Die Mineralwasser- & Getränke-Mafia. Marion Schimmelpfennig

Die Mineralwasser- & Getränke-Mafia - Marion Schimmelpfennig


Скачать книгу
muss mich nicht „schuldig fühlen“! Dieses Gefühl der Erleichterung führt dazu, dass Ihnen EUFIC nun fast alles erzählen kann. Nach Beweisen oder Belegen fragen wir schon nicht mehr. Wir haben diese „alternative Wahrheit“ nur zu gerne gekauft und fühlen uns wohl, bestätigt, verstanden! Wir vergessen auch, nach detaillierten Angaben zu den Mengen und Lebensmitteln zu suchen. Wir akzeptieren diese völlig nutz- und bedeutungslose Aussage. Solange das Ganze „ausgewogen“ ist, also irgendwie bunt gemischt, ist es in Ordnung. Wir denken auch nicht mehr darüber nach, dass es vielleicht noch andere Meinungen geben könnte, andere Experten, die zu einem anderen Schluss gekommen sind. Wir sind froh, dass es Experten gibt, die uns die Cola erlauben. Morgen trinken wir zum Ausgleich wieder eine Apfelschorle. Die Welt ist in Ordnung.

      So einfach ist das. Man nehme eine triviale Aussage, der jeder zustimmen kann, um Glaubwürdigkeit zu erzielen. Dann ergänze man diese mit völlig bedeutungslosen Ausführungen, die man nicht belegt, und schaffe eine Atmosphäre von Verständnis und Wohlgefühl.

      In dasselbe hirnlose Horn stoßen dann auch die Experten (beispielsweise Prof. James O. Hill, siehe Kapitel „Die Diktatur der Mächtigen“), die beim EUFIC zu diesem Thema zu Wort kommen. Eins zu null für EUFIC.

      Doch halt – so gut sind die Kommunikationsexperten von EUFIC auch wieder nicht, denn Sie gehören zu den Menschen, die sich noch ein paar Minuten Zeit nehmen, um nachzusehen, wer oder was EUFIC eigentlich ist. Sicher ist sicher!

      Sie müssen leider eine ganze Weile suchen. Ganz, ganz unten auf der Website lesen Sie:

      Über EUFIC

      EUFIC, das Europäische Informationszentrum für Lebensmittel, ist eine gemeinnützige Organisation, die den Medien, Gesundheits- und Ernährungsfachleuten, Erziehern und meinungsbildenden Einrichtungen wissenschaftlich fundierte Informationen über Nahrungsmittelsicherheit und -qualität sowie Gesundheit und Ernährung auf eine für Konsumenten verständliche Weise liefert.

      So weit, so gut, denken Sie. Aber irgendwie nicht aussagekräftig, oder? Ah, da unten kann man noch auf „weiterlesen“ klicken. Sie gelangen auf eine lange Textseite. Der erste Absatz ist identisch mit dem, den Sie auf der Hauptseite gelesen haben. Die weiteren Absätze beginnen mit „In Beantwortung der steigenden Nachfrage in der Öffentlichkeit nach vertrauenswürdiger, wissenschaftlich fundierter Information …“, „Alle von EUFIC veröffentlichten Informationen wurden von den Mitgliedern des Wissenschaftlichen Beratungsgremiums …“, „Von seinem Hauptsitz in Brüssel (Belgien) …“ – stopp! Brüssel? Sie scrollen nun ganz nach unten. Dort erfahren Sie endlich das, was Sie sonst nirgendwo auf dieser Seite lesen können:

      „Das EUFIC wird durch Unternehmen der europäischen Lebensmittel- und Getränkeindustrie unterstützt und erhält Projektfinanzierung durch die Europäische Kommission. Es wird von einem Vorstandsgremium geleitet, dessen Mitglieder von den Mitgliedsunternehmen ernannt werden. Derzeit gehören folgende Unternehmen dem EUFIC an: Abbott Nutrition, Bunge, Cargill, Cereal Partners, Coca-Cola, Dow Seeds, DSM Nutritional Products Europe Ltd., Ferrero, General Mills, Mondelēz Europe, Mars, McDonald’s, Nestlé, PepsiCo, Pinar Et, Tereos, Ülker, Unilever.“

      Verdammt nochmal, da wären wir Coca-Cola, PepsiCo und Nestlé doch fast auf den Leim gegangen!

      Grenzwerte – was nicht passt, wird passend gemacht

      Was macht man, wenn Grenzwerte nicht zur Realität „passen“, wenn beispielsweise im Trinkwasser erhöhte Uran- oder Nitrat-Werte gefunden werden? Wenn im Mineralwasser zu viel Barium enthalten ist? Oder wenn eine Umweltkatastrophe im Anmarsch ist? Kein Problem: Man erhöht einfach die Grenzwerte oder erteilt Ausnahmegenehmigungen, dann „passt“ es wieder.

      Nitrat ist eine Stickstoffverbindung. Sie kommt in der Natur zwar häufig vor und ist ein Energiespender für Pflanzen, doch unsere Böden sind durch nitrathaltige Dünger (z. B. Gülle) gnadenlos übersättigt. Nitrat an sich ist ungiftig, kann aber im Magensaft zu giftigem Nitrit umgewandelt werden. Das kann beispielsweise bei Säuglingen zu einer Unterversorgung von Sauerstoff im Blut und im schlimmsten Fall zu einer Blausucht (Zyanose) führen, die durchaus lebensbedrohlich sein kann. Auch für Menschen mit einer gestörten Darmflora ist Nitrat gefährlich, weil sie leichter Nitrit bilden können. Man nimmt inzwischen auch an, dass Nitrit Krebs verursachen kann.

      In den vergangenen Jahren wurde der Grenzwert für Nitrat im Trinkwasser von 25 Milligramm auf 50 Milligramm pro Liter angehoben. In der Hauptsache aber dient der Grenzwert für Nitrat als Indikatorwert für die allgemeine Belastung des Trinkwassers mit stickstoffhaltigen organischen Verschmutzungen. Das bedeutet im Klartext: Man wird der Belastung nicht mehr Herr. Die Lösung: Grenzwert um 100 Prozent heraufsetzen – fertig.

      „Dann könnte man sich ja eigentlich zurücklehnen und sagen, dass nun alles in Ordnung ist, lediglich mehr für das Wasser zu bezahlen ist, denn den erhöhten Aufwand tragen wir Wasserkunden. Das Dramatische ist aber eigentlich etwas ganz anderes. Über lange Zeit konnte das Wasser so wie es gefördert wurde, in die Leitung eingespeist werden. Ab sofort ist dies ohne Behandlung des Grundwassers nicht mehr möglich. Schon erschreckend, wenn wir von unserem ‚wichtigsten Lebensmittel‘ sprechen. Der Bau von neuen Brunnen und Aufbereitungsanlagen ist keinesfalls die Lösung für die zunehmende Belastung unseres Grundwassers, sondern die zwingende Reaktion des Wasserversorgers darauf. Die eigentliche Herausforderung bestünde jedoch in der Ursachenbekämpfung. Dem Wasserzweckverband fehlt dazu eine rechtliche Grundlage. Wenn die zuständigen Organe und auch die große Politik weiterhin die vorhandenen Missstände verharmlosen oder sogar ignorieren, wird sich an dieser negativen Entwicklung leider nichts ändern. Übrigens, die hohe Nitratbelastung im Grundwasser ändert sich mit der Aufbereitung nicht.“

      Auch


Скачать книгу