Seewölfe Paket 9. Roy Palmer

Seewölfe Paket 9 - Roy Palmer


Скачать книгу
diesem Zeitpunkt segelte die „Isabella“ bereits über Steuerbordbug auf die Passage am Nordufer der Insel zu und traf Anstalten, abzufallen und in den natürlichen Kanal einzulaufen.

      Auf dem steilen Pfad, der in das Lager der Piraten führte, mußte Florinda vor Corona herlaufen. Ein paarmal strauchelte sie und drohte abzustürzen, aber er hielt sie jedesmal mit seinen großen Händen an den Hüften fest und lachte.

      „Wenn ich nur die Zeit dazu hätte, wüßte ich, was ich mit dir tun würde“, sagte er. „Aber leider ist jede Minute kostbar, und ich will es mit Barbante nicht verderben. Hinterher haben wir ja um so mehr Muße, uns nach Herzenslust mit dir zu befassen.“

      „Ihr besiegt die ‚Gran Duque‘ nicht“, gab sie verzweifelt zurück. „Niemals.“

      „Das hättest du wohl gern so, wie?“ Er lachte leise. „Aber dein frommer Wunsch wird nicht in Erfüllung gehen. Wir haben das Überraschungsmoment auf unserer Seite. Außerdem haben wir mehr Kampferfahrung als dein Kapitän Don José Manuel Ramos und sein törichter Haufen. Wir kriegen sein Schiff, verlaß dich drauf.“

      Sie erwiderte nichts mehr darauf. Am liebsten hätte sie sich den Abhang hinuntergestürzt, weil sie mit die Schuld daran trug, wenn die Männer des Kauffahrteischiffes niedergemetzelt wurden. Was aber das Schlimmste war – sie war inzwischen fast sicher, daß Andrés die Flucht vom Schiff nicht gelungen war. So würde auch er sterben müssen.

      Freitod, dachte sie, ein Augenblick nur, und es ist alles aus und vorbei. Aber wie?

      Corona, der dicht hinter ihr schritt, war auf der Hut. Sobald sie auch nur den Versuch eines Ausbruchs oder Selbstmordplans unternahm, packte er sie wieder und ließ sie nicht mehr los. Selbst wenn es ihr gelang, sich den Abhang hinunterzustürzen – da waren die Bäume und Büsche, die ihren Sturz bremsten. Sie würde sich ein paar Knochen brechen, mehr nicht.

      Sie war dazu verdammt, auch die letzte Phase ihres gräßlichen Abenteuers voll durchzustehen. Für sie gab es kein Erbarmen. Sie glaubte jetzt wirklich daran, daß es der Fluch des Himmels war, der sie getroffen hatte, weil sie von zu Hause fortgelaufen war.

      Der Pfad führte auf ein bewaldetes Plateau, aber hier war der Weg der fünf Piraten noch nicht ganz zu Ende. Corona stieß Florinda weiter voran, und sie sah zu ihrem Erstaunen, daß sich ein mit viel Akribie angelegter und offenbar dauernd vorm Zuwuchern bewahrter Pfad durch den Wald schlängelte. Schirmpinien, Zedern und Föhren sah Florinda beim Weiterstolpern, hier und da aber auch Laubbäume.

      Der Wald wurde hin und wieder von Lichtungen unterbrochen. Auf der ersten stand eine der fünf Serpentinen. Ihr Lauf war gesenkt, die Mündung schien über die Abbruchkante des Plateaus hinweg auf die tropfenförmige Bucht zu blicken.

      Die dritte Lichtung, größer als die erste und zweite, war von acht Holzhäusern bestanden. Diese Häuser waren langgestreckt und wirkten wegen ihrer Gras- und Schilfmattendächer geduckt, als ob sie sich vor etwas schützen oder verstecken mußten.

      Es bedurfte keines Scharfsinns zu der Annahme, daß die Piraten diese Bauten errichtet hatten. Vielleicht sah es im Inneren der Häuser sogar recht gemütlich aus, aber Florinda empfand nur Abscheu für alles, was mit Barbante und seiner Bande zusammenhing. Sie fühlte den Hauch des Schreckens, der auch von diesen Behausungen ausging. Die Aura des Todes schien diesem Lager anzuhaften.

      Zwei Gestalten schlenderten von dem größten Haus auf die Ankömmlinge zu. Sie stellten die Wache dar, die Barbante im Lager zurückgelassen hatte. Beide Kerle hatten nur Augen für die dürftig bekleidete Florinda.

      Der eine sagte: „Na bitte, da habt ihr sie also wirklich gefangen. Die Jagd hat sich gelohnt, wie’s scheint, oder? Nun, Querida, wie fühlst du dich denn so in unserer Gesellschaft?“

      „Hör auf“, entgegnete Corona. „Wir haben keine Zeit, lange herumzupalavern. Sag mir lieber, wo Pablo, dieser Nichtsnutz und Himmelhund, steckt.“

      „Unten natürlich, wie Barbante es befohlen hat. Habt ihr ihn nicht getroffen?“

      „Nein.“

      „Das ist aber merkwürdig.“

      „Sollte der Kerl sich einfach irgendwohin verkrümelt haben, um ein Nikkerchen zu halten?“ sagte Corona argwöhnisch.

