Seewölfe Paket 17. Roy Palmer
Matt. Ich muß sehen, was bei den Zellen los ist, da scheint Carberry auch einen erwischt zu haben.“
„Aye, aye, Sir.“ Matt schnappte sich den Boston-Mann und schleppte ihn den Gang zurück.
Zumindest im Zellentrakt hatte Stenmark die Übersicht behalten, wie Hasard flüchtig feststellte, denn der blonde Schwede bugsierte gerade den Generalkapitän in eine Zelle und verschloß dann die Gittertür.
Der dicke Hafenkapitän rang die Hände, war blaurot im Gesicht und schien einem Schlaganfall nahe. Nils Larsen redete beruhigend auf ihn ein.
Carberry kniete über einem in Felle gekleideten Mann, einem ziemlichen Klotz von Kerl, und tätschelte ihm die Wangen mit seiner Pranke, das heißt, er verabfolgte ihm Ohrfeigen, um ihn munter zu kriegen.
Als Hasard neben ihn trat, schaute er zu ihm auf. Hasard verbiß sich ein Grinsen. Das Ding, das da auf Carberrys linkem Auge erblühte, war kein Veilchen mehr, wie man es gewöhnlich nannte, nein, das war eher eine prall gestopfte Blutwurst, allerdings mit der Eigenschaft, sich noch weiter ausdehnen und noch prächtigere Farben produzieren zu können.
Mein Gott, Carberry war nie eine Schönheit gewesen, aber jetzt, mit diesem fürchterlichen Ding auf dem linken Auge entwickelte er sich zum reinsten Kinderschreck. Die Stoppeln, die ihm nach seiner verlorenen Wette mit Luke Morgan und dem Kahlschlag auf seinem Schädel jetzt wieder nachwuchsen, trugen auch nicht gerade dazu bei, ihn als Adonis erscheinen zu lassen. Er glich einem monströsen Ungetüm, der arme Carberry.
Hasard war fast versucht, ihm trostreich auf die mächtige Schulter zu klopfen, aber jetzt fiel sein Blick auf den Fell-Mann, und da wurde ihm klar, warum Carberry an seinem eigenen Verstand gezweifelt und herumgebrüllt hatte, daß er noch wahnsinnig würde.
Eike lag dort, einer von Thorfin Njals vier Wikinger-Mannen.
„Dieser Affenarsch hat mir die Faust auf die Klüse gedonnert“, sagte Carberry grollend. „Dann tauchte noch einer auf und haute noch mal drauf.“
„Der Boston-Mann“, sagte Hasard. „Er und Eike müssen die Verrückten sein, von denen der Hafenkapitän sprach.“
„Hat er recht, das sind ja auch Verrückte“, sagte Carberry empört. Seine Wut war noch längst nicht verraucht. „Toben hier rum und fallen mich an – mich, den Profos der ‚Isabella‘! Beknackt sind die! Übergeschnappt! Was wollen die hier überhaupt?“
„Das frag ich mich schon die ganze Zeit“, sagte Hasard und wandte sich zu Nils Larsen um, der mit dem Hafenkapitän palaverte, aber schon am Grinsen war, denn der Dicke erzählte ihm gerade die Geschichte von den „beiden Verrückten“.
Als der Dicke verschnaufte, sagte Nils: „Eike und der Boston-Mann tauchten vor zehn Tagen vom Kattegat her vor dem Sund auf – mit einer Schaluppe. Wegen des Sundzolls wurden sie angehalten, weigerten sich aber, ihn anzuerkennen, geschweige denn zu bezahlen. Statt dessen foppten sie die Leute von den Wachbooten, und als die entern wollten, muß es eine fürchterliche Keilerei gegeben haben. Schließlich konnte man sie hier in die Zelle schleppen. Seitdem sind sie am Rebellieren und Herumtoben. Der Hafenkapitän konnte noch nicht in Erfahrung bringen, wer sie sind, woher sie kamen und was sie in der Ostsee wollten. Er hat die Schaluppe filzen lassen und festgestellt, daß sie bestens versorgt gewesen seien, sowohl was den Proviant, die Bewaffnung, aber auch die finanziellen Mittel beträfe.“ Nils Larsen grinste wieder. „Die beiden müssen ganz schön unter den Dänen gewütet haben.“
„Hat es etwa Tote gegeben?“ fragte Hasard beunruhigt.
„Nein, nur Blessuren. Eike hat mit den Fäusten gekämpft, der Boston-Mann mit ’ner Pinne.“
Hasard atmete auf. „Sag dem Dicken, daß wir uns für die beiden verbürgen, daß wir sie kennen, ja, daß sie Freunde von uns seien …“
„Schöne Freunde“, brummte der Profos dazwischen. „Ist das vielleicht eine Art, den besten Freund gleich mit den Fäusten zu begrüßen?“
„Sie haben dich nicht erkannt“, sagte Hasard. „Wegen deiner Stoppelhaare. Da siehst du ziemlich verändert aus.“
„Ach, jetzt hab ich wohl noch die Schuld, was, wie?“ fragte der Profos erbost.
