Seewölfe Paket 7. Roy Palmer
„Wir kriegen diese Bastarde, das schwöre ich euch – bei meiner Ehre.“ Er war ein echter Hidalgo, der Abkömmling einer verarmten Adelsfamilie andalusischen Geblüts, und in Sachen Stolz und Ehrgeiz schlug sein Herz besonders hoch. „So groß ist die Insel nicht“, erklärte er. „Wir stöbern sie auf, alle, und dann gnade ihnen Gott!“
Er wandte sich mit geballten Händen der Bucht zu.
Das Dorf lag schätzungsweise zwanzig Fuß über dem Meeresspiegel und war von den malaiischen Fischern klugerweise auf einer Anhöhe errichtet worden, damit die Flut den Hütten nichts anhaben konnte und man etwaige Angreifer schon von weitem sichten konnte.
An diesem Nachmittag hatte der Vorteil, von einem erhöhten Punkt auf die See zu blicken, den Eingeborenen allerdings nichts genutzt.
Der Teniente de Almenara sah sich vor die unerfreuliche Aufgabe gestellt, den Kommandanten des Verbandes über den Mißerfolg der ersten Verfolgung zu unterrichten. Hatte der Comandante Arturo Diaz Escribano schon bei der gelungenen Flucht der Dorfbewohner getobt, so würde er jetzt zweifellos mit de Almenaras Degradierung drohen und einen Heidentanz veranstalten.
De Almenara biß sich auf die Unterlippe. Er wußte, daß er beobachtet wurde. Der Kommandant und die Kapitäne der beiden anderen Schiffe rührten sich nicht von den Achterdecks ihrer dickbäuchigen Galeonen. Sie hielten ihre Fernrohre unablässig auf das Dorf gerichtet und hatten natürlich verfolgt, wie der Sargento mit seiner Gruppe zurückgekehrt war.
Jetzt verlangten sie näheren Aufschluß über den Verlauf der Aktion.
De Almenara handelte gewissermaßen unter dem Zwang der Situation. Wären die Dinge etwas anders verlaufen, hätte er dem Kommandanten keineswegs über jeden seiner Schritte Meldung erstatten müssen. So aber …
Abwartend schaukelten das Flaggschiff „Santissima Madre“, die „Santa Barbara“ und die „San Juan“ auf den kleinen Wellen der Bucht. Ihre hölzernen Leiber und Masten schienen eine Botschaft zu dem Teniente herüberzuschikken: Versager! Versager!
De Almenara haßte sie plötzlich, diese Schiffe.
Und er verfluchte den Auftrag, der ihn auf diese elende Insel geführt hatte.
„Isla de la mierda“, fluchte er, stampfte mit dem Fuß auf und drehte sich sodann zu einem seiner Untergebenen um. „Vorwärts, lauf zu den Booten, laß dich zur ‚Santissima Madre‘ übersetzen und teile dem Comandanté mit, daß wir die Eingeborenen aus den Augen verloren haben – daß wir aber den ganzen Urwald abbrennen und sie wie die Füchse ausräuchern werden, verstanden?“
„Si, Senor“, erwiderte der Soldat und rückte ab. Savero de Almenara suchte unterdessen mit dem Blick Siabu, den Batak.
Der hockte drüben, am Beginn der felsigen Landzunge, und ließ sich vom Feldscher der „Santa Barbara“ verarzten. Tiefe Schnitte hatte ihm Otonedju mit dem Parang beigebracht. Siabu hatte ziemlich viel Blut verloren, saß mit verzerrter Miene da und war bleich unter seiner braunen Hautfarbe geworden.
Der Teniente verspürte nicht das geringste Mitleid mit ihm. Seiner Meinung nach trug der Batak die Schuld daran, daß der Dorfälteste sich überhaupt hatte befreien können. Und erst Otonedju hatte ja den Widerstand der anderen Krieger entfacht.
De Almenara wollte Siabu aufscheuchen und zu sich beordern. Er suchte nach einer Möglichkeit, seine Wut an jemandem auszulassen, und der eingeborene Dolmetscher schien das richtige Objekt dafür zu sein.
Doch in diesem Augenblick sichtete de Almenara das fremde Schiff.
Siabu und der Feldscher konnten es nicht sehen, weil sie ihre Gesichter dem Teniente zugewandt hielten. Die Soldaten um de Almenara waren zu sehr mit dem Betrachten des knisternden Feuers beschäftigt, um der See ihre Aufmerksamkeit zu widmen – und in der Bucht wurde man des Schiffes schon gar nicht gewahr, weil die felsige Landzunge den Ausblick auf den heranrauschenden Segler versperrte.
