Seewölfe Paket 7. Roy Palmer
sei. Spanien könne mit seinen Schiffen keine Verschwendung treiben, hat mir der hochverehrte Generalkapitän geantwortet, der dort den Ton angibt und für die Verladung der Ausbeute aus den Minen sorgt. Was hätten Sie dem entgegengehalten, Timonero?“
Der Steuermann schwieg, er hatte weder Lust, sich die Rechtfertigungen des Kommandanten anzuhören, noch dasVerlangen, sich auf größere Diskussionen einzulassen. Lozano war ein hitziger, streitsüchtiger Mensch, der seine Position rücksichtslos ausnutzte.
„So müssen wir uns also mit zwei lächerlichen Karavellen zufriedengeben!“ rief der Kommandant anklagend aus. „Falls wir dem gefürchteten Tiger von Malakka und seiner Horde begegnen, haben wir wenig Chancen, die Nacht zu überleben. Dieser hartgesottene, mit allen Wassern gewaschene Pirat und Schlagetot soll ein ganzes Dutzend Schiffe zur Verfügung haben, mit denen er immer wieder unsere Konvois angreift und spanische Siedlungen überfällt.“
Der Timonero konnte sich jetzt doch nicht verkneifen, zu entgegnen: „Das ist mir bekannt. Der Kerl stammt von der Landenge von Kra. Einmal, unter anderem Kommando auf einem anderen Schiff, habe ich das zweifelhafte Vergnügen gehabt, an einer Jagd auf seine Prahos teilzunehmen. Fast hätte er den Spieß umgedreht und uns arg in die Klemme gebracht. Dann aber verschwanden seine Schiffe irgendwo zwischen den Inseln. Die Ortskenntnis und die seemännischen Fähigkeiten dieses Tigers sind phänomenal, das versichere ich Ihnen, Comandante.“
„Schon gut, schon gut“, wehrte Lozano ab. „Ich habe jetzt anderes im Sinn, als die Taten dieses Halunken aneinanderzureihen. Fest steht jedenfalls, daß wir ein ungeheures Risiko eingehen, wenn wir Station einlegen, etwa eine geschützte Bucht suchen und dort bis zum Morgengrauen vor Anker gehen. Es braucht uns nur ein Späher der malaiischen Bastarde zu bemerken, dann sind wir geliefert und sitzen in der Falle.“
„Der Schatz muß nach Bengkalis“, erwiderte der Steuermann, der sich von dem im Bauch der „Santa Trinidad“ verstreuten Reichtum viel lieber selbst einen kleinen Anteil eingesteckt hätte.
„Recht so, Timonero“, sagte Lozano. „Sie begreifen jetzt also doch, wie richtig meine Entscheidung ist.“
Der Steuermann äußerte sich nicht zu dieser Bemerkung, er wußte, daß man sich mehr schlecht als recht durch die Bucht tasten würde. Aber wenn der Kommandant es so brandeilig hatte — bitte.
Wertvoll und daher hochbrisant war die Fracht der „Santa Trinidad“ allemal, das mußte jeder Mann an, Bord der drei Schiffe eingestehen. Erst vor kurzem war es den Spaniern gelungen, auf dem Isthmus von Kra die Minen zu entdecken, die von den Eingeborenen als Geheimnis gehütet wurden. Jetzt waren die Malaien zu Sklaven der neuen Herrscher herabgewürdigt worden und mußten unter menschenunwürdigen Bedingungen in den Minen arbeiten, um Steinchen um Steinchen aus dem rauhen Erdreich zu lösen.
Diamanten!
Hunderte – nein, Tausende davon lagen in den Truhen und Kisten, die die „Santa Trinidad“ beförderte. Wie groß der Wert dieser einzigen Schiffsladung hochkarätiger Edelsteine war, vermochte vorerst keiner zu ermessen. Erst viel, viel später würden die Beamten der Casa de Contratación das Meer glitzernder „Tränen der Götter“ durchwühlen, Listen anfertigen und Schätzungen anstellen.
Bis dahin war noch ein weiter Weg. Von Bengkalis aus mußten die Diamanten innerhalb der nächsten Tage unter strenger Aufsicht weiterverschifft werden, nach Manila, wo alle asiatischen Kostbarkeiten bis zur nächsten Reise der legendären „Nao de China“ gehäuft wurden. Mit der Manila-Galeone würde der Schatz nach Acapulco hinübertransportiert werden, dann auf dem Landweg nach Vera Cruz, von dort aus nach Havanna hinüber, wo die großen Geleitzüge, die Konvois dickbäuchiger Galeonen, zusammengestellt und nach Spanien auf Reise gesandt wurden.
Der Timonero befand im stillen, daß es bei allem Wert der Ladung doch besser gewesen wäre, die Bucht bei Tageslicht zu durchsegeln. In diesem Punkt ließ er sich nicht beirren. Aber selbstverständlich fügte er sich der Willkür von Francisco Lozano. Anderenfalls wäre er vielleicht noch als Meuterer bezeichnet worden.
