Seewölfe - Piraten der Weltmeere 14. Garnett William

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 14 - Garnett William


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Conroy nickte. „Daran hätte ich eigentlich selbst denken müssen, Sir.“ Er wandte sich zum Gehen, blieb dann aber noch einmal stehen. „Ich werde auch ein paar Kugeln und Pulver für die Drehbassen mitbringen.“

      „Gute Idee“, sagte Hasard. Unwillkürlich griff er nach der sächsischen Reiterpistole, die in seinem Gürtel steckte. Er und Ben Brighton waren im Moment die einzigen, die bewaffnet waren.

      Die vier Drehbassen auf dem Achterkastell der „San Mateo“ würden ihnen die wirklich entscheidende Überlegenheit verleihen, wenn es hart auf hart kommen sollte. In diesem Fall war es ein Glücksumstand, daß sich auf dem Bugkastell keine Kanonen befanden, die von den Sträflingen eingesetzt werden konnten. Bei einem Gefecht mit anderen Schiffen aber konnte sich dieser Umstand als tödlich erweisen. Und bis nach Plymouth war es noch eine verdammt lange Strecke.

      Allerdings würden sie dafür nicht so lange brauchen wie mit der alten „Isabella“. Die „San Mateo“ war erheblich ranker gebaut als die abgesoffene Galeone. Sie war länger als die „Isabella“ und hatte acht Kanonen auf jeder Schiffsseite.

      Hasard blickte wieder nach Osten, nach der Küste, die immer noch wie ein Schemen auf der Kimm lag. An sich hatte er so lange nach Westnordwest laufen wollen, bis die Küste Spaniens ganz außer Sicht war, und erst dann wollte er auf Nordkurs gehen. Aber die Situation ließ es ihm richtiger erscheinen, den Kurs allmählich und ohne Segelmanöver zu ändern.

      „Abfallen bis auf Nordwest“, sagte er zu Pete Ballie.

      „Abfallen auf Nordwest“, wiederholte Pete und legte etwas Ruder.

      Hasard warf einen kurzen Blick auf die Segel, als die „San Mateo“ um zweiundzwanzig Kompaßgrade nach Norden schwang. Der Schatten des Großmastes drehte sich wie der Zeiger einer Sonnenuhr über das Deck.

      Das Gemurmel der Männer in der Kuhl wurde lauter, erregter, ein paar von ihnen deuteten auf den wandernden Schatten des Großmastes, andere blickten zur Sonne hoch, um nach ihrem Stand die Richtungsänderung abzuschätzen.

      „Nordwest liegt an“, sagte Pete Ballie ruhig.

      Hasard nickte schweigend. Er sah, wie sich ein Mann aus der Gruppe löste. Das heißt, er stürmte heraus und stieß die anderen zur Seite.

      Hasard kannte den Mann. Auf der Galeere hatten ihn die anderen Bombarde genannt. Er war der Schlagmann der „Tortuga“ gewesen, der Herrscher in der Hierarchie der Geknechteten. Bombarde machte seinem Spitznamen alle Ehre. Er war ein kleiner, untersetzter Kerl mit kurzen, stämmigen Beinen und einem kugelförmigen Kopf. Seine kurzgeschorenen, weißblonden Haare klebten verfilzt an seinem runden Schädel, die zerfetzten Lumpen, die er trug, gaben sonnenbraune Haut frei, unter der sich dicke Muskelstränge abzeichneten. Er war ein wüster, heimtückischer Kerl, mehrfacher Mörder, als Seemann der Barbaresken, der nordafrikanischen Freibeuter, in die Hand der Spanier gefallen.

      „Engländer!“ rief er mit einer dröhnenden, herrischen Stimme, als er auf den Niedergang zustürzte. „Ich muß mit Ihnen sprechen.“

      Hasard warf einen raschen Blick zu den anderen Männern seiner Besatzung. Sie waren noch genauso erschöpft wie zuvor, aber davon merkte man jetzt nicht mehr viel. Jeder von ihnen wußte, daß es jetzt auf ihn ankam, auf jeden einzelnen.

      „Verdammt, wo bleibt A1 mit den Waffen“, sagte Dan O’Flynn leise.

      „Was brauchen Waffen, wenn haben Batuti“, sagte der schwarze Riese beruhigend. „Nicht machen in Hose vor Angst, kleines O’Flynn.“

      „Paß bloß auf, daß bei dir die Hose nicht voll wird“, sagte Dan mit seiner kieksigen Stimme. „Bei deinem dicken Hintern wäre das viel schlimmer.“

      Bombarde enterte den Niedergang hoch und trat auf Hasard zu. Die anderen Männer in der Kuhl drängten näher heran, um nichts zu versäumen.

