß einem erfrischenden Bad des Schnorrers nichts mehr im Wege stand.
„Eine Wanne kann ich dir leider nicht bieten“, sagte der Profos, „dafür aber herben und spritzigen Vinho verde von der besten Sorte. Viel zu schade für einen stinkenden Molch wie dich.“
Der Schnorrer kreischte, quiekte und fluchte, aber das half ihm nichts. Carberry tauchte ihn in die große Rotweinlache und wischte mit ihm so lange den Tisch auf, bis kein Tropfen mehr zu sehen war.
Danach trug der Profos den Kerl zum Ausgang, enterte die Treppenstufen hinauf, die vom Gewölbe zur Gasse führten und ließ ihn mit kräftigem Schwung davonsegeln.
Den Kurs hatte er so abgesteckt, daß die Ladung direkt in einer schmutzig-grauen Wasserpfütze erfolgen mußte. Und das tat sie auch.
Der Bursche war bedient, und der Profos verspürte nach getaner Arbeit einen mächtigen Durst. Als er zu den Kameraden zurückkehrte, stellte der Wirt gerade einen neuen Weinkrug auf den Tisch und kehrte die Scherben in einen Abfalleimer.
„Vielen Dank, Señor“, sagte er. „Sie haben mir die Arbeit abgenommen. Ich habe den Kerl schon einige Male rausschmeißen müssen, weil er für Ärger gesorgt hat.“
„Gern geschehen“, sagte Carberry. „Ich bin für meine Hilfsbereitschaft bekannt. Im übrigen kann ich nur hoffen, daß sich mein Arbeitseinsatz in deiner gemütlichen Kneipe etwas auf die Weinpreise auswirkt. Wir möchten nämlich gern einige Fässer von dem Trank kaufen, den du uns schon die ganze Zeit über kredenzt hast.“
Der kugelrunde Wirt wurde hellhörig, wie immer, wenn ein Geschäft winkte.
„Oh, die Señores möchten eine größere Menge von diesem herrlichen Wein kaufen?“ fragte er.
„Ich sagte von dem Trank“, erwiderte Carberry. „Und ich hoffe, daß sich auch das auf den Preis auswirkt.“
Er deutete auf einen freien Platz, und der Wirt ließ sich dienstbeflissen dort nieder. Das Feilschen um Mengen und Preise begann und wurde von so mancher Weinprobe begleitet.
Als man sich endlich handelseinig geworden war und der Wirt noch zugesichert hatte, die bestellten fünf Fässer gleich am nächsten Morgen auf Karren zum Liegeplatz der Schebecke schaffen zu lassen, war es endlich an der Zeit, zur Prüfung des Rums überzugehen.
Schließlich war laut Carberry auch für ein solches Getränk vor dem Einkauf von größeren Mengen eine Qualitätskontrolle unerläßlich.
Die Arwenacks kontrollierten. Und sie taten es ausgiebig und mit Sachverstand.
Daß sie bereits seit Stunden beobachtet wurden, hatte bis jetzt keiner von ihnen bemerkt. Dazu war auch viel zuviel Betrieb in der Kneipe. Niemand konnte über einen längeren Zeitraum sämtliche Zecher im Auge behalten, selbst der Wirt wäre damit überfordert gewesen.
Der hochgewachsene, schlanke Mann mit dem glatten schwarzen Haar, der von einer nahegelegenen Nische aus das ganze Gewölbe überblicken konnte, trank seinen Wein aus und bezahlte seine Zeche. Danach verließ er unauffällig den Weinkeller.
Die Arwenacks traten zu diesem Zeitpunkt in die Endphase der Rumprüfung ein.
Der Profos schnalzte genießerisch mit der Zunge.
