Seewölfe Paket 11. Roy Palmer

Seewölfe Paket 11 - Roy Palmer


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hatten den Kapitän und die Offiziere umgebracht, sich später über den Zeitraum von etwas mehr als einem Jahr der Piraterie verschrieben und in den indischen Küstengewässern und rund um Ceylon herum fremde Schiffe überfallen. Sie hatten geplündert und gebrandschatzt, aber viel eingebracht hatte es ihnen nicht. So hatte Joslin sich schließlich von den alten Kumpanen getrennt – in gütigem Einvernehmen, wie das seine Art war, wenn es die eigene Haut ungeschoren zu lassen galt.

      Joslin hatte sich monatelang an den Küsten herumgetrieben, bis er im Mündungsdelta des Ganges schließlich auf die gestrandete Galeone gestoßen war. Ein Sturm hatte sie auf eine Sandbank geworfen, die Besatzung war ertrunken oder von herabstürzenden Rahen erschlagen worden.

      Es hatte sich um ein spanisches Schiff gehandelt, aber Joslin hatte den alten Namen rasch von den Bordwänden geschabt und eine Neutaufe auf den Namen „Malipur“ vorgenommen.

      Es war ihm gelungen, ein paar Inder, Bengalen und weiße Männer um sich zu sammeln, die ihm dabei geholfen hatten, die dreimastige Galeone wieder flottzukriegen und notdürftig instand zu setzen. Die meisten dieser Männer hatte er als Besatzung zu sich an Bord genommen. Dann hatte er mit seinem einzigartigen Handel begonnen und als erstes das gesamte Ganges-Delta und die Sunderbunds befahren.

      Joslins Wesen war eine seltsame Mischung aus geiziger Krämerseele und genialem Geschäftsgeist. Aus diesem Gemüt und dem Gespür für „todsichere Sachen“ wußte er Kapital zu schlagen. Er reiste auf eigene Rechnung und Gefahr, kaufte seine Frachtpartien immer selbst ein und verkaufte sie dort, wo er es für richtig hielt. Verluste hatte er bei dieser Art von Kauffahrtei bislang nicht erlitten. Immerhin betrieb er das selbsterdachte Metier nun schon seit drei Jahren.

      Schiffsoffiziere hätten ihm gewiß den Rang abgelaufen und getrachtet, ihn früher oder später zu übervorteilen. Deswegen verzichtete er auf sie. In einem Fall wie diesem hätten sie auch versucht, ihn davon zu überzeugen, daß es besser sei, eine Bucht anzusteuern. Sie hätten darauf bestanden, daß er es tat, weil die „Malipur“ in ihrem jammervollen Zustand einen Sturm nicht überdauern konnte.

      René Joslin haßte Männer, die ihm in den Kram hineinzureden versuchten.

      Er hätte auch jeden Kerl seiner Mannschaft schwer bestraft, der es gewagt hätte, die „Malipur“ einen „vergammelten Kahn“ oder gar „Seelenverkäufer“ zu nennen.

      Wenn man ihm vorwerfen wollte, er setze das Leben seiner Männer leichtfertig aufs Spiel, so gab es dem doch immer eins entgegenzuhalten: Er selbst ging seiner Besatzung mit gutem Beispiel voran und riskierte Kopf und Kragen, um die Fracht ohne Aufenthalt an ihren Bestimmungsort zu bringen.

      In der Pause, die zwischen dem Rauschen zweier anrollender Brecher entstand, konnte Joslin einen seiner Männer rufen hören: „Der Sturm wirft uns noch auf Legerwall!“

      „Oder wir laufen auf ein Riff!“ schrie ein zweiter.

      Beide standen nicht weit von ihm entfernt auf dem nassen, glitschigen Deck und hantierten an der Besanschot, mit der sie die Stellung des achteren Segels erneut korrigiert hatten.

      „Ihr Narren!“ brüllte Joslin ihnen zu. „Ihr Dreckskerle, ihr dämlichen Hornochsen, ihr Angsthasen! Nichts von dem, was ihr euch ausmalt, wird geschehen!“

      „Ihr Wort in Gottes Ohr, Monsieur!“ rief der erste Sprecher.

      „Die Straße ist durch die Mentawai-Inseln gegen das schlimmste Sturmwüten abgesichert!“ brüllte der Franzose. „Uns kann gar nichts passieren!“

      Die beiden schwiegen und versuchten, das Ende der Schot um einen Koffeynagel zu belegen. Der nächste Brecher donnerte von Steuerbord heran, sprang an der Bordwand der Galeone hoch und übergoß die Decks mit seinen Wassermassen. Joslin sah die Gestalten der beiden in dem Schwall untergehen, und unwillkürlich dachte er daran, was geschehen würde, wenn sich ihre Laufleinen von den Manntauen lösten.

