Seewölfe Paket 7. Roy Palmer
und ziemlich verlorener Posten auf einer Rieseninsel, die gerade erst richtig erschlossen wurde, und viele Dinge, die beispielsweise in Manila als Botschaften verfaßt wurden, drangen nur unvollkommen bis dorthin.
So kam der Batelero trotz allen Nachsinnens nicht darauf, daß man es bei, dem Fremden mit Spaniens Feind zur See Nummer eins zu tun haben könnte, mit einem gewissen Philip Hasard Killigrew.
Hasard war wieder aus dem Großmars abgeentert. Er hatte genug gesehen und gab jetzt die letzten Kommandos an Carberry, Ben Brighton, Ferris Tucker, Shane und Dan, die alle erforderlichen Vorbereitungen für die bevorstehende Zusammenkunft betrafen.
Heimlich und in aller Stille wurde zum Gefecht gerüstet. Als die „Isabella“ langsamer werdend auf das Flaggschiff zusteuerte, war jedes Geschütz an Oberdeck fix und fertig geladen. In den Kupferbecken glühte das Holzkohlenfeuer, jeder Mann stand auf seinem Posten.
Die Galeone, die soeben die Inselbucht verlassen hatte, schien das Flaggschiff des Dreierverbandes zu sein. Hasard blickte mit dem Spektiv zu dem imposanten Zweidecker hinüber und zählte die Stückpforten. Es waren zwölf. Vierundzwanzig Kanonen führte der Segler also, und sicherlich handelte es sich um 17-Pfünder-Culverinen, keine leichten Kaliber. Den Namen des dickbauchigen Schiffes vermochte der Seewolf nun auch zu lesen: „Santissima Madre“.
Er blickte nach rechts in die Bucht und taxierte auch die beiden anderen, etwas kleineren Galeonen. Je sechzehn Geschütze trugen sie auf ihren Decks, hinzu gesellten sich jeweils zwei Demi-Culverinen beziehungsweise Minions in Bug und Heck.
Bei seiner raschen Kopfrechnung kam der Seewolf auf insgesamt 64 Geschütze – gegen die sechzehn Culverinen und vier Drehbassen der „Isabella“.
Ein gewaltiges Mißverhältnis, aber Hasard hielt an seinem Vorhaben fest.
Als er festgestellt hatte, daß ein Eingeborenendorf in hellen Flammen stand und Bill die Schiffe der Spanier gesichtet hatte, hatte der Seewolf einen geradezu unnachgiebigen Drang verspürt, den Dingen auf den Grund zu gehen.
Was war das? Ein Vergeltungsakt? Eine Strafexpedition? Was war mit den Menschen des Dorfes geschehen?
Eiskalt hatte es Hasard überrieselt. Er konnte nicht ignorieren, was auf dieser Insel geschah, dazu hatte er sich bereits zu sehr engagiert. Einfach weiterzusegeln, das lag nicht in seiner Art.
Sein Verlangen nach Gerechtigkeit war stärker als jede andere Erwägung. Er hatte die Bambusgestelle, die Reusen und Körbe im Wasser gesehen, die offensichtlich in panischer Flucht im Stich gelassen worden waren. Die Eingeborenen hatten sich auf den nächtlichen Fischfang vorbereitet, waren dabei jedoch von den Spaniern gestört worden.
Nichts hatte Hasard daran hindern können, nun auf Teufel komm raus und mit aller Dreistigkeit in die Bucht zu segeln. Es gehörte Kaltblütigkeit dazu, sich als Spanier auszuweisen – früher war das einfacher gewesen, aber inzwischen war die Kunde vom Seewolf, der auf allen Weltmeeren Beute riß, bis in die entferntesten Winkel gedrungen, und auch die „Isabella“ wurde immer bekannter.
Hasard setzte also sehr hoch. Jeden Augenblick konnten ihn die Feinde entlarven und das Feuer eröffnen. Hasard zweifelte nicht daran, daß alle drei Galeonen gefechtsklar waren.
Die „Santissima Madre“ hatte ihr Großsegel wieder aufgegeit. Sie drehte bei, um die „Isabella“ zu empfangen.
„Verdammt noch mal“, sagte Ben Brighton neben Hasard. „Ich frage mich, was für einen Willkommensspruch die für uns bereithalten. Vielleicht ist das Ganze sogar eine Falle.“
3.
Ein gebranntes Kind scheut das Feuer. Aber Hasard war in dieser Beziehung unverbesserlich – und das mußte er auch sein, denn sonst hätte er sein Dasein als Korsar der englischen Königin aufgeben müssen. Was bedeutete es schon, daß ein vorwitziger Portugiese ihnen auf einer Insel nördlich von Formosa eine Falle gestellt hatte, aus der sie fast nicht mehr entkommen wären? Der Einfallsreichtum des Gegners wuchs, aber kein Seewolf entzog sich der Gefahr, die er ansatzweise vor sich wittern mochte.