„Wenn du auch dafür einen Rabatt einräumst“, verkündete er dem Wirt, „bringe ich gern noch einigen Schnorrern das Segeln bei.“
Man wurde sich auch in bezug auf den Rum einig – ohne daß der Profos noch einmal die Fäuste gebrauchen mußte. Dann allerdings begannen sich die Seewölfe an eine gewisse Schebecke zu erinnern, die „vollbeladen mit Blondies“ an einem gewissen Steg lag.
„Es wird langsam Zeit, in die Kojen zu steigen“, mahnte Al Conroy und genehmigte sich einen letzten Schluck.
Old O’Flynn, dessen Blick etwas verklärt wirkte, pflichtete ihm mit eifrigem Nicken bei. Der Blick, den er draufhatte, war jedoch nicht nur auf den Rum und den Wein zurückzuführen – o nein, da steckte auch eine gewisse Vorfreude auf den ersten Schluck aus der Flasche mit dem Lebenselixier dahinter. Mit dieser heiligen Handlung nämlich gedachte er den ereignisreichen Tag würdevoll abzuschließen.
Nachdem der dicke Wirt mit einem zufriedenen Grinsen abkassiert hatte, brachen die Arwenacks auf. Die Stimmung war hervorragend. Sam Roskill, der sich mit einiger Mühe von der Holzbank hochgestemmt hatte, schickte sich sogar an, das alte Lied von der Meerjungfrau anzustimmen.
Der Profos boxte ihm unsanft gegen die Rippen. „Willst du wohl die Luke halten? Vergiß nicht, daß wir Dons sind, und die bringen höchstens einer glutäugigen Señorita ein Ständchen.“
Sam winkte ab.
„Kann ja selber kaum noch stehen“, murmelte er mit schwerer Zunge, und trällernd fügte er hinzu: „Er war jung und kühn, sie liebte ihn. Er liebte sie, schon sank sie hin …“
Als die Arwenacks die schmale Gasse betraten, war es dunkel. Nur der Mond schüttete sein spärliches Licht über die Stadt. Wo tagsüber buntes Gewimmel herrschte, war es jetzt still und menschenleer. Ein Hund, der mit eingezogenem Schwanz zwischen zwei Häusern verschwand, war das einzige Lebewesen, das den Männern begegnete.
„Alles ist wie ausgestorben“, murmelte Old Donegal. „Da ist um diese Zeit ja selbst auf dem Friedhof mehr los.“
„Klar“, bestätigte Al Conroy, „da tanzen die Geister einen lustigen Reigen, und ihre Musikanten klappern dazu mit den Knochen.“
Blacky, der neben Al marschierte, schüttelte den Kopf. „Hört schon auf mit eurem Gespensterkram“, sagte er. „Vielleicht begegnen wir noch einigen hübschen Ladys, die uns mit ihren glühenden Blicken heimleuchten.“
Carberry hatte die Kameraden noch nicht eingeholt. Da er noch einige Sätze mit dem Wirt wegen der Anlieferung der bestellten Getränke gewechselt hatte, folgte er ihnen im Abstand von etwa dreißig Yards.
Und dieser lächerliche Umstand sollte dem bärenstarken Profos zum Verhängnis werden.
Er marschierte an einem großen, gewölbten Torbogen vorbei. In diesem Augenblick tauchten einige dunkle Schatten aus der Finsternis auf, und bevor der Profos begriff, was mit ihm geschah, krachte ein heftiger Schlag gegen seinen Hinterkopf.
Unter seiner Schädeldecke schienen tausend Fässer Pulver gleichzeitig zu explodieren. Für eine Gegenwehr blieb weder Zeit noch Gelegenheit. Alles spielte sich ungeheuer schnell und nahezu völlig lautlos ab. Als Carberry von einigen Fäusten gepackt und in das Dunkel des Torbogens gezerrt wurde, weilte er bereits im Reich der Träume.
Er kriegte auch nicht mehr mit, daß man ihn an Händen und Füßen fesselte, auf einen zweirädrigen Karren lud und eine Persenning über ihm ausbreitete. Diese wurde wiederum mit