Die Kapitäne Rafael de Cubas und Raoul Souto Alonso schienen keine Einwände gegen das Unternehmen zu haben, sonst hätten sie mit den Hecklaternen ihrer Schiffe herübersignalisiert.
So komme denn, was will, dachte der Steuermann gottergeben.
Leise, eigentümliche Musik, von den Europäern unbekannten Instrumenten erzeugt, wurde vom Wind gegen die Hänge Rempangs gedrückt, die Höhen hinaufgetragen und verlor sich irgendwo wieder im Regenwald, der alles schluckte. Mädchen aus Otonedjus Stamm und aus den Reihen der Seenomaden tanzten mit Seewölfen und malaiischen Freibeutern um die zuckenden Feuer, es wurde gescherzt, gegessen, getrunken, ohne daß einer der Beteiligten auch nur einen Augenblick über das Maß hinausging, das die Ausgelassenheit erreichen durfte.
Hasard hatte sich mit dem Tiger, Yaira, Otonedju und einigen anderen Malaien an einem der Feuer niedergelassen.
Am Rand der Lichtung erhob sich jetzt ein aus starken Baumästen und Rohr gezimmerter Käfig, in dem der Tiger Bulbas schlummerte. Ferris Tucker hatte bei der Herstellung des Gitterbaues tatkräfig mitgeholfen.
Hin und wieder blickten die Männer zu dem Käfig hinüber, aber noch gaben die dort postierten Wachen kein Zeichen, noch regte die große Raubkatze sich nicht und bestand kein Anlaß zur Besorgnis. Ließ die Wirkung des Betäubungsmittels nach, würde der Tiger sich erheben und im Nachlassen seiner Benommenheit gewiß den ersten Ausbruchsversuch unternehmen. Dann mußte sich zeigen, ob der Käfig seiner Wut standhielt.
Hasard schaute den Mann an, der seinen Beinamen von Bulbas’ Rassenbezeichnung ableitete. „Wie lautet dein wirklicher Name? Jetzt kannst du ihn mir verraten.“
„Sotoro. Und deiner?“
„Philip Hasard Killigrew.“
Sotoro lachte auf. „Dreimal so lang wie der meine. Bist du etwa adliger Abstammung?“
„Wenn man es genau nimmt, ja. Aber meine Feinde nennen mich gern einen Bastard, wobei sie sich auf gewisse Tatsachen berufen.“ Hasard setzte dem Tiger auseinander, warum das so war.
Sotoro nickte ernst und nahm nach dem Seewolf einen Becher mit Reiswein aus den Bordbeständen der Prahos entgegen, der von Yaira aus einem Krug eingeschenkt wurde.
Sotoro nahm einen Schluck zu sich, setzte den Becher dann wieder ab und entgegnete: „Ich bin als Sohn eines malaiischen Reisbauern und einer Inderin auf der Halbinsel Kra zur Welt gekommen. Aber ich will mich kurz fassen, was meine Kindheit betrifft.“ Sein Mund verzog sich zu einem Ausdruck der Bitterkeit und des tiefen Hasses. „Bei einem Überfall auf mein Dorf wurden meine Eltern von Spaniern getötet. Man verschleppte mich an Bord eines spanischen Seglers, wo ich als Aufklarer und Decksjunge die niedrigsten Arbeiten verrichten mußte. Ich wurde wegen meiner Herkunft und Hautfarbe verhöhnt, getreten und geschlagen. Aber ich lernte die spanische Sprache, ein paar Brocken Englisch und die Kunst, ein Segelschiff sicher übers Meer zu lenken. Später bin ich auf und davon, habe mich zu den Freibeutern von Malakka durchgeschlagen und wurde einer der ihren. Nach verschiedenen Machtkämpfen, Verrat und Intrigen bin ich der geworden, den die Spanier zu respektieren gelernt haben.“
„Der Tiger von Malakka“, murmelte Hasard. „Als Rebell hast du es dir nun zum Ziel gesetzt, Malakka, Sumatra und die übrigen Teile Inselindiens nach und nach von allen Fremdländern freizufegen.“
„Nur von den Besatzern“, stellte Sotoro richtig. „Für weiße Freunde wie dich und deine Männer ist in unserer künftigen Republik immer Platz.“
„Eine gerechtere Art, die Geschikke eines Volkes zu leiten“, sagte Hasard. „Das sind hochgesteckte Ziele, aber Rempang könnte ein echter Anfang sein. Nur darfst du den Gegner nicht unterschätzen.“
„Tue ich das?“
„Ich habe den Eindruck, die Spanier haben ein regelrechtes Kesseltreiben begonnen, dem du früher oder später zum Opfer fallen mußt“, erwiderte der Seewolf gedämpft. „Übersetze das weder Yaira noch jemand anderem, behalte es für dich. Der Überfall auf Otonedjus Insel, die Vertreibung der Seenomaden – es sind die