Die „Isabella“ lief auf Rufweite an die „Santissima Madre“ heran. Hasard ließ in den Wind drehen, dann trat er an das Backbordschanzkleid des Achterdecks und gab sich zu erkennen.
„Capitán Vicente Buendia mit der ‚Alaria‘!“ rief er zum Achterdeck des Flaggschiffs hinüber. „Was ist hier los? Brauchen Sie unsere Hilfe?“
„Hier spricht der Comandante Arturo Diaz Escribano“, tönte es in genauso geschliffenem Spanisch zurück. „Ich bin der Befehlshaber dieses Kriegsverbandes und empfehle Ihnen dringend, sich wieder zurückzuziehen, Senor.“
„Warum?“ Hasard kletterte auf das Schanzkleid und hielt sich an den Besanwanten fest. „Sprechen hier gleich die Kanonen? Fliegen die Fetzen? Ist das wirklich möglich?“
„Sie sind entschieden zu naseweis, Senor!“
Hasard konnte sich ein grimmiges Lachen gerade noch verkneifen, als der Kommandant das sagte. Aus schmalen Augen spähte er zu dem schweren Kriegssegler hinüber und erkannte den betreßten Anführer auf dem Achterdeck. Schwarzbärtig und in stolz erhabener Pose, so präsentierte sich der Kommandant.
„Verzeihen Sie mir meine Neugierde!“ rief der Seewolf. „Aber es ist schon einige Zeit her, daß wir mit Landsleuten zusammentrafen.“
„Woher kommen Sie?“
„Aus der Indischen See.“ Hasard wußte, daß er sich jetzt aufs Glatteis begab. Jeden Augenblick konnte er ausrutschen, weil der Kommandant über den Verkehr spanischer Schiffe in der Straße von Malakka wahrscheinlich gut unterrichtet war. Also mußte Hasard etwas tun, um das Gespräch von Bord zu Bord in andere Bahnen zu lenken. „Fast wären wir unterwegs überfallen worden, aber das steht auf einem anderen Blatt!“
„Was, von Piraten etwa?“
„Richtig. Wir konnten ihnen davonsegeln. Aber was wird hier gespielt, Comandante?“
„Wir sind hinter einem üblen Freibeuter von Malakka her, einem Kerl, der ‚Tiger von Malakka‘ genannt wird. Er soll sich mit seiner Meute auf dieser Insel oder in der Umgebung versteckt halten, nachdem er vor kurzem einen unserer Verbände vor Sumatra überfallen hat“, antwortete der spanische Kommandant.
„Hier, in diesem Dorf soll er sein?“
„Ja. Aber wir haben ihn vergeblich gesucht.“
„Er ist entwischt?“
„Die Eingeborenen wollten nicht preisgeben, ob der Hund wirklich hier gelandet sei“, entgegnete Arturo Diaz Escribano. „Deshalb wissen wir nicht, wo wir nach dem Tiger forschen sollen. Die Malaien, diese verfluchten Bastarde, stecken alle unter einer Decke und halten zusammen wie Pech und Schwefel.“
Hasard solidarisierte sich innerlich mit den Fischern des Dorfes. Was sollte sie denn dazu bewegen, sich ihrer Gesinnung nach auf die Seite der Spanier zu schlagen? Überall, wo die neuen Herren der Welt landeten, verstanden sie sich nur auf eines: zu morden, zu plündern und zu brandschatzen. Überdies trachteten sie fanatisch und unerschütterlich danach, alle „nackten Wilden“ zu bekehren.
„Haben Sie die Wilden getötet?“ erkundigte sich Hasard. Wieder spürte er dieses eiskalte, widerwärtige Rieseln auf dem Rücken.
„Nein, sie sind uns entwischt!“ schrie der Kommandant. „Wie die Aale sind sie meinen Leuten unter den Fingern weggeglitten, bevor diese sie richtig aushorchen konnten. Aber das werden die elenden Hunde bereuen. Das Dorf haben wir angesteckt – jetzt kämmen wir die ganze Insel ab und schaffen reinen Tisch!“
Escribano hatte sich immer mehr in Erregung gesteigert, das Ganze zehrte offensichtlich erheblich an seinen Nerven.
Hasards Züge hatten sich verhärtet. Aus Wut über den Mißerfolg wollten sich die Spanier an den unschuldigen Inselbewohnern rächen. Das sah ihnen ähnlich! Natürlich war Hasard bewußt, daß nicht alle Spanier Schurken waren, aber die Kategorie, die er