Seewölfe Paket 24. Roy Palmer
schon wieder Streit mit dir.“
Lombardez kletterte über den Niedergang zu ihnen herauf.
„Was habt ihr zu quasseln?“ fragte er.
„Fängst du jetzt schon an wie de Zavallo?“ fragte Tores angriffslustig.
Lombardez blieb dicht vor ihm stehen. „Nein. Aber der Profos will wissen, was los sei.“
Tores und El Rojo sahen ein, daß es klüger war, den Mund zu halten. Sie durften nicht schon wieder anecken. An Bord der Kriegsgaleone und der beiden anderen Kriegsschiffe hatten Ordnung und Gehorsam zu herrschen. Keiner hatte aufzumucken oder zu murren, und wenn es nicht ruhig genug war, wurde hart durchgegriffen.
De Zavallo hatte dem Profos entsprechende Anweisungen hinterlassen. Der Profos konnte mit der Neunschwänzigen genausogut umgehen wie der Teniente, deshalb war es ratsam, sich friedlich zu verhalten.
Im übrigen hatte das Erscheinen dieses „deutschen Kauffahrers“ ja für Abwechslung gesorgt. Die Langeweile der spanischen Seeleute war vergessen. Sie beobachteten die „Goldene Henne“ und fragten sich insgeheim, wie das alles weitergehen und enden würde.
Darüber zerbrach sich auch Jean Ribault gerade wieder den Kopf. Es galt, eine Kriegslist zu ersinnen, es mit einem Trick zu versuchen. Nach seinen überschlagsmäßigen Berechnungen mußten der Kriegsschiffverband und die „Goldene Henne“, inzwischen querab von Grand Bahama stehen.
Natürlich entsann sich Jean Ribault, daß Hasard und die Männer der „Isabella IX.“ sowie Thorfin Njal mit seinem Schwarzen Segler ebenfalls Great Abaco hatten verlassen wollen, um hier oben die Inseln zu erkunden. Folglich mußten sie jetzt hier sein – irgendwo in der Nacht. Durfte man sich diese Chance entgehen lassen?
Auf keinen Fall, dachte Jean Ribault. Immer wieder blickte er zu den Seesoldaten, die auf den Decks der „Henne“ Wache hielten. Was immer er tat, es würde ein höllisches Risiko sein. Aber er mußte alles auf eine Karte setzen. Die Freunde mußten verständigt werden. Andernfalls verschwanden die „Goldene Henne“ und ihre Besatzung möglicherweise spurlos. Diesem de Zavallo war absolut nicht zu trauen, er war zu jeder Schandtat fähig.
Allerdings hielt es Jean Ribault für seine Pflicht, bei seinen Männern zu bleiben. Deshalb konnte nicht er der Mann sein, der die „Henne“ verließ und sich in einem günstigen Moment absetzte. Zwei Männer mußten es außerdem sein, einer allein würde es nicht schaffen, zu entkommen und im Dunkeln draußen auf See zu bestehen.
In einem unbeobachteten Moment näherte sich Jean Ribault Jan Ranse und Mel Ferrow.
„Hört mal zu“, murmelte er. „Wir müssen was auf die Beine stellen.“
„Denkst du, was wir denken?“ flüsterte Jean. „Grand Bahama ist nicht weit, oder?“
„Richtig.“
„Wir müssen Hasard und den Wikinger benachrichtigen“, raunte Mel Ferrow. „Auf Teufel komm raus!“
„Traut ihr euch das zu?“ fragte Jean Ribault.
„Na klar“, erwiderte Jan gedämpft. „Aber du? Was machst du?“
„Ich bleibe“, wisperte der Franzose. „Versucht, es zu verstehen. Ich habe das Kommando und fühle mich für die Crew verantwortlich.“
„Das ist logisch“, raunte Mel. „Aber was wird, wenn dich dieser Drecksteniente für unsere Flucht zur Verantwortung zieht?“
„Das überstehe ich schon“, erwiderte Jean Ribault verhalten. „Im übrigen kann er denken, daß ihr auf eigene Faust entwischt seid.“
Jan nickte. „Ja, das klingt gut. Wir schnappen uns also die Jolle, die achtern angehängt ist, und hauen ab?“
„Ja“, erwiderte Ribault. „Und dann versucht ihr, entweder auf Hasard oder auf den Wikinger zu stoßen, die rund um Grand Bahama und bei den nördlicher liegenden Keys erkunden.“
„Und wenn uns das nicht gelingt?“ fragte Mel.
