Seewölfe Paket 24. Roy Palmer

Seewölfe Paket 24 - Roy Palmer


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de Sanamonte, der Kommandant, schaute von seinem Schreibpult auf. Er stand auf, schritt durch sein Arbeitszimmer und öffnete die Tür.

      „Was ist da los?“ fragte er den Posten, der auf dem Flur Wache hielt. „Das hört sich nach einem Aufstand im Gefängnis an.“

      „Ob es mit den Gefangenen von dem requirierten Schiff zu tun hat, Señor?“

      „Sehen Sie nach“, sagte Don Lope. „Ich erwarte Ihre Meldung.“ Mit diesen Worten zog er sich wieder in seinen Raum zurück.

      O’Leary tobte unterdessen wie ein Besessener in seiner Zelle herum. Es hatte wirklich den Anschein, als wolle er zur Rebellion aufrufen.

      „An den Galgen mit dem Hund!“ brüllte er. „Er ist ein Pirat! Sie sind alle Piraten! Ich will zum Kommandanten!“

      „Jawohl, zum Kommandanten!“ heulte Thomas Lionel, der sich von den Peitschenhieben einigermaßen wieder erholt hatte.

      „Man höre uns an!“ schrie sein Bruder Simon Llewellyn mit spitzer Stimme.

      Die Wärter rückten an. Sie bauten sich vor den Zellentüren auf, stießen wüste Drohungen aus und ließen ihre Peitschen durch die Luft pfeifen. Aber auch das nutzte nichts.

      O’Leary witterte eine Chance, sich gewissermaßen freikaufen zu können, wenn er Jean Ribault als Kumpan des Seewolfs belastete. Diesen Plan verfolgte er und ließ nicht mehr davon ab. Was waren schon ein paar Hiebe der Wärter? Er brüllte weiter und heizte damit nicht nur die Aufruhrstimmung bei seinen eigenen Kumpanen an, sondern auch bei den Gefangenen in den anderen Zellen des Kerkers.

      So wirkte die Toberei gleichsam ansteckend auf die Hafenstrolche, die Langfinger und Beutelschneider, die im Gefängnis von St. Augustine einsaßen. Sie sprangen in ihren Zellen herum, fluchten, schrien und schlugen mit ihren Näpfen und Bechern gegen die Gitter.

      Das erzeugte einen wahren Teufelslärm. Die Kerle ließen ihrer dumpfen Wut, im Kerker wegen irgendwelcher „Lappalien“ gefangen zu sein, freien Lauf. Mit ihrer Brüllerei brachten sie die Kerkerwände zum Zittern.

      Die Wärter rissen die Zellentüren auf und droschen mit Peitschen auf die Gefangenen ein. Soldaten rückten nach und verstärkten sie.

      Aber O’Leary leistete erbitterten Widerstand. Er packte eine der Peitschen, zerrte daran und riß den Wärter, der ihn verprügelte, auf diese Weise dicht zu sich heran.

      „Bring mich zum Kommandanten!“ brüllte er. „Ich hab’ ihm was zu melden, du Hund!“

      Aber zwei andere Wärter, bullige Kerle mit Stöcken, fuhren dazwischen. Sie befreiten ihren Dienstkollegen und hieben auf O’Leary ein. O’Leary brach unter einem Hagel von Schlägen zusammen.

      „Ihr Schweine!“ heulte Thomas Lionel.

      Einer der Wärter drosch ihm seinen Stock auf die Schulter, und Thomas Lionel brach jammernd zusammen. Er fiel auf seinen Bruder, der sich vorsorglich schon hingeworfen hatte.

      Dann waren die anderen Kerle der Sir-John-Crew an der Reihe. Sie warfen sich zwar den Wärtern entgegen, doch sie hatten gegen Stöcke und Peitschen nicht die geringste Chance.

      Ganz in die eine Ecke der Zelle zurückgewichen waren Sir James und die sechs anderen hochwohlgeborenen Nichtstuer. Als die Wärter drohend auf sie zumarschierten, hob Sir James mahnend den Zeigefinger.

      „Ich weise Sie darauf hin, daß wir an dieser Revolte nicht teilgenommen haben, meine Herren“, sagte er mit bebender Stimme.

      „Was quatscht der Kerl?“ fragte einer der Wärter.

      „Ich versteh’ nichts“, entgegnete sein Nebenmann. „Aber ich glaube, die brauchen wir nicht zu vertrimmen. Die haben sowieso schon die Hosen voll.“

      Ein letzter Sir-John-Kerl brach unter einem wuchtigen Stockhieb zusammen, dann herrschte in dieser Zelle Ruhe. In den Nachbarzellen ertönten immer noch Flüche, Schreie und Hiebe, aber auch dort schien es allmählich stiller zu werden. Die Wärter rückten ab, warfen die Türen krachend zu und riegelten sie ab.

