Seewölfe - Piraten der Weltmeere 14. Garnett William

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 14 - Garnett William


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      Impressum

      © 1976/2013 Pabel-Moewig Verlag GmbH,

      Pabel ebook, Rastatt.

      ISBN: 978-3-95439-152-3

      Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]

      1.

      Philip Hasard Killigrew starrte über das Schanzkleid der „San Mateo“ hinweg zur spanischen Küste, die nur noch als vager, unregelmäßiger Zacken am östlichen Horizont zu erkennen war.

      Dann wandte er sich um und trat neben Ben Brighton und Ferris Tucker, die an der Balustrade des Achterdecks standen und in die Kuhl des Schiffes hinabblickten.

      Die Galeerensträflinge, die sie zusammen mit den elf Männern der ehemaligen „Isabella“ von der Galeere „Tortuga“ geholt hatten, standen am Backbordschanzkleid und sprachen erregt miteinander.

      „Die Sache gefällt mir gar nicht“, sagte Ben Brighton leise.

      „Ich denke auch, daß wir mit den Brüdern noch Ärger kriegen“, sagte Hasard, ohne die Gruppe aus den Augen zu lassen.

      „Wir hätten sie auf der verdammten Galeere lassen sollen“, sagte Ferris Tucker, und keiner der beiden anderen widersprach ihm, obwohl es ihnen ohne die Mithilfe dieser sechsunddreißig Männer wahrscheinlich nicht gelungen wäre, die „San Mateo“ zu entern und zu kapern.

      Die Dons ah Bord des Schiffes hatten keinerlei Verdacht geschöpft, als die Galeere am Vormittag dieses Maitages 1577 von Sevilla her auf die Reede von San Lucar gelaufen war und längsseits der Galeone festgemacht hatte. Schließlich wurde die „Tortuga“ erwartet, um die wertvolle Silberladung des Schiffes zu übernehmen und zu den Lagerhäusern des Hafens zu bringen.

      Nur diesem Überraschungsmoment war es zuzuschreiben, daß die Eroberung der „San Mateo“ so relativ einfach und fast unblutig verlief. Der Capitan und dreiundzwanzig Mann der Besatzung hatten den kurzen Kampf überlebt und waren jetzt in der Vorpiek eingesperrt. Aber die Dons waren das kleinste von Hasards Problemen.

      Das dringlichere war die Frage, was die sechsunddreißig Männer planten, die in der Kuhl zusammenstanden und sich leise miteinander unterhielten. Ab und zu, wenn einer der Männer in der Erregung lauter sprach, verstand er ein paar zusammenhanglose Worte, spanische Worte. Die wenigsten unter ihnen waren nach ihrem Aussehen Spanier, dachte Hasard. Es war ein buntes Gemisch fast aller Nationalitäten am Mittelmeer: Portugiesen, Griechen, Sizilianer, Venezier, Ägypter, Nordafrikaner, dazu ein paar Niederländer und Neger. Die Spanier und ein guter Teil der anderen waren gewöhnliche Kriminelle, Gewaltverbrecher, Strolche, die anderen aber nur Menschen, die aus religiösen oder anderen Gründen dem Absolutismus von Krone und Altar unbequem geworden waren.

      Hasard beobachtete, daß diese Gruppe sich mehr oder weniger von den Kriminellen absonderte. Sie hielten sich am äußersten Rand der Gruppe auf, hörten zwar zu, aber beteiligten sich nicht an der Debatte.

      Hasard versuchte, sich die einzelnen Gesichter der Männer einzuprägen, um später zu wissen, wer zum harten Kern der Sträflinge gehörte und wer die Mitläufer waren, die Abwartenden, die Neutralen.

      „Dan!“ rief er halblaut.

      „Sir?“ Der sechzehnjährige Dan O’Flynn, durch die dreimonatige Schinderei auf der spanischen Galeere noch magerer geworden, trat seitlich neben Hasard.

      „Sag den Männern, sie sollen zusammenbleiben und hole die Leute, die noch in der Kuhl oder auf dem Vorschiff sind, auf das Achterdeck.“

      „Dicke Luft?“

      Hasard nickte. „Wahrscheinlich.“

      Dan wollte lostraben, doch Hasard hielt ihn zurück.

      „Aber möglichst unauffällig. Die Burschen da unten brauchen nicht zu merken, daß wir etwas wittern.“

      „Aye, aye, Sir.“

      Dan schlenderte gemächtlich zum Niedergang und stieg hinunter.

