Die Mineralwasser- & Getränke-Mafia. Marion Schimmelpfennig
Barium-Wert auf und hätte eigentlich nicht mehr verkauft werden dürfen. Abhilfe schuf eine Ausnahmegenehmigung, die sage und schreibe drei Mal verlängert wurde. Der Hersteller war jedoch auch nach Ablauf dieser Ausnahmegenehmigung Ende 2010 nicht in der Lage (oder willens), den Barium-Gehalt unter die gesetzliche Höchstmenge zu bringen, und musste deshalb Anfang 2011 den Betrieb schließen. Interessant ist in diesem Zusammenhang noch Folgendes: Aufgrund der Ausnahmegenehmigung durfte dieses Mineralwasser über Jahre hinweg verkauft werden. Doch nachdem das Unternehmen Insolvenz angemeldet hatte, wurde der Handel informiert, damit die Verkaufsstellen das betroffene Wasser umgehend aus dem Sortiment nehmen können. Weshalb eigentlich, wenn es doch jahrelang angeblich völlig ungefährlich war?
„Muntermacher“
Energy-Drinks sind längst in Verruf geraten – völlig zu Recht, wie ich meine (und wie Sie noch lesen werden) – doch eines wussten Sie vermutlich nicht: Dass es Energy-Drinks in dieser Form überhaupt zu kaufen gibt, war nur aufgrund von Allgemeinverfügungen und Ausnahmegenehmigungen möglich. Der Hintergrund: In koffeinhaltigen Getränken sind normalerweise Koffeingehalte zwischen 65 und 250 mg/L üblich. Energy-Drinks sollten jedoch deutlich mehr Koffein enthalten, damit sie ihre Arbeit als „Muntermacher“ auch ausführen können. Ausnahmegenehmigungen wurden für bis zu 320 mg/L Koffein erteilt, und nahezu alle Energy-Drinks weisen diesen Wert auch auf. Wie praktisch für die Hersteller! Allerdings: In „Red Bull Shots“ sind sage und schreibe 1300 mg/L Koffein enthalten. Der Trick: Es handelt sich bei dieser Flüssigkeit laut Zulassung nicht um ein Getränk, sondern um ein Nahrungsergänzungsmittel. Red Bull nutzt hier ein Schlupfloch, das es eigentlich gar nicht geben dürfte. Auf der einen Seite wird eine Höchstmenge festgelegt, auf der anderen Seite lässt man Getränke unter einer anderen Bezeichnung dann doch zu. Das kann nicht Sinn dieser Verordnung sein und ist nahezu grotesk. In der Schweiz geht man damit noch lockerer um: Seit Anfang 2014, so beschloss das Bundesamt für Gesundheit (BAG), dürfen auch Mischgetränke aus Alkohol und Energy-Drinks als normales Getränk verkauft werden. Wessen Gesundheit hatte das Schweizer Bundesgesundheitsamt da im Auge? Die der Verbraucher oder die der Wirtschaft?
Bisphenol-A: aus Eins mach Fünf
Bis 2007 galt für diesen gefährlichen Weichmacher ein Grenzwert von 10 Mikrogramm pro kg Körpergewicht als tolerierbare tägliche Aufnahme. Dann setzte die EU-Lebensmittelbehörde EFSA diesen Wert herauf. Nicht auf das Doppelte, nicht auf das Dreifache – sondern auf das Fünffache. Studien belegen seit langem, dass BPA im Tierversuch die Entwicklung von Embryonen und des Gehirns beeinträchtigt und zu Unfruchtbarkeit und Krebs führen kann. Kein Wunder – BPA hat eine ähnliche Wirkungsweise wie Hormone, und Eingriffe in den Hormonhaushalt sind immer gefährlich. Erst acht Jahre später, im Januar 2015, wurde dieser Grenzwert wieder gesenkt – und zwar auf nunmehr 4 Mikrogramm pro kg Körpergewicht. Die französische Lebensmittelbehörde kommt zu einer anderen Bewertung. Bei unseren Nachbarn in Frankreich ist seit Januar 2015 die Verwendung in Lebensmittelverpackungen komplett verboten. Eine Kennzeichnungspflicht für Bisphenol-A-haltige Lebensmittelverpackungen gibt es hierzulande immer noch nicht …
Pestizide: in der Summe harmlos?
Das Bundesamt für Verbraucherschutz muss sich die Frage gefallen lassen, ob es seinem Namen wirklich immer Rechnung trägt. Denn im Zeitraum 2004 bis 2006 nahm das Amt laut einer von Greenpeace in Auftrag gegebenen Studie Änderungen bei den Grenzwerten von Pestiziden vor: Von 404 Werten wurden 293 Erhöhungen vorgenommen. Im Durchschnitt lag die Anhebung beim 33-fachen des ursprünglichen Grenzwerts. Darunter befanden sich laut Greenpeace auch vier Substanzen, die auch schon zuvor erhöht worden waren. Bereits 2004 hatte Greenpeace die damalige Verbraucherschutzministerin Renate Künast abgewatscht. Die gesetzlich erlaubten Grenzwerte für Pestizide in Obst, Gemüse und Getreide, so der Chemieexperte Manfred Krautter, seien gerade unter Künast verwässert worden. Das Verbraucherministerium konterte mit einer eigenen Logik: Diese Zahlen beruhten auf einer neuen Art der Zulassung. Dabei komme es zwar zur Anhebung alter Grenzwerte, aber in der Summe würden die Grenzwerte deutlich mehr herunter- als heraufgesetzt. Doch laut Krautter werden selbst diese Grenzwerte bei fast neun Prozent aller Lebensmittel überschritten. Gegen kein Gesetz werde in Deutschland so häufig verstoßen wie gegen das Lebensmittelgesetz. Außerdem sei nach wie vor völlig ungeklärt, wie der „Giftcocktail“ in verschiedenen Obst- und Gemüsesorten auf den Menschen wirke.