      Er duckte sich unter der Gewalt der orgelnden Sturmsee, preßte die Lippen zusammen, biß die Zähne fest aufeinander und hielt sich mit beiden Händen am Kolderstock fest. Als das Wasser durch die Speigatten der Backbordseite ablief, richtete er sich wieder auf.

      Er atmete auf, als er die beiden Decksleute nach wie vor auf ihrem Platz an der Nagelbank des Achterdecks stehen sah.

      Der Sturm nahm zu.

      Immer gewaltiger kochte und toste die See, ihre schwärzlichen Wogen bäumten sich höher auf.

      Joslin erkannte eine Gestalt, die unter erheblichen Schwierigkeiten den Backbordniedergang zum Achterdeck enterte und auf ihn zusteuerte. Es war Ranon, der Inder, einer seiner besten Männer, der zu der Stammbesatzung der „Malipur“ zählte und Joslins größtes Vertrauen genoß.

      Mit ihm waren von dieser ursprünglichen Besatzung nur noch zwei Männer übriggeblieben, alle anderen hatten Joslin schon in den ersten Wochen nach dem Fund der Galeone wieder verlassen. Immer wieder hatte er neue Leute anheuern müssen, und bei jeder Fahrt hatte die „Malipur“ eine andere Mannschaft. Zum Teil waren es zwielichtige Gestalten, die unter seinem Kommando mitsegelten. Er hatte auf diese Kerle stets ein waches Auge.

      Ranon sprach erst, als er dicht vor seinem Kapitän stand.

      „Monsieur!“ rief er. „Ich war gerade in den Frachträumen!“

      „Und? Ist die Ladung noch ordnungsgemäß gestaut und festgezurrt?“

      „Das ja, Monsieur, aber …“

      „Warum, zum Teufel, machst du dann so ein entsetztes Gesicht?“

      „Mon capitaine, das Wasser steht schon knöcheltief in den Laderäumen!“

      „Herrgott, ich weiß auch, daß der Kahn Wasser zieht!“ brüllte Rene Joslin, während sich ein neuer Brecher auf die Galeone zuwälzte. „Nimm dir zwei Männer, mehr können wir hier oben nicht entbehren! Stellt euch an die Lenzpumpen und pumpt, so fix ihr könnt!“

      Ranon klammerte sich an einem Manntau fest. Sein dunkles Gesicht war verzerrt. „Jawohl, Monsieur, aber bedenken Sie, daß wir einige Lecks haben, die …“

      „… die ihr mit Segeltuch, Tauwerk und Kabelgarn stopfen könnt!“ fuhr der Franzose ihn an. „Du Narr, das sollte dir doch in Fleisch und Blut übergegangen sein!“

      „Die Lecks werden immer größer!“

      „Du wirst es schaffen, Ranon! Ich zahle dir und den beiden anderen eine gute Prämie, verdammt noch mal!“ Dies ging ihm nur schwer über die Lippen, aber schließlich waren es immer wieder die zusätzlichen Prämien gewesen, mit denen er Männer wie Ranon bei der Stange hatte halten können.

      „Jawohl!“ rief der Inder noch, dann gossen sich die Fluten erneut über den Decks aus, und jedes weitere Wort wurde in ihrem Rauschen erstickt. Ranon glitt auf den Planken aus, stürzte der Länge nach hin, ließ sein Tau aber nicht los. Er ließ das Salzwasser über sich hinwegschießen und dachte daran, daß keine Geldprämie der Welt ihnen helfen würde, wenn die Lecks im Rumpf der „Malipur“ noch weiter aufbrachen. Gegen die Wassermassen, die dann zuerst in die Laderäume eindrangen und schnell immer höher stiegen, konnte auch die komplette Mannschaft mit den Lenzpumpen nicht ankämpfen.

      Ranon fühlte Verzweiflung in sich aufsteigen.

      Der Seewolf gab sich einen inneren Ruck und trat auf Blacky und Ferris Tukker zu. Mochte Don Felix Maria Samaniego mit dem Degen auf ihn zuspringen, um ihn zu stoppen, mochte er sich so wild gebärden, wie er wollte, er konnte ihn jetzt nur aufhalten, wenn er seinen Männern den Befehl zum Feuern gab.

      „Stehenbleiben!“ schrie der Lagerkommandant. „Keinen Schritt weiter, Killigrew!“

      Hasard beachtete ihn nicht. Er war bei Blacky angelangt, kniete sich hin und beugte sich über ihn, um an seiner Brust zu horchen.

      „Sir“, sagte Ferris mit stockender Stimme. „Ich weiß ganz genau, was du denkst. Aber du irrst dich, glaub es mir. Blacky – ist so schnell nicht kleinzukriegen. Dem muß man – ein viel dickeres Ding verpassen, um ihn ganz


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