Seewölfe Paket 24. Roy Palmer
beim Gouverneur von Kuba einreichen, darauf können Sie sich verlassen!“
Kühl erwiderte de Zavallo: „Tun Sie, was Sie nicht lassen können. Mich interessiert das nicht.“
„Diese Verhaftung ist ein ungeheuerlicher Willkürakt gegenüber einem friedlichen Handelsfahrer!“ fuhr Renke aufgebracht fort. „Das lasse ich mir nicht bieten.“
Aber Don José de Zavallo blieb stur und ließ sich nicht beeinflussen. So passierte, was an Bord der „Goldenen Henne“ niemand für möglich gehalten hätte. Der Teniente schlug mit der flachen Hand auf die Schmuckbalustrade.
„Hiermit erkläre ich das Schiff für beschlagnahmt“, verkündete er. „Das bedeutet, daß sich Kapitän und Mannschaft als Gefangene zu betrachten haben.“
Renke lachte höhnisch auf. „Und weiter?“
„Sie werden unserem Verband zur näheren Untersuchung des Falles nach St. Augustine folgen, Señor“, erwiderte de Zavallo.
Karl von Hutten hatte lange genug geschwiegen. Er stand auf der Kuhl inmitten der Männer und blickte zum Achterdeck hoch. Als de Zavallo ihn beschimpft und beleidigt hatte, hätte er sich am liebsten auf ihn gestürzt, aber Jean Ribault hatte ihn zurückgehalten. Es wäre Wahnsinn gewesen, wegen der aberwitzigen Anschuldigungen dieses Teniente alles aufs Spiel zu setzen. Das sah auch von Hutten ein. Aber er mußte etwas tun, um die Situation zu retten. Er wandte sich an Renke Eggens.
„Ich bin bereit, mich verhaften zu lassen“, sagte er auf Deutsch. Er war eiskalt und völlig beherrscht. „Viel wichtiger ist, daß die ‚Goldene Henne‘ nach Havanna segelt. Ich selbst werde schon Mittel und Wege finden, den Spaniern wieder zu entwischen.“
„Was sagt der Kerl?“ rief Don José de Zavallo.
„Etwas, das nur für mich bestimmt ist“, entgegnete Renke.
„Was ist das für eine Sprache?“
„Deutsch.“
„Was, der Bastard kann Deutsch?“
„Ja“, sagte Renke. „Was ist daran so erstaunlich? Bastarde sind manchmal gescheiter als Männer, die sich für Übermenschen halten.“
„Übersetzen Sie, was der Hund sagt!“ stieß de Zavallo hervor.
Renke wandte sich an von Hutten. „Damit bin ich nicht einverstanden“, sagte er in deutscher Sprache. „Ich danke dir für deinen Vorschlag, aber wir werden dich nicht im Stich lassen.“
Auch Jean Ribault schüttelte unmerklich den Kopf. Immerhin konnte er so viel Deutsch, daß er von Huttens Vorschlag verstanden hatte.
„Hölle“, brummte Hein Ropers. „Wir sind bisher durch dick und dünn gegangen, wir tun’s auch diesmal.“
„Klar, wir liefern dich doch diesen Scheißdons nicht einfach so aus“, sagte Hanno Harms.
Das war es eben: Keiner ließ den anderen im Stich.
„Dann sollen die verdammten Spanier gleich alle mitgehen lassen“, sagte Hein Ropers.
Don José de Zavallo legte seine rechte Hand auf den Kolben seiner Pistole. Es war eine unmißverständliche, drohende Geste.
„Ich will wissen, was hier gesprochen wird!“ sagte er.
„Meine Männer stehen voll hinter mir“, erwiderte Renke. „Keiner läßt sich diese Behandlung gefallen.“
„Widerstand?“ Der Teniente gab seinen Soldaten ein Zeichen, und sie nahmen die Musketen hoch. Es knackte, als sie die Hähne spannten. „Wer auch nur eine Hand gegen uns hebt, wird erschossen!“ rief de Zavallo.
Jean Ribault und Renke Eggens tauschten einen raschen Blick miteinander. Nein, es hatte keinen Sinn. Zwar wären sie mit den sechs Soldaten wahrscheinlich im Handumdrehen fertig geworden. Doch da waren die Kriegsschiffe.