Glyphosat: Pestizid in Muttermilch
Glyphosat, bekannt unter dem Namen Roundup (Monsanto) ist das weltweit am meisten verkaufte Unkrautvernichtungsmittel. Über dessen Risiken wird schon lange gestritten. Vor nicht allzu langer Zeit hatte sogar die WHO vor einer möglichen Krebsgefahr gewarnt. Die Grünen veröffentlichten eine Studie, in der sie zeigen konnten, dass das Pestizid bereits in Muttermilch nachgewiesen werden konnte. In der Studie wurden Mengen zwischen 0,21 und 0,432 Mikrogramm pro Liter Milch gemessen – Werte, die deutlich über dem Grenzwert von Trinkwasser liegen, wo nur 0,1 Mikrogramm pro Liter zulässig sind.
Wie giftig Glyphosat beispielsweise für Wildtiere ist, ist weltweit bestens dokumentiert. Glyphosat tötet einfach alles – nur nicht die Ertragspflanze des Landwirts. Und weil damit auch die ganzen Ackerwildkräuter zerstört werden, haben die Wildtiere kaum noch Nahrung. Gifte gehören einfach nicht in den lebenden Organismus, weil sie dessen Biologie zerstören. Sie kontaminieren nicht nur den Boden, sondern auch unser Wasser. Natürlich auch dann, wenn sie „bestimmungsgemäß“ verwendet werden, was sowieso niemand kontrolliert.
Vor diesem Hintergrund fragt man sich, weshalb Glyphosat nicht nur weiter zugelassen, sondern die akzeptable tägliche Aufnahmemenge von 0,3 auf 0,5 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht heraufgesetzt wurde! Machen wir mal eine Beispielrechnung für Ihr Kind auf. Ihr Kind wiegt 20 Kilogramm, also wären 10 Milligramm pro Tag „akzeptabel“. Nehmen wir weiter an, Ihr Kind verzehrt an einem Tag Lebensmittel und Getränke von – wir sind großzügig, denn dann reduziert sich die Menge pro Liter – zwei Kilogramm bzw. Liter, dann bedeutet dies eine akzeptierte Belastung der Nahrung von sage und schreibe fünf Milligramm pro Liter bzw. Kilogramm. – das entspricht 5.000 Mikrogramm! Sie erinnern sich? Der Grenzwert für Trinkwasser liegt bei 0,1 Mikrogramm pro Liter. Wir haben beim Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) viermal (!) nachgefragt, weshalb Lebensmittel so viel stärker belastet sein dürfen als Trinkwasser. Das BfR war innerhalb von einem Monat nicht in der Lage (oder nicht willens), uns diese Frage zu beantworten.
Bei Atomunfall: Grenzwerte lockern!
Es klingt paradox, ist aber so: Nach dem Atomunfall in Fukushima hat die EU-Kommission am 25. März 2011 mit einer Fukushima-Eilverordnung die Cäsium-Grenzwerte für Lebens- und Futtermittel aus Japan nicht verschärft, sondern vorübergehend sogar gelockert. Der Grenzwert für Milcherzeugnisse beispielsweise wurde von 370 Becquerel pro Kilogramm auf 1000 Becquerel heraufgesetzt. „Dem Verbraucher wird nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima ein Mehrfaches an radioaktivem Cäsium zugemutet. Das entspricht nicht dem vorbeugenden Gesundheitsschutz, es ist sogar rechtswidrig“, sagte der Chemiker und Greenpeace-Experte Manfred Santen. Wenn Sie sich jetzt also fragen, weshalb die Behörden in solchen Fällen die Grenzwerte nicht strenger überwachen oder sogar senken, sondern erhöhen, dann fragen Sie sich lieber, wem dieses Vorgehen nützt. Oder wollen Sie ernsthaft all die Unternehmen gefährden, die ihre verstrahlten Lebensmittel nach Deutschland importieren möchten? Besonders pikant bei der Sache: Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner hatte zunächst lediglich auf „verstärkte Kontrollmaßnahmen“ und „spezielle Schutzstandards“ verwiesen – über die erhöhten Grenzwerte wurde die Bevölkerung erst viel später informiert.
Leitfähigkeit: lange Leitung bei Behörden
Die deutsche Trinkwasserverordnung regelt vieles, auch die elektrische Leitfähigkeit des Trinkwassers, die in µS (Mikrosiemens) gemessen wird. Der Wert sagt aus, welche Menge an Ionen (gelösten Teilchen) im Wasser enthalten ist. Ermittelt wird dieser Wert recht einfach durch eine elektrische Widerstandsmessung. Je höher der Messwert/Leitwert, umso stärker ist das Wasser mit frei schwebenden Teilchen gesättigt, enthält also jede Menge elektrisch leitfähige Fremdstoffe: von Mineralien bis hin zu Schwermetallen