      „Nein“, erwiderte der zweite Posten des Lagers. „Unmöglich. Dazu ist Pablo nicht der Typ. Wirklich nicht. Da ist was faul …“

      Florinda Martinez Barrero entdeckte als erste die Gestalten, die zwischen die Holzhäuser schlichen und, jede Deckungsmöglichkeit ausnutzend, auf die Gruppe der Piraten zusteuerten. Sie hüteten sich, ihre Beobachtung auch nur durch eine Miene zu verraten. Noch nahm sie an, daß es sich bei den Heranpirschenden um Männer der „Gran Duque de Almeria“ handelte – was sich in den nächsten Sekunden jedoch als Irrtum herausstellen sollte.

      Plötzlich stürmten die Männer einfach los. Sie verließen den Schutz der Hütten und stürzten sich auf die spanischen Piraten. Corona und seine Kumpane hatten gerade noch die Gelegenheit, herumzufahren und nach den Schußwaffen zu greifen, dann waren die Fremden auch schon heran und hieben und traten ihnen die Musketen, Tromblons, Arkebusen und Pistolen aus den Händen.

      9.

      Hasard und seine Männer hatten sich am Rand der Lichtung entlanggestohlen, einen Bogen geschlagen und waren in das Lager der Freibeuter eingedrungen. Dies war die einzige Möglichkeit, sich den Kerlen zu nähern und sie zu überrumpeln. Es war jetzt wirklich höchste Zeit geworden zu handeln, denn die Burschen wurden wegen des Verschwindens ihres Kumpans Pablo stutzig. Deswegen fackelte der Seewolf keinen Augenblick mehr.

      Er lief seinen Männern voran auf die Piraten zu und griff sich sofort Corona, den großen Kerl mit dem breitkrempigen Hut, heraus. Es galt auch hier, sich nicht lange herumzuschlagen, sondern rasch Nägel mit Köpfen zu machen. Deshalb trat Hasard mit dem rechten Fuß zu und knallte seine Stulpenstiefel gegen den Schaft des Tromblons, das Corona im Herumschwingen auf ihn richtete.

      In dem Tritt steckte genügend Wucht, Corona konnte das Tromblon nicht halten. Er verlor es aus den Fäusten und begann zu fluchen. Hasard sprang vor und schoß die Faust auf seine Schläfe ab, traf aber nicht voll, weil der Kerl gedankenschnell auswich.

      Corona strauchelte und stürzte zwar, blieb aber bei Bewußtsein. Leicht benommen griff er nach seinem Entermesser, riß es aus dem Waffengurt und rappelte sich wieder auf, um damit gegen den Seewolf vorzudringen.

      Hasard hatte inzwischen Florinda beim Arm gepackt und in Richtung auf die Hütten zu befördert. Er ging dabei zwar nicht besonders sanft mit ihr um, aber er brachte sie durch seinen flinken Einsatz aus der Gefahrenzone – und allein das zählte.

      Shane, Ferris, Dan, Smoky und die anderen balgten sich mit den anderen sechs Piraten herum. Zahlenmäßig waren sie in der Übermacht, daher schafften sie es auch, den Kerlen gleich die Schußwaffen aus den Händen zu reißen und zuzuschlagen. Somit konnten Barbantes Männer weder auf die Angreifer feuern noch ihrem Anführer durch einen Schuß in die Luft ein Zeichen geben, daß etwas schiefgelaufen war.

      Deswegen strichen sie aber noch lange nicht die Flagge. Wütend setzten sie sich mit Entermessern und Säbeln gegen die so plötzlich aufgetauchten Fremden zur Wehr.

      Als einer der Lagerposten Matt Davies den Säbel in den Unterleib rammen wollte, blieb diesem keine andere Wahl mehr – er mußte sich massiv seiner Haut wehren. Du oder ich, das war hier die Frage. Wenn Hasard seinen Männern auch eingeschärft hatte, die Piraten nur bewußtlos und damit kampfunfähig zu machen, konnten sich die zehn von der „Isabella“ deswegen nicht selbst in tödliche Bedrängnis bringen lassen.

      Matt parierte mit dem Cutlass, den er in der linken Hand hielt, aber das genügte nicht. Der Pirat setzte sofort nach und war nun drauf und dran, Matts Verteidigung völlig zu zerbrechen. Da blieb Matt nichts anderes übrig, er mußte seine Eisenhakenprothese einsetzen. Ein einziger Hieb mit dem scharfgeschliffenen Haken, und der Kerl brach stöhnend zusammen.

      Shane


Скачать книгу