Seewölfe - Piraten der Weltmeere 14. Garnett William
hatte ihnen Bombarde in glühenden Farben geschildert, welche Freuden auf sie warteten, wenn es ihnen gelang, die Galeone in ihren Besitz zu bringen. Die Silberladung hatten sie in Gedanken schon in Algier verscheuert, und dann würden sie alles nachholen, was sie in den Jahren der Sklaverei versäumt hatten. Sie würden saufen, sie würden huren, sie würden sich von braunhäutigen Sklavinnen bedienen lassen, vielleicht auch von ein paar weißen, von glutäugigen Kaukasierinnen oder gut gerundeten Türkinnen. Sie würden leben, endlich leben, aus dem vollen heraus, wenn es ihnen gelang, die Engländer zu überwältigen.
„Ich verlange, daß Sie das Schiff mir und meinen Männern übergeben und sich meinem Kommando unterstellen“, sagte Bombarde mit einem unverschämten Grinsen und trat einen Schritt auf Hasard zu. „Sie werden uns nach Algier bringen, damit wir die Silberladung dort verhökern können.“
Er schwieg einen Moment und blickte Hasard abwartend an.
Hasard antwortete nicht. Er überlegte fieberhaft, wie seine Chancen standen, wie er trotz der Überlegenheit von Bombarde die Herrschaft über das Schiff behalten konnte.
„Ich verlange Antwort“, sagte Bombarde scharf. „Sonst werden wir uns unser Recht selbst nehmen!“
Hasard spürte eine kochende Wut in sich aufsteigen. Seine Faust krachte unter Bombardes Kinn und schleuderte ihn über die Balustrade auf das Deck der Kuhl.
2.
Wie eine Meute wütender Köter stürzten sich Bombardes Kumpane auf den Niedergang, um das Achterdeck zu entern. Batuti wehrte die ersten Knüppelhiebe mit seinen muskulösen Unterarmen ab, packte einen der Angreifer, einen semmelblonden Hünen, und schleuderte ihn breitseits auf die anderen. Der Blonde mähte eine breite Schneise in die Phalanx der Angreifer, die sich jedoch sofort wieder schloß.
Brüllend und fluchend drängten andere nach.
„Rache für Bombarde!“
„Schickt die Bastarde zur Hölle!“
„Silberdiebe!“
„Die wollen uns nur um unseren Anteil bescheißen!“
Dan O’Flynn wurde von zwei oder drei der Männer zu Boden gerissen. Er spürte einen harten Tritt in die Rippen und ihm wurde schwarz vor Augen.
In der nächsten Sekunde fühlte er, wie er emporgerissen wurde, und Batuti sagte: „Kleines O’Flynn jetzt nicht schlafen. Erst noch bißchen prügeln.“
Hasard schickte einen Neger, der an Batuti und O’Flynn vorbei auf das Achterdeck gestürmt war, mit einem Hammerschlag auf den Kopf wieder nach unten. Dann sprang er ihm nach, mitten unter die Angreifer.
Smoky und Matt Davies sprangen ihrem Kapitän nach. Matt stieß dabei einen wilden, heiseren Schrei aus, und schon im Aufsprung krallte sich der neugeschliffene Haken seiner Unterarmprothese in die Schulter eines der Angreifer.
Smoky wurde von drei, vier Männern sofort wahrgenommen. Noch bevor er sich aufrichten konnte, trafen ihn mehrere harte Schläge ins Gesicht und in den Leib, und er sackte bewußtlos zusammen.
Hasard sah ein Messer aufblitzen. Verdammt, die haben den Spaniern ein paar Stecheisen abgenommen, dachte er wütend, als er dem Stich auswich und den Mann, einen kleinen, kraushaarigen Kerl mit schmierigem Bart und tückischen Augen, an sich heranriß. Der Kerl war so klein, daß er ihm den Kinnhaken mit dem Knie verpassen konnte.
„Kapitän! Achtung!“
Hasard fuhr herum. Bombarde stand wieder auf den Füßen und sprang den Seewolf von hinten an, einen Belegnagel in der Hand.
Mit einem ärgerlichen Knurren stürzte sich Hasard auf den Seeräuber. Aber der wich ihm aus und stieß zwei seiner Männer auf Hasard zu. Er hatte anscheinend erkannt, daß mit dem Seewolf nicht zu spaßen war, daß er in ihm einen harten, überlegenen Gegner gefunden hatte, den er nicht durch persönliche Konfrontation, sondern höchstens durch die zahlenmäßige Überlegenheit seiner Horde oder durch eine Liste besiegen konnte.
Hasard rammte die beiden Männer, die Bombarde auf ihn zugeschleudert hatte, mit den Köpfen zusammen und stieß die bewußtlosen Körper von sich, in den Weg von einem halben Dutzend anderen, die sich auf ihn stürzen wollten.