„Unsinn, Ed“, sagte Hasard, „davon ist überhaupt nicht die Rede. Du hattest nur das Pech, als erster diesen Raum zu betreten und demzufolge der Prellbock zu sein. Aber solche Schläge haben dich doch noch nie erschüttert.“
„Tun sie auch nicht“, knurrte Carberry, „da nehm ich noch ganz andere Dinge hin. Aber ich hab den verdammten Woyda wieder fallen lassen müssen, um mich meiner Haut wehren zu können. Wenn er jetzt getürmt wäre, hättest du mir wieder einen Anschiß verpaßt. Man weiß bald nicht mehr, was man tun soll, verflucht! Hätte ich diesen Mistbock vielleicht festhalten und mir von diesem irren Eike die Nase platt schlagen lassen sollen?“
„Natürlich nicht, Ed.“ Hasard lächelte versöhnlich. „Hätte Woyda die Flucht ergriffen, wäre er mir in die Arme gelaufen – wie der Boston-Mann, den ich auch mit der Faust begrüßt habe. Wir sind mit den beiden quitt, zumal du ja auch dem guten Eike was aufs Maul gehauen hast. Schau dir mal seinen Mund an.“
„Geschieht ihm recht, diesem verlausten Fellaffen“, brummte Carberry.
Nils Larsen berichtete daraufhin, daß der Dicke froh sei, wenn er die beiden Verrückten loswerde. Die hätten ihm nichts als Ärger eingebracht. Kapitän Killigrew könne sie gern übernehmen. Nur sei jetzt die Zelle demoliert und unbrauchbar.
Weil das der Moment war, in dem Eike ins Bewußtsein zurückkehrte und noch mit etwas glasigen Augen zu Carberry hochschielte, fuhr dieser ihn gleich an, gefälligst die „Gitterstäbchen“ wieder geradezubiegen.
„Wo ihr Wikingerlümmel herumspielt, müßt ihr auch immer gleich was kaputtmachen!“ donnerte er Eike an. „Ist das vielleicht die feine Art? Und dann entschuldige dich gefälligst bei Mister Hornborg, du Polaraffe! Das ist nämlich unser Freund.“
„Jawohl“, sagte Eike undeutlich, weil seine Lippen zu doppelter Größe angeschwollen und außerdem aufgeplatzt waren.
Aber er war noch zu benebelt, um die Gitterstäbe wieder in ihre alte Lage zurückzubiegen. Wahrscheinlich hatte ihm auch der Boston-Mann bei diesem Kraftakt zuvor geholfen.
„Schlappschwanz!“ blökte Carberry, schob ihn zur Seite, winkelte die mächtigen Arme an, umklammerte die beiden Stäbe und drückte sie zusammen, als seien es Weidenruten.
Der dicke Hafenkapitän staunte mit Glotzaugen und schnappte nach Luft. Carberry drehte sich zu ihm und grinste freundlich, was bei dem Dicken eine Art Schüttelfrost auslöste. Vielleicht hielt er den Profos für einen Waldschrat. Vielleicht dachte er aber auch, was hier in der Kommandantur los gewesen wäre, wenn man statt des Fell-Manns dieses Ungetüm in die Zelle gesperrt hätte. Da wäre die Zelle vermutlich bereits in den ersten fünf Minuten in die Binsen gegangen, aber restlos und mit total verbogenem Gitter.
„So, damit wäre auch das geregelt“, sagte Carberry. Er packte Eike am Genick. „Und jetzt entschuldige dich beim Hafenkapitän, du ungehobelte Filzlaus, sonst segelst du Vierkant zurück in die Zelle und bleibst da, bis deine Felle die Räude kriegen.“
„… schuldigung“, quetschte Eike heraus und mußte sich verbeugen, weil Carberrys Pranke an seinem Genick einen erheblichen Druck ausübte.
„Er hat sich entschuldigt“, sagte Carberry mit seinem fürchterlichen Grinsen. „Übersetz das dem Dicken, Nils, damit alles seine Ordnung hat.“
Nils Larsen sagte es dem dicken Hafenkapitän, der sich daraufhin ebenfalls vor Eike verbeugte. Carberry hielt es für richtig, daß Eike sich für die Verbeugung bedankte, und darum verstärkte er noch einmal ein bißchen den Druck an Eikes Genick.
Hasard beendete die gegenseitige Verbeugerei mit einem Räuspern und vereinbarte mit dem Hafenkapitän, am nächsten Morgen seine Aussage zu dem Fall des Witold Woyda zu Protokoll zu geben. Dann zogen die Seewölfe ab und nahmen auch Matt sowie