Seewölfe Paket 24. Roy Palmer
aus.
„Du Dreckskerl!“ schrie der Soldat.
Hanno unterlief ihn und warf sich gegen seinen Brustpanzer. Der Soldat stieß einen Laut aus, der wie eine Mischung aus Verblüffung und Entsetzen klang, dann verlor er das Gleichgewicht. Er kippte um, krachte auf die Planken und verlor seinen Helm. Hanno beugte sich über ihn und knallte ihm die Faust unters Kinn.
Der zweite Soldat wollte seinem Kameraden zu Hilfe eilen, achtete aber nicht auf Hein Ropers. Der riß ihm den Helm vom Kopf und hieb damit zu. Es gab einen dröhnenden Laut, der Soldat sank besinnungslos zusammen.
Auch der erste sank aufseufzend zurück und rührte sich nicht mehr. Hannos Hieb hatte gesessen. Doch jetzt stürmten die anderen Seesoldaten heran und stürzten sich fluchend auf die beiden Deutschen.
„Hanno!“ rief Hein Ropers. „Nichts wie ’ran!“
Hanno richtete sich von dem außer Gefecht gesetzten Gegner auf und fuhr zu Hein Ropers herum. Die Soldaten waren heran und hoben die Musketen, um damit auf die Aufsässigen einzuschlagen. Hein Ropers donnerte dem ersten, der in seine Reichweite geriet, den erbeuteten Helm auf den Schädel.
Das gab wieder einen scheppernden Laut, und der Helm rutschte dem Soldaten bis über die Augen. Hein Ropers setzte ihm die Faust gegen die Kinnlade, und der Mann taumelte zurück. Er ruderte mit den Armen und nahm zwei seiner Kameraden mit. Sie kämpften fluchend um ihr Gleichgewicht.
Aber immer mehr Soldaten rannten die Niedergänge zur Back hinauf. Eine Riesenkeilerei begann – mit Hein Ropers und Hanno Harms im Zentrum.
Jean Ribault wäre den beiden gern zu Hilfe geeilt, doch sie hatten abgesprochen, daß er sich zurückhielt. Er schirmte Jans und Mels Flucht sozusagen als Posten ab – und sollte alles so klappen, wie sie es sich ausrechneten, mußte zumindest er als letzter „Deutscher“ an Oberdeck der „Goldenen Henne“ zurückbleiben.
Hein und Hanno schlugen sich wie die Berserker. Die Soldaten brauchten immer mehr Nachschub. Mit polternden Schritten näherten sich die Spanier auch von achtern und stürmten nach vorn.
Keiner beachtete mehr Ribault, Jan Ranse und Mel Ferrow, auch nicht die Wachen an Bord der beiden Kriegsgaleonen und der Kriegskaravelle. Auf der Back der „Goldenen Henne“ war der Teufel los.
Der Radau schwoll derart an, daß selbst Don José de Zavallo, der sich inzwischen in der Koje der Kapitänskammer zur Ruhe begeben hatte, hochschreckte und aufsprang. Er stieß ein paar üble Verwünschungen aus, kleidete sich eilig an und hastete nach draußen.
5.
Jan Ranse und Mel Ferrow nahmen die günstige Gelegenheit wahr. Sie huschten zum Heckschanzkleid, kletterten hinüber und enterten zur Galerie ab. Von hier aus gelangten sie über das Hennegat und das Ruder in die Jolle. Blitzschnell kappte Jan mit dem einen der beiden Fleischermesser, das Mel ihm inzwischen zugesteckt hatte, die Schleppleine. Mel kauerte bereits hinter ihm im Boot. Die Leine brach, die Jolle blieb hinter der „Goldenen Henne“ im Kielwasser zurück.
Spätestens jetzt hätten zumindest die Deckswachen der spanischen Kriegskaravelle Alarm schlagen müssen. Aber sie hatten nur Augen für die Kämpfer auf der Back der „Goldenen Henne“. Mit gutem Grund: Dort ging es zu, als sei der Teufel in eigener Person aufgeentert. Hein Ropers und Hanno Harms schlugen mit Fäusten, Helmen und erbeuteten Musketen um sich. Sie standen Rücken an Rücken und schickten einen Gegner nach dem anderen auf die Planken.
Jean Ribault registrierte, daß Jan Ranse und Mel Ferrow verschwunden waren. Er grinste, dann sah er, wie das Schott des Achterkastells aufflog und gegen die Querwand knallte. Don José de Zavallo stürmte aus dem Gang hervor, sein Gesicht war wild verzerrt.
„Was geht hier vor?“ schrie er.
„Krawall!“ brüllte einer der Soldaten.
