Seewölfe Paket 11. Roy Palmer

Seewölfe Paket 11 - Roy Palmer


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war jetzt voll bewußt geworden, in welch mörderische Gefahr sie sich dieses Mal begeben hatten.

      Dennoch brüllte Joslin: „Das glaube ich dir auch so! Hol dir Dobro, den Malaien, und noch einen anderen Mann! Nimm sie mit nach unten! Zu fünft müßt ihr mit dem Wasser fertigwerden!“

      „Unmöglich, Monsieur!“

      „Das ist ein Befehl, Ranon!“ schrie der Franzose, und seine Stimme überschlug sich dabei. „Ich peitsche dich aus, wenn du meinen Befehl nicht befolgst!“

      „Wir müssen eine Bucht anlaufen …“

      „Nein!“

      „… solange wir es noch können!“ rief der Inder verzweifelt.

      „Niemals!“ brüllte Joslin ihn an. „Ich bin der Kapitän, ich bestimme, was zu tun ist!“

      Aber vielleicht nicht mehr lange, dachte Ranon, dann drehte er sich um und hastete durch Wolken von Gischt zum Niedergang zurück. Diesmal ergeht es uns allen dreckig, sagte er sich, und du säufst mit uns ab, du Narr.

      5.

      Hasards letzte Worte waren scheinbar ungehört verklungen. In der Sturmbö, die jetzt wild über den Platz zwischen den Hütten und dem Hafen von Airdikit fegte, wandte Don Felix Maria Samaniego den Blick zur Palisadenwand – und plötzlich schien ihm die Erleuchtung zu kommen.

      „Das Palisadenlager!“ rief er seinen Soldaten zu. „Die drei Kerle sind in die Umzäunung eingebrochen und versuchen, die Gefangenen herauszuholen! Seht doch, sie haben den Wachtposten niedergestreckt!“

      „Warum hat das keiner bemerkt?“ schrie ein Offizier.

      „Ich weiß es nicht, Senor“, antwortete ihm einer der jüngeren Unteroffiziere, ein Sargento.

      „Egal!“ schrie Don Felix. „Zwanzig Mann sofort zum Tor des Lagers! Das Tor vorsichtig öffnen und ein paar Warnschüsse abgeben! Wenn die Kerle dann noch nicht aufgeben, greife ich hart durch!“

      Die Soldaten stürmten unter der Führung des jungen Sargentos los.

      Don Felix richtete seine Pistole, die er inzwischen nachgeladen hatte, auf den Seewolf.

      „Killigrew“, sagte er. „Sie begleiten mich. Wir treten vor das offene Tor hin, und dann rufen Sie Ihrem Trio von Schwachsinnigen noch einmal zu, was sie zu tun haben. Eins versichere ich Ihnen schon jetzt: Sie sind meine Geisel, und ich werde Sie als solche rücksichtslos benutzen, falls diese Hunde nicht die Waffen strekken.“

      „Wollen Sie mich töten?“

      „Ich werde Ihnen vielleicht nur ins Bein schießen.“

      „Das ist mehr als unfair.“

      „Sie sprechen von Fairneß?“ Mit einer heftigen Geste wies der Kommandant auf seine toten Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten. „Das ist doch wohl ein Hohn! Sind dies hier vielleicht die Auswirkungen Ihrer legendären Ritterlichkeit, Corsario?“

      „Ich habe versucht, meine Landsleute zu befreien. Sie haben kein Recht, sie hier festzuhalten und zur Zwangsarbeit zu vergewaltigen.“

      Samaniego lachte laut auf. „Bestimmen Sie, was Recht und Unrecht ist? Wer sind Sie eigentlich, daß Sie …“

      Weiter gelangte er nicht.

      Ein Blitz stach vom schwarz und schmutziggelb gefärbten Himmel genau in die Bucht hinunter. Er zerriß die Dunkelheit mit seinem grellen Licht und ließ die Spanier unwillkürlich zusammenzucken. Donner dröhnte in dem Moment auf, in dem er sich ins Wasser entlud, unsichtbare Giganten schienen über die Lichtung zu stürmen und alles niederzureißen.

      Die Soldaten, die jetzt das Tor des Palisadenzauns geöffnet hatten, waren für einen Augenblick irritiert. Sie wandten die Köpfe und blickten zu ihrem Kommandanten, weil sie das Krachen des Gewitterdonners mit dem Grollen eines Kanonenschusses verwechselten.

      Und da geschah es.

      Eine Meute von Männern stürmte aus dem Inneren des Palisadenlagers, allen voran Leusen, der Holländer, der die Führung der befreiten Sträflinge übernommen hatte.

