Seewölfe Paket 11. Roy Palmer

Seewölfe Paket 11 - Roy Palmer


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Bewegung wahrgenommen. Er griff mit der rechten Hand nach dem Säbel, den er in den Hosengurt geschoben hatte. Leise klirrte die Kette, die seine Handschellen verband. Er zog den Säbel heraus, nahm eine geduckte, drohende Haltung ein und blickte sich nach allen Seiten um.

      Hatte er sich getäuscht? Hatten ihm seine gereizten Nerven nur etwas vorgegaukelt?

      Der Wind wisperte und zischelte in den Büschen und bewegte die Blätter, überall schien Bewegung zu sein. Hier und dort knackte oder raschelte es, überall war das eigentümliche Klagen und Kreischen, Maunzen und Schnattern der Nachtvögel und der anderen Urwaldbewohner zu vernehmen, die zu dieser Stunde wach waren.

      Young glaubte aber doch, eine Regung bemerkt zu haben, die mit all dem nichts zu tun hatte, sondern losgelöst war von der übrigen Kulisse des Busches.

      Jäh entdeckte er, was es war, und erstarrte vor Schreck.

      Wenige Zoll vor seinen nackten Füßen wälzte es sich schwer und träge über den weichen Boden und drohte nach seinen Beinen zu greifen. Young blickte wie gebannt auf das Bild dieses riesigen, häßlichen Leibes, das sich ihm trotz der Dunkelheit in aller Deutlichkeit darbot.

      Er hatte von den gewaltigen Schlangen vernommen, die imstande sein sollten, sogar Schweine, Schafe und Ziegen zu erwürgen und zu vertilgen. In der Phantasie der Seeleute gerieten sie zu Ungeheuern, die angeblich jenen Monstren glichen, die in der Tiefsee lauern sollten. Wenn dies auch eine Übertreibung war, so hatte Young doch nie bezweifelt, daß es die übergroßen Bestien wirklich gab, die Boa oder Python genannt wurden.

      Einer solchen Riesenschlange war er jetzt begegnet, und sie wollte ihn auf leise, schleppende Art in ihre tödliche Umklammerung nehmen. Er verlieh sich einen inneren Ruck, löste sich aus seiner gelähmten Haltung und entzog sich dem Zugriff des lautlosen Feindes durch einen Sprung.

      Das kalte Entsetzen noch im Nakken, hastete er weiter. Was wäre gewesen, wenn sich die Schlange von dem Baum auf ihn herabgeringelt und seinen Hals gepackt hätte, während er eingenickt war? Dann hätte ihm auch der Säbel nichts mehr genutzt, und so träge diese Bestien auch waren, so schnell vermochten sie eine Beute durch das Zusammenziehen ihrer Ringmuskeln ins Jenseits zu befördern.

      Young fühlte, wie das Grauen ihn packte und nicht mehr losließ. Er schlug mit dem Säbel um sich, mehr, um sich abzureagieren, als um sich einen Weg zu schaffen, aber auch das nutzte nichts.

      Er hatte geglaubt, die See schnell zu erreichen, aber in diesem Punkt hatte er sich getäuscht. Nirgends schien es einen Auslaß aus dem Dschungel zu geben, die „Selvas“, wie der Spanier die Urwälder nannte schienen unendlich zu sein. Die Küste lag in ewiger Ferne, so erschien es Young in diesem Moment jedenfalls.

      Hatte er die Orientierung verloren? Lief er im Kreis?

      Er grübelte darüber herum und gelangte zu keinem Schluß. Dies steigerte seine Furcht vor dem Ungewissen und die Verzweiflung noch. Immer wieder sah er sich nach links und nach rechts um und blickte über seine Schulter zurück.

      Folgte die Riesenschlange ihm? Schlichen ihm Raubkatzen durch das Dikkicht nach, um sich den Zweibeiner zu holen, sobald er vor Erschöpfung zusammenbrach? Glotzten ihn dort nicht weißliche Augen aus der Finsternis an? War das der Orang Utan, der Waldmensch, wie die Malaien und die Ureinwohner Sumatras ihn nannten, oder der Gorilla, ein riesiger und bärenstarker Affe, der einen Mann mühelos zerquetschen konnte?

      Morgan Young stolperte über eine Wurzel und fiel der Länge nach hin – wieder in den Morast. Fast wäre er auf die Klinge des Säbels gestürzt und hätte sich dabei selbst verletzt.

      Er stöhnte in einem Anflug panischer Angst auf. Dann aber siegte die Wut über seine Schwäche, er richtete sich schnell wieder auf und lief weiter.

      Einmal glaubte er, hinter sich einen Feuerschein zu sehen, aber das rötliche Licht war bald wieder verschwunden.