So war der Teniente der einzige, der das Herangleiten der großen Galeone mit den überhohen Masten und den auffallend niedrigen Aufbauten bemerkte.
Savero de Almenara hätte den Melder, der in diesem Moment in eins der am Ufer liegenden Beiboote stieg, stoppen können, um die Nachricht über das Auftauchen des Schiffes an ihn weiterzugeben. Aber es gab einen direkteren Weg, die Verbandsführung über die Neuigkeit zu unterrichten.
Der Teniente hob einfach nur beide Hände und gab ein Zeichen zur „Santissima Madre“ hinüber.
Arturo Diaz Escribano registrierte die Gebärde. Überrascht zog er die Augenbrauen hoch. Eine Galeone im Süden, hatte der Teniente signalisiert. Wer? Der Kommandant erwartete keine Verstärkung, keinen Besuch. Er war an diesem Morgen mit klaren Anweisungen aus Bengkalis auf Sumatra ausgelaufen und hatte auch zwischenzeitlich keinen Hinweis darüber erhalten, daß irgendein spanisches Schiff mit seinem Verband zusammentreffen solle.
Sein Mißtrauen war geweckt.
„Das Großsegel setzen“, befahl er.
Der Zuchtmeister auf der Kuhl gab den Befehl an die Mannschaft weiter, und sofort stürzten alle auf ihre Stationen.
Die „Santissima Madre“ war nicht in der Bucht vor Anker gegangen, Escribano hatte mit dem Schiff beweglich bleiben wollen, um den Landtrupp gegebenenfalls durch das Feuer der Kanonen unterstützen zu können.
So drehte die Galeone jetzt ihren Bug nach Süden, legte sich platt vor den Wind und verließ langsam die Bucht. Auf diese Weise glitt die Landzunge an den Spaniern vorbei, und die Aussicht öffnete sich ihnen auch auf jenen Bereich, der hinter dem felsigen Auswuchs der Insel lag.
So entdeckten auch sie nun den großen Dreimaster, der hart am Wind liegend an den pfeilförmigen Bambusgestellen im Wasser vorbeizog, die die Malaien zum Fischfang benutzten. Das Schiff ließ die leichten Boote der Eingeborenen Steuerbord achteraus liegen, sie begannen im Kielwasser der Galeone zu tanzen.
Als das Schiff sich anschickte, die Landzunge zu runden, hatte der spanische Kommandant die Flagge von Kastilien und Léon in seinem Großtopp entdeckt.
Der Ausguck im Hauptmars der „Santissima Madre“ rief eine gleichlautende Meldung.
Escribano, ein mittelgroßer Mann mit pechschwarzem, dichtem Haupthaar und einem ebenso dunklen und prachtvollen Knebelbart, blickte zu seinem Bootsmann.
„Das scheint ein Handelsfahrer zu sein“, sagte er. „Entweder braucht er unsere Hilfe, oder er ist von weitem auf das Feuer aufmerksam geworden und nähert sich aus Neugierde. Ich glaube, wir können ihn unbesorgt heran lassen.“
„Mich überrascht die seltsame Bauweise des Schiffes“, erwiderte der Bootsmann.
„Neue Schiffstypen entstehen, und das Mutterland schickt uns Segler in die Kolonien herüber, über deren Aussehen wir nur staunen können“, meinte Escribano. „Ich schätze, wir haben es mit einer Galeone zu tun, die unterwegs nach Manila ist. Daß wir in Bengkalis nichts von ihr erfahren haben, liegt wahrscheinlich daran, daß sie erst heute morgen – nach unserem Auslaufen – dort vorbeigesegelt ist. Meines Erachtens könnte sie die Vorhut eines ganzen Verbandes darstellen, der noch vor Termin die Malakkastraße erreicht hat.“
Der Bootsmann zuckte mit den Schultern. „Wie Sie meinen, Comandante. Ich finde nur, das Ganze ist etwas zu vage ausgedrückt – mit Verlaub gesagt.“
Escribano verzog den Mund. „Das verbitte ich mir. Ich weiß, Sie denken an Piraten, aber weder die malaiischen Freibeuter noch die Seeräuber anderer Nationalitäten verfügen in diesen Gewässern über so große und so hervorragend in Schuß gehaltene Schiffe. Das kann nur ein echter Spanier sein.“
Soviel Überzeugung hatte der Bootsmann nichts entgegenzusetzen.
Er schaute nur unausgesetzt zu dem fremden Schiff hinüber, während der Kommandant aus den Toppen der „Santissima Madre“ signalisieren ließ, der große Dreimaster solle mit verringerter Fahrt in die Bucht einlaufen und sich auf Rufnähe dem Flaggschiff nähern.
Der Bootsmann grübelte nach, wo er schon