      Mit Leusen waren es dreizehn Männer – Holländer, Franzosen, Spanier und Portugiesen –, die ihre Ketten hatten lösen können. Die ganze Gruppe sprang als kompakte Einheit mitten zwischen den Zug Soldaten. Sie hieben mit ihren Fäusten zu und traten mit ihren Füßen aus, entwanden einigen völlig verdatterten Spaniern die Musketen und Tromblons und schossen auf die etwas weiter entfernt stehenden Soldaten, die jetzt ihrerseits mit den Feuerwaffen auf sie anlegten.

      Wieder donnerte es, aber diesmal war es nicht das Gewitter, das seinen Zorn auf Airdikit niederschickte, sondern eins der Festungsgeschütze, das gesprochen hatte.

      Hasard sah den Feuerblitz zwischen den Zinnen des Söllers und beobachtete auch, wie eine dicke schwarze Rauchwolke gen Himmel stieg.

      Jetzt wußte er, daß Carberry, Shane, Dan und vielleicht auch ein paar Männer aus dem Palisadenlager in dem Kastell angelangt waren.

      Don Felix war erschüttert und schien in diesem Moment nicht zu wissen, wohin er zuerst blicken sollte – zu seinen vor dem Palisadenzaun kämpfenden Männern oder zum Kastell, das ganz offensichtlich von den Feinden erobert worden war.

      Der Seewolf warf sich auf ihn.

      Wie auf einen Befehl hin handelten auch Smoky und Luke Morgan. Sie duckten sich, fuhren herum und rammten den Soldaten, die sie bewachten, die Ellenbogen in die Leiber. Die Überraschung der Spanier, die sich schon als Sieger gefühlt hatten, war ihr großer Trumpf.

      Smoky schlug den direkt hinter ihm stehenden Soldaten nieder und riß dessen Muskete an sich.

      Luke Morgan beförderte einen Spanier zu Boden, stürzte sich auf ihn und rammte ihm die rechte Faust unter die Kinnlade. Der Mann sank schlaff zusammen. Luke hob dessen Blunderbüchse auf, spannte deren Hahn und drückte auf zwei Soldaten ab, die sich auf den blutenden Ferris Tucker zubewegten.

      Dann schoß auch Smoky.

      Hasard hatte Don Felix’ Handgelenk gepackt und drückte dessen Waffenarm nach oben, während sie beide zu Böden gingen. Samaniego konnte zwar den Pistolenabzug bedienen, aber der Schuß stob wirkungslos in den Himmel. Hasard drehte ihm den Arm halb um, als der Kommandant versuchte, ihm den hölzernen Knauf der Pistole auf den Hinterkopf zu schlagen.

      Samaniego mußte die Waffe loslassen. Sie fiel zu Boden. Aber noch gab der. Kommandant nicht auf. In wütendem Kampf wälzte er sich mit dem Seewolf auf dem Boden.

      Wieder donnerte einer der schweren Siebzehnpfünder auf dem Söller des Kastells und entließ seine Ladung mit Feuer und Rauch. Die Kugel heulte über den Platz und landete im Hafenwasser, nicht weit von der Stelle entfernt, an der auch die erste eingeschlagen war. Es war der Umsicht des Profos zu verdanken, daß beide Geschosse nicht die „San Rosario“ trafen, die immer noch wild an ihrer Ankertrosse schwoite.

      Carberry hatte zuerst seinen Augen nicht trauen wollen, als er gesehen hatte, welche Entwicklung die Dinge unten auf der Lichtung genommen hatten. Jetzt aber zündete er auch noch eine dritte Kanone – mehr wegen des Effekts als wegen der eigentlichen Wirkung –, verpaßte Trench einen begeisterten Hieb gegen die Schulter, daß dieser fast vom Söller kippte, und rannte zur Treppe, die auf den Hof der Festung hinunterführte.

      Trench und Bonart sahen des Profos’ wuchtige Gestalt verschwinden und hörten seine Schritte die steinernen Stufen hinuntertrappeln. Sie tauschten einen Blick, nickten sich kurz zu und schlossen sich dem Narbenmann an.

      Sie hasteten die Stufen so schnell hinunter wie er und befanden sich im nächsten Augenblick wieder neben ihm. Carberry war bei dem überwältigten Wachtposten stehengeblieben, der nicht weit vom Tor der Festung entfernt lag, und bückte sich nach dessen Waffen.

      Shane, Dan, Jonny und die anderen Männer hatten nur die Muskete, die Pistole und den Degen des einen Spaniers mit in den Kerker hinuntergenommen.


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