      Etwa zwanzig der Burschen waren wirklich gefährlich, überlegte Hasard. Zwanzig gegen dreizehn. Und natürlich hatten gerade die Kriminellen unter den Galeerensträflingen die Schinderei und den Hunger besser überstanden als die anderen. Sie hatten eine geschlossene Einheit gebildet, die sich gegenseitig Vorteile zuschob – auf Kosten der Außenseiter, der „Renegaten“ und der „Feinde“, zu denen natürlich ganz besonders die gefangenen Engländer gehört hatten.

      Selbst in der Hölle wird es noch Menschen zweiter Klasse geben, dachte Hasard, genau wie es sogar unter den Verdammten der spanischen Galeeren Herren und Untertanen gab.

      Hasard wandte sich um und blickte von einem der Geretteten zum anderen. Sie waren die „Neuen“ auf der Galeere gewesen, die Knechte der Alteinge sessenen, und an ihnen hatten die drei Monate Schinderei, Brutalität und Hunger am meisten gezehrt. Keiner von ihnen war voll einsatzfähig – bis auf Dan O’Flynn und Batuti.

      Bei dem kleinen Dan war es seine Jugend, die ihn die Strapazen leichter hatte überstehen lassen als die anderen, bei dem riesigen Neger Batuti seine robuste, unverdorbene Natur.

      Batuti grinste, als er den Blick seines Kapitäns auf sich ruhen fühlte.

      „Gut, wieder sein alles zusammen auf eigene Schiff wie früher, Sir.“

      „Mit dem eigenen Schiff wollen wir noch nicht zu sicher sein, Batuti“, sagte Hasard und deutete mit dem Kopf auf die Gruppe der ehemaligen Sträflinge, die immer wieder rasche, verstohlene Blicke zum Achterdeck warfen.

      „Batuti verstehen. Werden schon schaffen diese Banditen.“ Aber seine Worte klangen nicht sehr überzeugend, und auch er warf zweifelnde Blicke auf die anderen Männer. Nicht einer von ihnen war so richtig auf den Beinen. Sie lehnten und hockten um den Besanmast, am Schanzkleid, an der Balustrade. Der Kutscher, ehemaliger Koch und Feldscher der „Isabella“ lag sogar ausgestreckt an Deck, die Augen fest geschlossen. Er war von der Konstitution her der schwächste Mann der Crew, und als eingefleischter Landlubber hatte er sich nur langsam an das harte Leben auf See gewöhnen können.

      Ferris Tucker, der Schiffszimmermann, besaß eine eiserne Konstitution. Aber dennoch stützte er sich schwer auf die Balustrade, als er neben Hasard stehend zur Kuhl hinunterstarrte.

      Matt Davies saß an das achtere Schanzkleid gelehnt und bearbeitete seine rechte Hand mit einem Schleifstein. Matts rechte Hand bestand aus einer Lederprothese, aus der ein spitz zugeschliffener Haken ragte. Die Spanier hatten ihm den Haken zuerst abnehmen wollen, dann aber eingesehen, daß er mit einer Hand kein vollwertiger Rudersklave sein würde. Während der drei Monate war der Eisenhaken jedoch stumpf und rostig geworden, und Matt bearbeitete ihn seit Stunden mit Feile, Öllappen und Schleifstein, um den alten Glanz und die gewohnte Schärfe wiederherzustellen.

      „Nicht einschlafen, Smoky“, sagte Hasard leise zu dem dunkelhaarigen Mann, der mit dem Rücken an den Besanmast gelehnt saß und dessen Kopf immer wieder herabsank.

      „Tut mir leid, Sir“, sagte Smoky und riß sich spürbar zusammen.

      Hasard tat es leid, ihm und den anderen jetzt keine wirkliche Ruhe gönnen zu können. Denn auch die Männer, die neben ihm hockten, der blonde Schwede Stenmark, Blacky und Gary Andrews, konnten kaum noch die Augen offenhalten vor Erschöpfung.

      Selbst der Rudergänger Pete Ballie, der auch hier am Kolderstock stand, und A1 Conroy, der Stückmeister der abgesoffenen „Isabella“, würden noch einige Zeit brauchen, um die Strapazen der letzten drei Monate zu überwinden.

      Das war keine sehr wirksame Streitmacht gegen die Männer auf der Kuhl, auch wenn sie fast die Hälfte von denen nicht voll einsetzen sollten. Aber selbst das war nicht sicher. Die wertvolle Ladung von Silberbarren im Bauch der „San Mateo“ konnte auch den Anständigsten unter ihnen reizen, sich auf die Seite der Strolche zu schlagen.

      Nur einen wirklichen Vorteil konnte Hasard für sich und seine Männer verbuchen: die Waffen- und Pulverkammer der „San Mateo“ befand sich im Achterkastell. Wenn es zu einer Auseinandersetzung kommen sollte – und daran bestand nach seiner Einschätzung der


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