      Ein Eingeborenendorf? Young hielt es für sehr unwahrscheinlich. Als die Spanier vor zwei Jahren damit begonnen hatten, die Strafkolonie Airdikit einzurichten, hatten die Athjehs oder Bataks – oder wie immer die Eingeborenen dieses Landstrichs sich nennen mochten – ihre Siedlungen in der näheren Umgebung bestimmt aufgegeben, um sich tiefer in den Dschungel zurückzuziehen. Anderenfalls hätten sie riskiert, daß die Spanier sie als Sklaven eingefangen und zur Zwangsarbeit angetrieben hätten.

      Nein, Young gab sich auch dieses Mal keinen Illusionen hin. Selbstverständlich waren das die spanischen Soldaten, die die Suche nach ihm unter Zuhilfenahme von Fackeln fortsetzten. Zwar verrieten sie dadurch ihren jeweiligen Aufenthaltsort, aber sie schützten sich gleichzeitig mit dem Feuer vor den Plagegeistern und Räubern des Urwaldes, was sie in diesem Fall gewiß als vorrangig ansahen.

      Nur er, Morgan Young, war den Tieren des Dschungels nahezu hilflos ausgeliefert.

      Er zuckte zusammen, als er ganz in seiner Nähe ein Grollen vernahm, das ihm durch Mark und Bein ging. Nie und nimmer war das ein Gewitterdonner gewesen – schlimmer, viel schlimmer war die neue Gefahr, die mit diesem furchtbaren Laut zusammenhing.

      Der Tiger ist da, dachte Young, und er fühlte, wie ihm die Angst die Kehle zuschnürte.

      Romero hatte schon mal einen Tiger gesehen und ihm davon erzählt, wie groß diese gestreiften Raubkatzen waren und wie sehr die Eingeborenen sie fürchteten. Es gab alte, verbitterte Einzelgänger unter den Tigern, die auf Menschenjagd gingen, und sie konnten mit einem einzigen Hieb ihrer Tatze ihr Opfer zerfetzen.

      Young erklomm einen Baum, ehe das unheimliche Grollen zum zweitenmal ertönte. Er kletterte so hoch wie irgend möglich in die Krone hinauf, die vom Sturmwind hin und her bewegt wurde, und suchte sich eine Astgabel, in die er sich kauern konnte.

      Hier hockte er schließlich, hielt nach Schlangen Ausschau und schickte auch immer wieder Blicke in die Tiefe, um nach dem Tiger zu spähen, der ihn verfolgte.

      In dieser Lage konnte er sich selbst riechen. Ja, er stank erbärmlich nach Schweiß, fauligem Schlamm und Angst, und er fühlte sich so sehr erniedrigt wie nie zuvor in seinem Leben.

      Vielleicht war der Tiger schon unter ihm? Er konnte es nicht sehen. Er konnte nur ahnen, was unten, auf dem Boden des Urwaldes, geschah, und die Phantasie ließ vor seinem geistigen Auge die schrecklichsten Szenen ablaufen.

      Er beschloß, den Rest der Nacht auf dem Baum zu verbringen. Beim Anbruch des neuen Tages würde ihm die Orientierung leichter fallen, vielleicht konnte er dann von seinem luftigen Versteck aus sogar das Meer erkennen.

      Und wenn du auch verrecken mußt, dachte er, die See willst du vorher wenigstens noch einmal anschauen.

      5.

      Im Morgengrauen des neuen Tages waren auf der „Isabella“ immer noch die Manntaue gespannt und die Luken und Niedergänge verschalkt, denn der Seegang hatte nicht abgenommen, und der Sturmwind pfiff nach wie vor bedrohlich genug aus Südsüdwest heran.

      Pete Ballie, der zur Morgenwache wieder das Ruderrad übernommen hatte, warf vom Ruderhaus aus argwöhnische Blicke zum Himmel hinauf. Schwarz und schmutziggrau ballten sich dort die Wolken. Sie schoben sich in- und übereinander und schienen sich heftig aneinander zu reiben.

      Diese Reibung rief nach Old O’Flynns Behauptung den Gewitterdonner hervor, aber nicht alle Männer an Bord waren auch wirklich davon überzeugt, daß es so war. Old Donegal Daniel O’Flynn war zwar ein alter Geisterseher und Gespensterbeschwörer, der nach seinen eigenen Darstellungen richtige „Gesichter“ hatte, aber ein Gelehrter war er nicht.

      Pete richtete seinen Blick nach Backbord und sah durch das linke Fenster des Ruderhauses, daß der Himmel im Süden eine Färbung angenommen hatte, die eine Mischung aus Giftgelb, Dunkelrot und Violett zu sein schien. Egal, wie der Donner entsteht, dachte er, da braut sich auf jeden Fall immer noch höllisch was zusammen, und wir tun gut daran, wenn wir sehr vorsichtig sind.

      Er wandte sein Gesicht wieder nach vorn und sah jetzt den Seewolf, der mit einer zusammengerollten Karte unter dem Arm über das Achterdeck balancierte. Mit einer Hand hielt er sich am Manntau


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