Seewölfe Paket 7. Roy Palmer

Seewölfe Paket 7 - Roy Palmer


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erhielt ein großes, neues Schiff, eine hervorragend ausgerüstete Galeone. Zum Kommandanten wurde er befördert, und auch Ignazio, der Mann aus Porto, stieg ein paar Sprossen auf der Leiter der Hierarchie auf.

      Do Velhos Auftrag lautete, den Seewolf weiterhin zu jagen, zu stellen und dem Oberkommando der Armada zu überführen – tot oder lebendig.

      Do Velho wußte, daß er diese Aufgabe mit Ehrgeiz und Eifer weiterverfolgen würde. Einmal hatte er dem Seewolf bereits eine tödliche Falle gestellt, die dem Mann und seiner Crew fast den Tod gebracht hatte. Vielleicht gelang es beim zweiten Male besser.

      Philip Hasard Killigrew wußte von dieser Entwicklung nichts, gleichwohl war ihm aber klar, daß er immer mehr Feinde im Nacken sitzen haben würde. Die Dinge spitzten sich zu, der Feind war bis zur Weißglut gereizt – wie auch im fernen Europa der Konflikt zwischen England und Spanien immer rascher seinem explosiven Höhepunkt entgegenstrebte.

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      1.

      Nach dreitägiger Irrfahrt erreichten sie nachts die Insel. Daß es eine Insel war, wußte keiner der beiden, sie waren so benommen, ausgehungert und halb verdurstet, daß sie kaum merkten, wie ihr kleines Boot auf den Sand stieß, wie eine Welle es hochhob und schließlich ganz auf den flachen Strand trieb.

      Sie taumelten auf festes Land zu, warfen sich in den feinkörnigen Sand und blieben liegen. Mehr als zehn Stunden schliefen sie ununterbrochen. Dann wurde Virgil Romero von der Sonne gekitzelt und fuhr mit einem leisen Schrei hoch.

      Seine Lippen waren aufgeplatzt, die Haut gedunsen und seine Vorderzähne so locker, daß er sie ohne Mühe mit den Fingern hätte herausziehen können.

      Sein Schrei weckte Antonio, den Steuermann, und dieser Schrei wirkte so ansteckend, daß Antonio ebenfalls aufsprang und in wilder Panik davonlaufen wollte.

      Virgil hielt ihn fest und starrte in das vertraute Gesicht, das jetzt so fremd wirkte.

      Ein vier Tage alter Bart aus schwärzlichen Stoppeln bedeckte das Gesicht des Steuermanns. Seine Wangen waren eingefallen, seine Augen lagen tief in den Höhlen, und Salzwasser und heiße Sonne hatten sein Gesicht verbrannt. Virgil sah die Haut in Fetzen von diesem Gesicht herunterhängen.

      „Wir sind – in Sicherheit“, sagte er mühsam lallend. Seine Stimme war ein heiseres Krächzen, sein Hals brannte bis hinunter in den Magen.

      „Ich habe entsetzlichen Durst“, klagte Antonio und sah sich wieder gehetzt um.

      Niemand war zu sehen. Anscheinend waren sie allein. Man hatte sie auch nicht mehr verfolgt, seit ihrer überstürzten Flucht.

      Es dauerte eine Weile, bis sie begriffen, daß es hier keine Kopfjäger mehr gab.

      Vor ihnen dehnte sich weißer Strand, knapp eine halbe Meile lang. Dann schien der Strand hart nach links zu laufen und verschwamm vor ihren Blikken.

      „Ich glaube, wir sind auf einer Insel“, sagte Virgil. „Und diese Insel scheint verdammt klein zu sein.“

      „Durst“, murmelte der Steuermann schwach. „Nur einen Tropfen Wasser, es zerfrißt mir die Eingeweide.“

      Seine tief in den Höhlen liegenden Augen glänzten fiebrig, seine pelzige Zunge schob sich zwischen den Lippen hervor und versuchte sie zu benetzen.

      An Bord der „Nuestra Madonna“ war er immer der harte Kerl gewesen, dachte Virgil. Da hatte er die anderen wissen lassen, wer der Steuermann war, und nicht gezögert, brutal hinzulangen, auch wenn kein besonderer Anlaß vorhanden gewesen war.

      Aber jetzt war er ein kraftloses Bündel, halbtot vor Angst und dem Wahnsinn nahe. Ein Feigling, dachte Virgil, einer der sich nicht mehr zurecht fand.