Die Männer der „Goldenen Henne“ konnten sicher sein, daß hinter den geschlossenen Stückpforten die Geschütze klar zum Gefecht waren. Im Handumdrehen konnten die Spanier das Feuer eröffnen – und dann hatte die Karavelle kaum eine Chance, gegen sie zu bestehen. Zwei Kriegsgaleonen und eine Kriegskaravelle, alle gut bestückt, waren ein zu starker Gegner.
Folglich mußten die Männer davon absehen, den bornierten Teniente samt seiner Gefolgschaft ins Wasser zu werfen. Es hatte keinen Zweck. Sie mußten sich ihrem Schicksal fügen.
Zwar hatte Renke Eggens nur geblufft, als er de Zavallo entgegengehalten hatte, er müsse schon das ganze Schiff beschlagnahmen, um den „Indianer-Bastard“ verhaften zu können, doch er hatte nicht damit gerechnet, daß der Teniente darauf eingehen würde. Tatsächlich stieg in Renke erst jetzt der Verdacht auf, daß die Spanier auf jeden Fall die „Goldene Henne“ beschlagnahmen wollten und der „Bastard“ nur ein vorgeschobener Grund war.
Renke konnte es selbst kaum fassen, aber sein Verdacht schien sich zu bestätigen. Auch Jean Ribault, Karl von Hutten und den anderen Männern der Karavelle ging es nach und nach auf: Die Spanier – darauf deutete alles hin – waren jetzt bereits darauf angewiesen, Schiffe auf diese miese Tour zu beschlagnahmen. Ihr eigener Schiffsraum wurde zu knapp, ihre Werften produzierten zu langsam.
Sie brauchten dringend neue Schiffe, um ihre Stützpunkte in der Neuen Welt zu halten und zu festigen. Das also war der wahre Grund, der hinter Don José de Zavallos dreistem Auftreten und der sinnlosen, absurden Verhaftung von Karl von Hutten stand: Er wollte ihnen die „Goldene Henne“ wegnehmen.
3.
Nichts ließ sich mehr rückgängig machen oder aufhalten, die Dinge nahmen ihren fatalen Verlauf. Don José de Zavallo verständigte sich nur kurz mit seinem Kommandanten an Bord der Führungsgaleone. Dem schien wieder einmal alles recht zu sein.
Und es war keineswegs falsch, die beschlagnahmte Karavelle nach St. Augustine zu bringen. Der Festungskommandant würde es begrüßen, ein weiteres Schiff als Verstärkung seiner Patrouillen zu erhalten. Und dies wiederum warf ein günstiges Licht auf den Verbandsführer.
Noch zehn Seesoldaten setzten sich mit einer zweiten Jolle zur „Goldenen Henne“ in Bewegung. Sie enterten an Bord, um mit den anderen zusammen die Deutschen zu „bewachen“. De Zavallo blieb gleich an Bord des requirierten Schiffes, die überrumpelten „Handelsfahrer“ mußten sich zähneknirschend seinen Befehlen beugen.
Die Seeleute der Führungsgaleone beobachteten genau, was sich an Bord der „Goldenen Henne“ abspielte.
„So“, sagte Lombardez gedämpft. „Jetzt sind wir den Hund von einem Teniente erst mal los. Ihr solltet froh darüber sein.“
„Bist du’s vielleicht nicht?“ zischte El Rojo ihm zu.
„Doch, natürlich.“
„Ich wünsche ihm nur das eine“, sagte Pedro Tores mit finsterer Miene. „Daß die Kerle dort drüben, wer immer sie auch sind, ihm die Gurgel durchschneiden.“
„Den Gefallen werden sie dir nicht tun“, raunte der Decksälteste. „So dumm können sie nicht sein. Wenn sie sich zur Wehr setzen, eröffnen wir das Feuer auf sie.“
„Mit unseren Leuten an Bord der Karavelle?“ fragte der Einarmige. „Das glaube ich aber nicht.“
„Wenn die Männer der Karavelle was unternehmen, werden sie den Teniente und die Soldaten höchstwahrscheinlich zu den Fischen befördern“, erklärte Lombardez ruhig. „Das wiederum bedeutet für uns, daß wir das Schiff in Stücke schießen können.“
„Und wenn sie den Schweinehund als Geisel nehmen?“ fragte Tores. „Was dann?“
Lombardez lächelte ein wenig. „Dann liegt die Bewertung bei unserem Kommandanten. Was ist ihm wichtiger, de Zavallos Leben oder das Schiff?“
„Für das Schiff würde er de Zavallo hopsgehen lassen“,