„Dann müßt ihr nach Great Abaco“, flüsterte Ribault. „Seht zu, daß ihr die Cherokee-Bucht erreicht. Irgendwie muß es klappen.“
„Du kannst dich auf uns verlassen“, wisperte Jan. „Irgendwie kriegen wir das hin. Aber wie verschwinden wir, ohne daß uns die Dons mit ihren Musketen oder Drehbassen in Stücke schießen?“
„Mal sehen“, erwiderte Jean Ribault. „Ich schätze, wir werden ein kleines Ablenkungsmanöver in Szene setzen.“ Er blickte dabei zu Hein Ropers und Hanno Harms.
Mel grinste. „Schon verstanden. Aber wir brauchen noch ein Messer. Besser wären zwei Messer.“
„Mann“, murmelte Jan. „Die besorgst du doch, oder?“
„Aus der Kombüse?“ flüsterte Mel.
„Aus der Kombüse“, bestätigte Jean Ribault. „Nachdem die technischen Fragen geklärt wären, gehen wir zur Strategie und Taktik über.“
„Ich verschwinde gleich in Richtung Kombüse“, brummelte Mel. „Das fällt mir nicht allzu schwer. Im übrigen ist dort auch kein Wachtposten, wenn mich nicht alles täuscht.“
„Du irrst dich nicht“, entgegnete Jean Ribault so leise wie möglich. „Sie halten vor dem Schott der Vorpiek und hier oben Wache. De Zavallo scheint in die Kapitänskammer verliebt zu sein. Er ist dort verschwunden und nicht wieder aufgetaucht.“
„Der Hund fühlt sich schon als Kapitän!“ zischte Jan. „Aber er wird sich noch wundern.“
„Wann steigt die Aktion?“ wollte Mel wissen.
„Nach Mitternacht“, erwiderte Jean Ribault.
„Dann ist noch ein bißchen Zeit“, brummte Mel. „Wir können uns in aller Ruhe vorbereiten.“
„Nur keine Hast“, murmelte Jan. „Und vor allem keine Panik.“ Er grinste Jean Ribault zu und sah dann zu seinem „Komplizen“ Mel. Dann grinsten sie alle drei wie die Teufel.
Jan Ranse als Steuermann der früheren „Le Vengeur“ hatte die nördlichen Bahama-Inseln von den Karten her genau im Kopf. Wo die derzeitige Position der „Goldenen Henne“ und ihrer Bewacher war, konnte er – wie Jean Ribault – ebenfalls nur schätzen. Deshalb war er ziemlich sicher, daß es keine Orientierungsschwierigkeiten geben würde, wenn sie mit der Jolle verschwanden.
Im übrigen war die Jolle mit Bootskompaß, Steckmast und aufgerolltem Gaffelsegel ausgerüstet. Die Spanier hatten nichts entfernt. Das war ein Fehler von Don José de Zavallo. Er hätte entweder die Jolle an Bord hieven oder zumindest den Mast entfernen lassen müssen.
Immerhin mußte er damit rechnen, daß die „Deutschen“ nach ihrer überraschenden Attacke verwegen genug waren, noch einmal den Aufstand zu proben. Nichts schien ihren Widerstand brechen zu können, ständig mußte man auf sie aufpassen.
Aber das taten die Seesoldaten ja auch. Die fünf „Deutschen“, denen de Zavallo gnädigerweise gestattet hatte, an Oberdeck zu bleiben, hatten nicht die geringste Chance, etwas zu unternehmen – so dachte der Teniente. Im Prinzip traf dies, von seiner Warte aus gesehen, auch zu.
Wenn auch nur einer der Gefangenen ins Wasser sprang – was praktisch unmöglich war –, wohin sollte er schwimmen? Die Haie würden ihn zerreißen, bevor er eine der Bahama-Inseln erreichte. Und mit der Jolle konnte er auch nicht viel anfangen. Ganz abgesehen davon war es ausgeschlossen, daß einer dieser Kerle den Soldaten entwischte, die den Befehl hatten, sofort zu feuern, falls auch nur der kleinste Zwischenfall passierte.
De Zavallo durfte sich also sicher fühlen, was die verordneten Maßnahmen betraf. Er ahnte ja auch nicht, daß die „Teutonen“ keine biederen Handelsfahrer waren, sondern dem Bund der Korsaren angehörten. Somit lag ihm auch jegliche Vermutung fern, es könnten sich etwaige Verbündete dieser Kerle in der Umgebung befinden.
Don José de Zavallo hatte sich wieder