Seewölfe Paket 7. Roy Palmer

Seewölfe Paket 7 - Roy Palmer


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sein.

      Sein Ruf erklang in einer Sprache, die der junge Krieger niemals zuvor vernommen hatte, auch aus dem Mund der Spanier nicht.

      „Arwenack!“

      Dennoch glaubte der Eingeborene etwas zu begreifen, denn keine Verzweiflung, sondern eindeutiger Triumph schwang in dieser fremden Stimme.

      Der Krieger besiegte sein Mißtrauen, die Zuversicht, in der feindlichen Umgebung einen Bundesgenossen und Mitstreiter zu finden, war größer als jeder Argwohn. Selbst wenn dieser Mann dort ein verhaßter Weißer war, würde die allgegenwärtige Gefahr des Tigers sie eine Art Burgfrieden schließen lassen.

      „Ar-we-nack!“

      Wieder gellte der Schrei, und der Malaie beschleunigte seinen Schritt. Mit der scharfen Schneide des Parangs drosch er widerspenstiges Blatt- und Zweigwerk nieder und schuf sich immer wieder einen Durchlaß, eine Bresche, die ihn näher an den nächtlichen Rufer heranführte. Dann endlich teilte er den letzten Vorhang, der sie beide trennte, und blickte auf einen schmalen Wasserlauf.

      Mit verhaltenem Gurgeln bewegte sich das Wasser des Flüßchens dahin. Ein bleicher Mond schickte sein Licht in Streifen in die Selvas, gerade so viel, daß der Malaie Einzelheiten erkennen konnte.

      Ein großer Mann stand hochaufgerichtet am diesseitigen Ufer des Flüßchens. Sein schwarzer Haarschopf war wild zerzaust, seine Kleidung zerrissen und blutig, sein Körper schmutzig und von einer erschreckenden Wunde an der rechten Schulter gezeichnet. Sein Zustand hinderte ihn aber nicht daran, immer wieder zu lachen und dieses Wort auszustoßen, das ein Schlacht- und Siegesruf zu sein schien:

      „Arwenack, ho, Arwenack! Kommt, Freunde, auf was wartet ihr noch? Ich habe den Bruder in der Falle, er kann uns nicht mehr gefährlich werden!“

      Der Malaie gewahrte, was zu den Füßen dieses schwarzhaarigen Teufels in Menschengestalt lag – und erstarrte.

      Er bemerkte nicht, wie Philip Hasard Killigrews Blick ihn traf und abtastete.

      Der junge Krieger war viel zu gebannt, er befand sich in einem beinah tranceartigen Zustand der Benommenheit. Dort – kaum zu glauben – lag Bulbas, der Mörder, der Menschenfresser, und es steckten nicht nur zwei Pfeile in seinem Fell, seine Hinterläufe wurden auch durch ein dickes Tau zusammengehalten. Die Tauschlinge saß stramm, das helle, gut sichtbare Band führte zu einem tiefhängenden Ast jenes Baumes hinauf, dessen Stamm vom anderen Ufer emporstrebte, und war dort verknotet.

      Wäre Bulbas nicht betäubt gewesen – er wäre dennoch besiegt gewesen, denn die Fessel erlaubte ihm kein Fortkommen mehr. Er hätte nur noch höchst schimpflich auf den Vorderläufen herumhüpfen können, wäre dabei jedoch erheblich durch das Tau behindert und wahrscheinlich in das Wasser gezerrt worden, das er so sehr haßte und mied.

      Die verkrampfte Haltung des Malaien lockerte sich ein wenig. Sein Blick wanderte höher und blieb auf dem freundlichen Gesicht des Seewolfs ruhen. Allmählich nahm ein Lächeln auf den Zügen des Kriegers Gestalt an.

      Hasard bedeutete ihm durch Zeichen, er solle nähertreten.

      „Die Gefahr ist gebannt“, sagte er dabei, obwohl er keine Hoffnung hatte, daß der Inselmalaie ihn verstand. „Bulbas wird keine Menschen mehr reißen. Ein anderer Tiger nimmt nun die Insel Rempang in seinen Besitz – ein zweibeiniger.“

      Hasard grinste, weil er sich in etwa vorstellen konnte, welche Bedeutung Rempang von nun an für den „Tiger von Malakka“ hatte.

      Arwenack – der Kampfruf der Seewölfe war bis zu dem wartenden Schiffsverband hin zu vernehmen gewesen. Ben Brighton hatte beim erstenmal noch eine besorgte Miene geschnitten, weil er angenommen hatte, daß Hasard sich mit dem Schrei in den Zweikampf mit Bulbas gestürzt hatte. Dann aber war der Ruf zum zweiten, dritten Male herübergedrungen, und alle Männer der „Isabella VIII.“ hatten ihn eindeutig als Triumph auszulegen gewußt.