      Am liebsten hätte er es diesem Lumpenhund heimgezahlt, doch hier war nicht der richtige Ort und nicht die Zeit dafür. Sie waren aufeinander angewiesen und mußten zusammenhalten, wenn sie überleben wollten. Und, verdammt, sie wollten überleben, nachdem sie diesen Teufeln in Menschengestalt entkommen waren.

      „Zuerst das Boot auf den Sand“, sagte Virgil, „sonst treibt es ab, und wir sind erledigt.“

      „Zuerst Wasser“, protestierte der Steuermann schwach.

      „Zuerst das Boot!“ schrie Virgil.

      Der Steuermann fügte sich widerspruchslos.

      Es wurde eine höllische Plackerei, das leichte Boot höher auf den Sand zu ziehen, bis die Wellen es nicht mehr erreichten. Mit letzten Kräften schafften sie es. Virgil beschwerte den Anker, den er in den Sand grub, zusätzlich mit einem Stein.

      „Wasser“, jammerte der Steuermann. „Ich will nicht krepieren.“

      „Verdammt noch mal, ich auch nicht. Steh jetzt auf, dann suchen wir Wasser“, sagte Virgil und riß den apathisch dahockenden Steuermann an den Armen hoch.

      Mehr taumelnd als gehend, manchmal auf allen vieren kriechend, bewegten sie sich am Strand entlang.

      Über ihnen flirrte erbarmungslos die Sonne, der Sand heizte sich auf. Kleine Krebse flohen vor ihnen und verschwanden eilig in den Sandlöchern, wenn die Männer sich näherten.

      Sie erreichten die Stelle, wo der Strand aufhörte und nach links lief. Dicht hinter dem Strand standen ein paar Palmen, niedrige Büsche und kleine Blumen, deren blutrote Blüten einen entsetzlichen Duft verbreiteten.

      Virgil kniff die Augen zusammen. Ein leises Stöhnen entrang sich seiner Brust, aber er riß sich zusammen und kroch weiter.

      Nach einer weiteren halben Meile bot sich ihnen immer noch das gleiche Bild. Es gab ein paar Palmen, einige Sträucher und eine größere Bodenerhebung, die dicht bewachsen war.

      „Wir gehen im Kreis“, sagte der Steuermann, „da vorn liegt ein Boot.“

      „Ja, da vorn liegt ein Boot“, sagte Virgil schweratmend. „Und das ist das Boot, mit dem wir hier gelandet sind. Jetzt weißt du, wo wir sind, und ich weiß es auch. Der liebe Gott persönlich hat uns in den Arsch getreten.“

      Der Steuermann begriff immer noch nicht. Sein zitternder Finger deutete auf das Boot.

      „Sie holen uns, diese Teufel!“ schrie er. Wie besessen rannte er plötzlich los, doch schon nach wenigen Schritten fiel er kraftlos in den Sand und heulte.

      Virgil hockte sich neben ihn, seine Augen waren leer, glanzlos und starrten in die Ferne, wo sich bis zum Horizont nichts weiter als eine endlos glitzernde Wasserfläche erstreckte.

      „Eine Insel“, murmelte er, „eine kleine verdammte Insel, und es gibt nicht einen einzigen Tropfen Wasser.“

      Blicklos waren seine Augen auf das Boot gerichtet. Sie hatten die winzige Insel einmal in ganz kurzer Zeit umrundet und befanden sich jetzt wieder am Ausgangspunkt.

      Wasser? Davon hatten sie mehr als genug, es ließ sich nur nicht trinken. An die Kokosnüsse, die in den Palmwedeln hingen, reichten sie nicht heran. Die befanden sich in unerreichbarer Ferne.

      „Ich will was zu trinken“, jammerte der Steuermann nach einer Weile erneut und zerrte wütend an Virgils Arm.

      Der stieß ihn hart von sich und schrie ihn mit hochrotem Kopf an. „Es gibt hier kein Wasser, verdammt! Hier hat es nie welches gegeben, und es wird auch nie etwas geben. Wir werden hier verrecken, todos los santos.“

      Die Hitze wurde immer unerträglicher. Antonio lag im Sand und rührte sich nicht. Virgil schleppte sich kraftlos zu der Kokospalme hinüber und ließ sich in deren Schatten fallen.

      Der Durst höhlte ihn aus, fraß in ihm und trocknete das Blut in den Adern, bis er glaubte, er bestände nur noch aus Staub.

      Spätestens morgen würden sie elend krepieren, wenn nicht ein Wunder geschah. In dieser Gluthitze


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