Ein Körper knallte dicht vor seinen Füßen auf Deck. Seine Männer auf dem Achterkastell hatten einen der Banditen, dem es gelungen war, den Niedergang hinaufzuentern, in die niederen Regionen zurückbefördert.
„Entschuldigung, Sir“, hörte Hasard Blackys Stimme von oben. Und dann landete ein zweiter Bandit direkt auf dem anderen. „War nicht beabsichtigt.“
Hasard grinste. Solange seine Männer so guter Laune waren, würden sie mit Bombarde und seinen Kerlen fertig werden.
Ein Schuß krachte vom Achterdeck, und ein Mann, der sich von hinten auf Hasard hatte stürzen wollen, brach zusammen. Wieder knallte es. Aber diesmal aus der anderen Richtung, und Hasard sah, wie Batuti einem von Bombardes Männern die noch rauchende Pistole aus der Hand riß und ihm den Lauf über den kahlen Schädel zog.
Ein Messer blitzte, und der Stahl schlitzte Hasards rechten Ärmel auf. Er trat dem Mann in den Unterleib.
„Wird lange haben keine Freude an kleine Mädchen“, kommentierte Batuti grinsend und hieb einem anderen seine riesige Faust auf den Kopf, als ob er ihn wie einen Nagel ins Deck treiben wollte.
Hasard hatte für zwei, drei Sekunden etwas Luft und warf einen raschen Blick zum Achterdeck hinauf. Ein gutes halbes Dutzend Banditen drängte den Niedergang hoch und wurde von Ferris Tucker, Blacky, Stenmark und Gary Andrews abgewehrt.
Sogar der Kutscher hatte sich aufgerafft. Er war zwar zu schwach, um wirklich mitzumischen stand aber, zwei langläufige Pistolen in den Händen, sozusagen als Eingreifreserve bereit. Die Waffen verrieten Hasard, daß A1 Conroy auch wieder erschienen sein mußte. Er konnte ihn jedoch nirgends entdecken. Wahrscheinlich beschäftigte er sich mit den Drehbassen.
Wieder segelte einer der Angreifer von oben herunter und riß die nachfolgenden Männer vom Niedergang weg. Jetzt waren schon sieben von Bombardes Männern zu Boden gegangen. Von den Engländern war nur Smoky ausgefallen, der dicht am Fuß des Niedergangs lag, neben drei von Bombardes Leuten.
Hasard sah, wie ein pockennarbiger Araber, der hinter ein paar anderen Männern am Boden lag, vorsichtig nach seinem krummen Dolch griff und die Augen einen Spalt öffnete. Hasard stieß ein paar der Kämpfenden zur Seite und wollte sich auf ihn stürzen. Aber bevor er ihn erreicht hatte, sprang der Mann auf und stürzte sich von hinten auf Batuti.
Hasard hatte nicht einmal mehr Zeit, ihn zu warnen, bevor die gebogene Klinge herabfuhr. Es mußte irgendein Urinstinkt gewesen sein, der den riesigen Neger warnte und ihn herumwirbeln ließ. So grub sich die zustoßende Klinge nicht in Batutis Rücken, sondern nur in seinen Oberarm.
Mit einem grollenden Wutschrei packte Batuti den Araber beim Messerarm und schleuderte ihn über Bord. Im selben Augenblick traf ihn ein Belegnagel auf seinen wolligen Schädel, und er sackte zusammen. Jeden anderen Menschen hätte dieser Schlag getötet. Batuti ging nur in die Knie und schüttelte ein paar Mal seinen blutenden Kopf, um die Benommenheit zu vertreiben. Doch diese Sekunden des Wegtretens hätten ihn fast das Leben gekostet. Gerade noch rechtzeitig entdeckte Hasard einen Mann, der mit seinem krankhaft bleichen Gesicht wie ein Albino wirkte. Er hatte aus nur sechs Fuß Entfernung eine Pistole auf Batutis Kopf gerichtet.
Hasard schnellte sich ab und schleuderte sich über das Deck auf den Kerl zu. Er umklammerte dessen Beine und riß sie ihm unter dem Körper weg, als der Mann abdrückte. Die Kugel pfiff über Batutis Kopf und riß einem anderen Banditen, der sich auf Batuti stürzen wollte, das halbe Gesicht weg.
„Zurück!“ hörte Hasard Bombarde schreien. „Kampf abbrechen!“
Die Banditen wichen zum Hauptmast zurück. Einer von ihnen versuchte, die an Deck gefallene Pistole aufzunehmen. Dan O’Flynn stieß sie mit dem Fuß Hasard zu, der sie aufnahm und auf das Achterdeck warf.
Hasard