Seewölfe Paket 11. Roy Palmer

Seewölfe Paket 11 - Roy Palmer


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Drei von ihnen waren Eingeborene, einer ein Weißer.

      Einer nach dem anderen landete sicher auf dem weichen, morastigen Boden jenseits der Palisadenwand. Dan, der Profos und Big Old Shane sicherten jetzt mit ihren Waffen nach allen Seiten, aber vorläufig tauchte keiner der Gegner auf.

      Die Nordseite der Palisadenwand war vom Lagerplatz aus nicht zu überblicken. Die Spanier mußten erst ganz um das Lager herumlaufen, um sehen zu können, was sich an dieser Stelle abspielte, aber im Moment schien sich alles auf die Vorgänge bei den Hütten zu konzentrieren. Deshalb blieb der zwölfköpfige Trupp unbehelligt.

      „Wir können uns ins Dickicht schlagen und ein Stück durch den Busch bis zu der Anhöhe laufen, auf der das Kastell steht“, schlug Jonny vor. „Ich kenne den Weg und weiß auch, wie wir am günstigsten in den Bau geraten, um ihn zu vereinnahmen.“

      „Dann übernimm du jetzt die Führung“, zischte der Profos ihm zu. „Los, Mann, jeder Augenblick ist kostbar.“

      Sie verschwanden in dem dichten, verfilzt und undurchdringlich wirkenden Gesträuch, das Feuchtigkeit und Hitze ausatmete.

      Dichter ballten sich jetzt die Gewitterwolken über Airdikit zusammen, und es wurde immer dunkler, obwohl es auf die Mittagsstunde zuging. Die Schwüle war unerträglich und ließ jede Bewegung zur Last werden. Auch der Wind brachte keine Abkühlung. Nahe der Küste zuckte ein weit verästelter Blitz auf die See nieder, kurz darauf war ein drohendes Grollen zu vernehmen, das wie Kanonendonner heranrollte und verkündete, daß das schwere Wetter im Begriff war, sich direkt über Airdikit auszutoben.

      2.

      Der Sturmwind blies aus Richtung Südsüdwest gegen die Südküste von Sumatra und peitschte die Wasser der gesamten Mentawaistraße auf. In ihrem nördlichen Bereich, unweit der Insel Nias und keine fünfzig Seemeilen mehr vom Äquator entfernt, segelte zu dieser Stunde ein dreimastiges Schiff, nach dem die urwüchsigen Kräfte der Natur jetzt wie mit Teufelsklauen zu greifen schienen.

      Das Schiff trug den Namen „Malipur“, aber der Schriftzug war weder an den beiden Seiten des Bugs noch am Heck klar zu erkennen. Längst hatten ihn die Fluten der See so weit verwaschen, daß die Galeone jedem fremden Beobachter gegenüber namenlos war.

      Die Schäden an Rumpf, Schanzkleid und Aufbauten, die das Schiff bei früheren Überfahrten davongetragen hatte, waren nur flüchtig und unzureichend ausgebessert worden. Kaum besser war es um die Segel bestellt, die an vielen Stellen mit groben Flicken versehen waren. Hier und da hätte es einiger größerer Stücke Segeltuch bedurft, um die Löcher zu verdecken, die im Groß-, Großmars- und Vormarssegel, in der Fock, in der Blinde und im Besan klafften, aber der Kapitän unterließ dies absichtlich, weil er jetzt alle Decksleute brauchte, um die Galeone am Wind zu halten.

      Die „Malipur“ war völlig unterbemannt.

      Sie hatte nur eine vierzehnköpfige Besatzung, hätte aber mindestens die doppelte Zahl an Seeleuten gebraucht, zumal es bei der heillosen Unordnung, die im laufenden und stehenden Gut herrschte, vieler Hände und einer Menge guten Willens bedurft hätte, um alles wieder einigermaßen aufzuklaren.

      Nun wäre es allerdings keine Schwierigkeit gewesen, in der Gegend, aus der die „Malipur“ gerade kam, noch mehr Männer für den harten Decksdienst anzuheuern. Der Grund, warum es der Galeone an Besatzung mangelte, lag woanders. Wer immer auch mit dem Anliegen an Kapitän René Joslin herangetreten wäre, die Mannschaft zu vergrößern, der wäre auf energischen Widerstand gestoßen.

      Mit Händen und Füßen sträubte sich Joslin dagegen, mehr für dieses Schiff und seine Besatzung auszugeben, als eben notwendig war. Mehr Leute, das hätte selbstverständlich mehr Kosten bedeutet. Joslin war ein hartnäckiger, engstirniger Pfennigfuchser, der auch die kleinste Kupfer- oder Messingmünze noch zweimal umdrehte, bevor er sie ausgab.

      Ihm war nur eins wichtig: die Ladung sicher und pünktlich im Bestimmungshafen abzuliefern.