      „Was ist los?“ Hasard trat dem Mann in den Weg und blickte ihn herrisch an. Manchmal wirkten solche Einschüchterungen, aber er war sicher, daß Bombarde davon nicht beeindruckt sein würde. Und sein Gefühl täuschte ihn nicht. Bombarde baute sich in einer fast unverschämten, impertinenten Haltung vor ihm auf und sagte: „Welchen Kurs steuern Sie?“

      Hasard antwortete nicht.

      Bombarde warf wieder einen kurzen Blick zur Sonne. „Nordwest oder Nord, glaube ich. Kurs auf England.“ Das war keine Frage, sondern eine Feststellung.

      „Allerdings“, sagte Hasard und blickte an Bombarde vorbei zu den anderen, die immer näher an den Niedergang herantraten. Jetzt sah er, daß ein paar von ihnen Knüppel und Belegnägel in den Händen hielten.

      „Batuti, Dan, sichert den Niedergang!“ rief er den beiden Kräftigsten unter seinen Männern zu.

      O’Flynn und der riesige Neger traten schweigend hinter Bombarde an das obere Ende des Niedergangs. An ihnen würde niemand vorbei auf das Ach terdeck steigen.

      Bombarde verfolgte die Sicherheitsmaßnahme mit einem verächtlichen Lächeln.

      „Ich verlange, daß Sie sofort auf Südkurs gehen“, sagte er zu Hasard.

      „Sie haben gar nichts zu verlangen“, sagte Hasard hart. „Verschwinden Sie, bevor ich Sie hinunterwerfe.“

      „Das möchte ich erst mal sehen“, sagte Bombarde drohend, trat aber doch vorsichtig ein paar Schritte zurück. „Aufpassen, Leute!“ rief er dann den anderen zu.

      Hasard wußte endgültig, daß eine Machtprobe unvermeidlich war.

      Die Männer auf der Kuhl drängten näher, ein paar von ihnen schwangen drohend Belegnägel und Knüppel.

      „Laß dich nicht einschüchtern, Bombarde!“

      „Zeig dem Kerl, wer hier was zu sagen hat!“

      „Der will uns doch nur um das Silber bescheißen!“

      Das war das Stichwort, mit dem sich die wahren Absichten von Bombarde und seinen Genossen verrieten, das Stichwort, das Hasard erwartet hatte. Bombarde war ein Pirat der nordafrikanischen Küste gewesen, ein Mann mit Verbindungen in den arabischen Häfen. Er wußte, was die Silberladung der „San Mateo“ in Algier, bringen würde und hatte den anderen Männern vorgeschwärmt, daß sie wie die Fürsten leben könnten, wenn es ihnen gelingen würde, die Galeone in ihre Gewalt zu bringen und die Engländer in den Bach zu werfen. Das heißt, dies natürlich erst vor Erreichen der Küste. Bis dahin brauchte man sie noch, da sich unter den Kriminellen kein einziger Seemann befand, und auch Bombarde selbst, der nur vor dem Mast gefahren war, besaß naturgemäß keinerlei navigatorische Kenntnisse.

      „Sie haben zehn Sekunden, hier zu verschwinden, Bombarde“, sagte Hasard kalt und trat einen Schritt auf den untersetzten Mann zu.

      Bombarde wich diesmal nicht zurück. Die Haltung seiner Männer und die anfeuernden Zurufe schienen ihm Mut gemacht zu haben.

      „Und Sie haben zehn Sekunden Zeit, sich zu überlegen, daß wir dreimal so viele Männer sind wie Sie. Ihre Leute können kaum noch einen Besenstiel gerade in die Luft halten.“

      Wieder ertönte von unten zustimmendes Gemurmel, und Hasard merkte sich genau die Männer, die jetzt drohend Knüppel schwangen und auf Batuti und Dan O’Flynn zudrängten.

      „Hol den Kerl da runter, Bombarde!“

      „Sehr richtig? Sag ihm, wer hier der Herr ist!“

      „Das Schiff gehört uns!“

      „Klar! Schließlich haben wir es erobert und nicht die elf Engländer! Die konnten sich doch kaum auf den Beinen halten!“

      Hasard blickte den weißblonden Burschen mit den hellen, tückischen Fischaugen prüfend an. Ein harter, kräftiger Mann, dachte er. Aber doch kein wirklich gefährlicher Gegner, was die physische Kraft betraf. Weitaus gefährlicher war seine kriminelle Intelligenz. Bombarde wußte genau, wie er seine Männer packen konnte. Sie hatten zwei Jahre und länger auf der Galeere geschuftet und gedarbt, mit schweren Ketten an ihre Ruderbänke geschmiedet.


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