      Sir James Sandwich atmete auf und strich sich mit der Hand durch die Haare.

      „Freunde, das habt ihr nur meinem mutigen Einsatz zu verdanken“, sagte er. „Sonst hätten uns diese gräßlichen Menschen nämlich auch gezüchtigt.“ Voll Verachtung, aber auch mit Schadenfreude blickte er auf O’Leary, die Crew und die Ferkel-Brüder, die am Boden lagen. O’Leary und einige andere waren ohnmächtig und bluteten aus Platzwunden.

      Die Männer um Renke Eggens indes blieben ungeschoren, weil sie sich ruhig verhielten. Auch Jean Ribault wurde nicht behelligt. Er hockte in seiner Einzelzelle und überlegte, wie er sich bei dem Verhör, zu dem er sicherlich bald abgeholt werden würde, am besten verhalten sollte.

      Don José de Zavallo hastete die Treppe hinauf und stieß auf den oberen Stufen mit dem Posten des Kommandanten zusammen.

      „Verdammter Idiot!“ schrie er ihn an. „Kannst du nicht aufpassen?“

      „Verzeihung, Señor Teniente“, sagte dieser.

      „Also, was hast du hier zu suchen?“

      „Der Kommandant will wissen, was los ist“, erwiderte der Soldat.

      „Das werde ich ihm melden“, sagte de Zavallo.

      Er stieg die letzten Stufen hoch, trat ins Freie und marschierte über den Festungsinnenhof. Der Soldat folgte ihm.

      Selbstverständlich ging es dem Teniente nicht nur darum, Don Lope de Sanamonte über die Hintergründe der Kerkerrevolte aufzuklären. Er wollte auch seine eigene Rolle ins rechte Licht rücken. Natürlich war es sein, de Zavallos, Verdienst, daß sofort wieder Ruhe und Ordnung eingekehrt waren.

      Don Lope de Sanamonte blickte Don José de Zavallo an, als dieser vor ihn hintrat.

      „Nun reden Sie schon“, sagte er. „Wen haben Sie mir da eigentlich angeschleppt? Verrückte?“

      Alles, was die Sicherheit von St. Augustine bedrohte, mußte seiner Ansicht nach beseitigt werden. Es durfte keine Risikofaktoren geben. Nach dem Überfall des gefürchteten Schnapphahns Mardengo war de Sanamonte im übrigen dazu übergegangen, die Festungsarbeiten voranzutreiben.

      Dazu benutzte er unentgeltliche Arbeitskräfte, nämlich die im Kerker einsitzenden Gefangenen. An diesem Morgen waren sie wegen des Neuzugangs der deutschen Seefahrer noch nicht zur Arbeit abgerückt, anderenfalls wären sie längst draußen beim Graben gewesen.

      Zur Zeit war es die Aufgabe der Gefangenen, die Landseite, die nach Westen zu den Sümpfen wies, auszuheben. Dort sollte ein breiter und tiefer Wehrgraben ausgeschachtet werden, so daß St. Augustine zur Inselfestung wurde. Das war eine mörderische Arbeit, weil der Boden zum größten Teil sumpfig und morastig war. Aber wen kümmerte schon, wenn der eine oder andere bei der üblen Schufterei sein Leben ließ? Es war letztlich doch eine gerechte Strafe.

      De Zavallo berichtete – de Sanamonte lauschte aufmerksam. Als der Teniente ihm erklärte, daß einer der englischen Gefangenen, der frühere Bootsmann O’Leary, in einem Mann des Neuzuganges einen Kumpan des Piraten Killigrew erkannt hätte, horchte er auf.

      „Und wie äußert sich der neue Gefangene dazu?“ fragte er.

      „Er streitet die Beschuldigung ab und behauptet, seit Jahren als Erster Offizier für ein deutsches Handelshaus zu fahren“, erwiderte der Teniente. „Als solcher ist er allerdings auch an Bord der beschlagnahmten deutschen Karavelle gewesen. Nun, wie dem auch sei, es hat wegen O’Learys Brüllerei fast einen Aufstand gegeben. Wer weiß, was die Kerle noch alles angestellt hätten, wenn ich nicht sofort dazwischengegangen wäre.“

      „Ja, schon gut. Wem darf man nun Glauben schenken, dem Deutschen oder dem Engländer?“

      „Señor“, sagte de Zavallo. „Ich erlaube mir den Vorschlag, den O’Leary noch einmal verhören zu lassen und diesem Ersten Offizier der ‚Goldenen Henne‘ auf den Zahn zu fühlen.“

      „Wie


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