      Die Ladung bestand aus Seide und anderem Tuchwerk, aus kunstvoll genähten und bestickten Gewändern und einigen Gewürzsorten, wie es sie nur in der Region des unteren Ganges und seiner weitverzweigten Mündung zu kaufen gab. Lange hatte Joslin mit den indischen Händlern in den Dörfern am Golf von Bengalen herumgefeilscht, ehe er seine Fracht zusammengestellt hatte. Er hatte die Preise soweit wie möglich heruntergedrückt. In dieser besonderen Kunst verstand er, der geborene Franzose, sich als ausgesprochener Meister. Er war mindestens genauso redegewandt und wußte so gut zu gestikulieren und zu klagen wie die Eingeborenen selbst.

      In Manila, der Hauptstadt der Philippinen, würde er alle diese Ware mit erheblichem Gewinn an den Mann bringen, das wußte er. Aber er durfte für die Reise nicht mehr Zeit als einen Monat verwenden. Zwar hatte er sämtliche Waren mit Persenning wasserdicht verpackt – und in diesem Punkt hatte er nicht mit Material gespart –, aber ihm war von Beginn an klar, daß das mörderisch feuchte Tropenklima Tücher, Kleider und Gewürze innerhalb einer Zeitspanne, die über dreißig Tage hinausging, erbarmungslos zersetzen würde. Die alles andere als erstklassigen Stoffe würden schimmlig werden und ihre Farbe verlieren, die Gewürze würden ungenießbar und zur Brutstätte winzigen Getiers, wenn er nicht aufpaßte.

      Ehe dieser Verfallprozeß begann, mußte er Manila erreicht und sämtliches Frachtgut auf dem Markt veräußert haben – selbstverständlich als Handelsware erster Güteklasse, wobei es ihm nicht das geringste ausmachte, die spanischen und portugiesischen Senores und ihre schmuckbehängten Frauen nach Strich und Faden übers Ohr zu hauen.

      Als Reiseroute hatte er die Mentawaistraße ausgewählt, obwohl es eigentlich günstiger für ihn gewesen wäre, durch die nördlich von Sumatra liegende Malakkastraße zu segeln. Joslin kannte zwischen Indien und den Gewürzinseln alle Schleichwege und verkündete gern mit Stolz, daß er bislang noch nie irgendwelchen Piraten oder Strandräubern in die Hände gefallen war. Er mied diese „zweibeinigen Haie“ – so nannte er sie –, wo er konnte, und da es zur Zeit in der Straße von Malakka von malaiischen und auch weißen Freibeutern geradezu wimmelte, nahm er lieber den kleinen Umweg in Kauf, statt Ladung und Leben zu riskieren.

      Die „Malipur“ segelte mit Steuerbordhalsen und über Backbordbug liegend hart am Wind. Joslin, der selbst am Kolderstock stand, hatte sich an der Nagelbank des Achterdecks festgeleint und vollbrachte eine nahezu akrobatische Leistung, indem er eisern den Kurs seines Schiffes hielt und immer wieder dem Druck der überkommenden Seen standhielt, die ihn von seinem Platz wegfegen und gegen das Schanzkleid schmettern wollten.

      Weit krängte die Galeone nach Backbord, so tief, daß ihr Kuhlschanzkleid immer wieder unterschnitt. Sie rollte so heftig und aufsässig in den Fluten, daß sie Joslin und seinen Leuten wie ein bockendes Roß erschien. Es knackte und knirschte in den Verbänden, der Wind heulte in den Wanten und Pardunen, als wollte er die Masten knikken, und das Brausen des Wassers war so stark, daß es jeden über Deck schallenden Ruf übertönte.

      Schiff und Mannschaft lagen schon jetzt, vor dem eigentlichen Ausbruch des Wetters, im Kampf mit den Naturgewalten. Joslin blickte durch Wolken von Gischt zu seinen fluchenden Männern hinüber, die sich an den quer über die Decks gespannten Manntauen festgebunden hatten. Er wußte, was sie dachten. Sie schickten ihn und die Ladung zum Teufel und sehnten eine geschützte Bucht herbei, in die sie verholen konnten.

      Aber Joslin war unerbittlich. Er wollte keine Zeit verlieren. Der Sturm konnte Tage andauern, man konnte gerade in diesen Breiten kaum berechnen, wann er wieder aufhörte. Lag er, Joslin, mit seiner Galeone aber erst einmal in einer Bucht fest, so kam er nicht wieder hinaus, ehe Wind und Seegang es zuließen.

      Nein, lieber wetterte er diesen Sturm ab.

      Er war wieder einmal froh, keine Offiziere zu haben. Die Schiffsführung identifizierte sich einzig und allein mit seiner Person. Außer ihm gab es nur das gemeine Schiffsvolk von vierzehn Mann, das jeden Befehl widerspruchslos auszuführen hatte, weil er sonst hart durchgriff.

      Joslin hatte schon auf hoher See aufmuckende Männer erschossen, um ein Exempel zu statuieren. Wenn es nach Meuterei roch, kannte er keine Rücksicht. Nur zu genau wußte er, was


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