De Zavallo raste an Jean Ribault vorbei, ohne ihn zu bemerken. Unwillkürlich überlegte Jean Ribault, ob er nach unten laufen und das Schott zur Vorpiek öffnen sollte. Er bewegte sich auf das Vordeck zu.
Doch das Steuerbordschott des Vordecks wurde von innen aufgestoßen. Der Sargento sprang auf die Kuhl und richtete seine Muskete auf Jean Ribault.
„Keine Bewegung!“ herrschte er ihn an. „Hände hoch!“
Jean Ribault hob die Hände. Mit dem Sargento war nicht zu scherzen. Der hatte ohnehin einen Haß auf ihn, weil er ihn niedergeschlagen hatte.
Soldaten stürmten aus dem Vordeck auf die Kuhl.
„Auf die Back!“ rief der Sargento ihnen zu.
Er selbst blieb jedoch vor Jean Ribault stehen, hielt ihn mit der Muskete in Schach und ließ ihn nicht aus den Augen.
Don José de Zavallo kämpfte sich auf der Back durch das wüste Getümmel der Leiber auf Hein Ropers und Hanno Harms zu. Er wollte Hein Ropers packen. Der aber rammte ihm die Faust bretthart gegen das Kinn.
De Zavallo flog zurück und stürzte nur deshalb nicht auf die Planken, weil seine Soldaten ihn auffingen. Die Kinnlade schmerzte wieder wie wahnsinnig, glühende Nadeln schienen darin zu stecken. De Zavallo stieß die wüstesten Flüche aus, die er kannte.
Selbst der Verbandsführer war inzwischen aufmerksam geworden. Er stand auf dem Achterdeck der Führungsgaleone und verfolgte mit fassungsloser Miene, was auf der Back der „Goldenen Henne“ passierte.
„Recht so!“ schrie Hanno. „Wir schmeißen sie alle über Bord!“
Daraus wurde dann aber doch nichts. Hein Ropers und Hanno Harms schenkten den Spaniern nichts – und sie hatten einen wilden Spaß daran, endlich ihre Fäuste einsetzen zu können. In diesen Fäusten schien Eisen zu stecken. Sie setzten ihren Gegnern wüst zu, aber letzten Endes war die Übermacht doch zu groß.
Aber der Zweck der Übung war erreicht. Jan Ranse und Mel Ferrow waren entwischt. Die Kriegskaravelle war immer weiter nach Backbord aufgesegelt, die Deckswache konnte gar nicht genug von dem tobenden Handgemenge mitkriegen, das sich auf der beschlagnahmten Karavelle abspielte.
So fiel keinem der Spanier auf, daß sich die Jolle vom Heck der „Goldenen Henne“ löste und nach Steuerbord, also ostwärts, in der Dunkelheit verschwand.
Aufatmend ließen sich Jan Ranse und Mel Ferrow auf die Duchten sinken. Sie hatten den Mast gerichtet und das Segel gesetzt. Hoch am Wind glitt die Jolle dahin. Die beiden Männer lauschten dem Gebrüll, das noch immer an Bord der „Goldenen Henne“ ertönte.
„Hein und Hanno machen ihre Sache wirklich gut“, sagte Jan Ranse. „Aber hoffentlich hat das keine Schikanen dieses verdammten Teniente zur Folge.“
„Das glaube ich kaum“, erwiderte Mel Ferrow. „Sie sind jetzt alle wach und auf den Beinen. Der Verbandsführer wird es wohl nicht zulassen, daß der Teniente auf eigene Faust handelt. Hein und Hanno wandern ab in die Vorpiek, das ist alles.“
„Hoffentlich behältst du recht“, sagte Jan Ranse.
Besorgt schaute er trotzdem drein. Das Schicksal der Kameraden war ungewiß. Mel und er mußten so schnell wie möglich die Freunde erreichen, sonst konnte es für Jean Ribault und die Crew der „Goldenen Henne“ höchst übel aussehen.
In diesem Punkt gab sich auch Mel Ferrow keinen Illusionen hin. Sie mußten rasch nach Grand Bahama gelangen und danach trachten, möglichst am nächsten Morgen auf die „Isabella IX.“ und den Schwarzen Segler zu stoßen. Dann hieß es, Kurs auf St. Augustine zu nehmen, wo der Kriegsschiff verband mit der „Goldenen Henne“ an die Pier gehen würde.
„Mann“, sagte Mel Ferrow. „Drück uns die Daumen, Jan. Daß wir es schaffen.“
„Wir schaffen es“, sagte Jan.
Das Geschrei an Bord der „Goldenen Henne“ hatte inzwischen nachgelassen und verebbte jetzt ganz. Jan Ranse und Mel Ferrow wechselten nur stumm einen Blick. Sie wußten, was das bedeutete. Hein Ropers