      Sie jubelten, fierten auf Bens Befehl hin die Boote ab und enterten auf den hölzernen Sprossen der Jakobsleitern ab.

      „Nichts wie hin!“ brüllte Carberry. „Los, ich kenne die Richtung, wir müssen in die versteckte Mündung des kleinen Flusses eindringen, und von dort aus haben wir’s nicht mehr weit bis zu Hasard. Hey, ich hab’s ja gewußt, daß er es schafft, diesem gestreiften Kater das Fell über die Ohren zu ziehen!“

      Ferris Tucker ließ sich neben ihm auf einer Bootsducht nieder. „Ed, hör auf“, entgegnete er. „Du warst genauso skeptisch wie wir alle. Du wolltest nicht, daß Hasard allein zum Verband des ‚Tigers von Malakka‘ fuhr, du warst auch dagegen, daß er diese Mutprobe auf sich nahm. Habe ich recht?“

      „Meinetwegen. Aber das können wir jetzt vergessen.“ Der Profos wartete, bis die Bootsbesatzung komplett war, dann drückte er seine Fäuste gegen die Bordwand der Galeone und sorgte dafür, daß die Distanz groß genug wurde, um die Steuerbordriemen bedienen zu können. „Ferris“, brummte er. „Hast du ein paar Höllenflaschen mitgenommen?“

      „Nein, diesmal nicht.“

      „Verdammter Klamphauer, man weiß nie, wozu die Dinger gut sind …“

      „Hasard hat es uns untersagt, irgendwelche Waffen mitzuführen, falls wir übersetzen.“

      „Das muß ein weiterer Beweis für den ‚Tiger‘ sein, daß unsere Absichten friedlich sind“, mischte sich jetzt der junge O’Flynn ein.

      Carberry antwortete mit einer wegwerfenden Geste. „Zum Teufel mit der ganzen Fairneß. Ich weiß nicht, was wir dem Himmelhund noch alles beweisen sollen. Meiner Meinung nach haben wir bereits viel zuviel getan, und er wird uns bei nächster Gelegenheit zum Dank eine volle Breitseite auf die Jacke husten. Dann sieht wohl auch der Seewolf ein, daß die Verbrüderungs- und Verbündungsversuche keinen Zweck haben.“

      Ben Brighton hatte sich im Nachbarboot aufgerichtet, weil auf dem Achterdeck des größten, dreimastigen Prahos, den sie gerade passieren wollten, die Gestalt des „Tigers“ hinter dem Schanzkleid hochgewachsen war.

      „Ihr landet auf der Insel?“ rief der schwarzbärtige Mann in seinem hervorragenden, reinen Kastilisch. „Das war nicht verabredet.“

      „Hast du die Rufe unseres Kapitäns nicht gehört?“ rief Ben zurück.

      „Doch. Arwenack.“

      „Willst du mir erzählen, du wüßtest nicht, was das bedeutet?“

      „Ich habe das Wort Arwenack heute nacht zum erstenmal in meinem Leben vernommen“, verkündete der Malaie halsstarrig.

      Und Ben antwortete um eine Spur energischer: „Arwenack ist die alte Stammfeste der Killigrews über dem Hafen von Falmouth. Von daher leitet sich unser Schlacht- und Siegesruf ab. Arwenack!“

      „Arwenack!“ brüllten die Männer in den Booten. Sie verspürten den unbändigen Drang, sich auf irgendeine Weise Luft zu verschaffen, und es juckte ihnen in den Fäusten.

      „Zufrieden?“ rief Ben zu dem Achterdeck des Prahos hinauf.

      „Ich halte es für falsch, zur Insel überzusetzen, ehe der Seewolf einen Schuß abgegeben hat.“

      „Ein Schuß war nicht vereinbart, Tiger!“

      „Das sagst du …“

      „Mir langt es jetzt“, erwiderte Ben Brighton gereizt. Er war ein sonst ruhiger und umsichtiger Mann, aber wenn er richtig wütend wurde, hatte das meist höchst unerfreuliche Folgen. „Hasard hat den Radschloß-Drehling dabei, das stimmt!“ rief er. „Aber erstens weiß ich, daß er den Gebrauch der Feuerwaffe um jeden Preis vermeiden wollte, und zweitens wird er zum Zeichen seines Sieges nicht in die Luft schießen, um die angstschlotternden Leute im Inselinneren nicht noch mehr zu erschrecken. Klar, Tiger?“

      „Immer noch nicht ganz.“

      „Gut“, sagte Ben Brighton. „Aber uns hinderst du nicht daran, jetzt die Insel aufzusuchen. Wir haben keine Waffen dabei – wie vereinbart. Du wirst ja wohl nicht mit der Heldentat protzen wollen,


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