Seewölfe Paket 24. Roy Palmer

Seewölfe Paket 24 - Roy Palmer


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      Insgeheim schalt sich Renke Eggens einen kompletten Narren und Anfänger. Welcher Teufel hatte ihn geritten, diesem Hundesohn von einem Teniente die Karavelle gewissermaßen anzubieten? War er verrückt?

      Nein. Es hatte ja wirklich niemand ahnen können, was passieren würde. Renke traf keine eigentliche Schuld. Er hatte nicht wissen können, daß ein Mann wie dieser de Zavallo an Bord erschien. Und daß die Spanier zu solchen Mitteln wie diesem griffen, um sich Schiffe anzueignen.

      Hinterher war man immer klüger.

      „Wir hätten ausreißen können“, murmelte Hein Ropers. „Gleich, als wir die drei Kriegsschiffe sichteten.“

      „Irgendwie war mir das Ganze gleich nicht geheuer“, sagte Karl von Hutten leise. „Aber ich habe auch nicht ahnen können, was kommt.“

      „Scheiße“, sagte Jean Ribault nur.

      Zur Hölle mit den Spaniern! Die „Goldene Henne“ war ein schnelles Schiff, sie hätte den Verband mit einiger Sicherheit abgehängt, wenn die Spanier nicht sehr reaktionsschnell gehandelt hätten. Aber genau das hatte Ribault ja vermeiden wollen – daß man vor den Dons Reißaus nahm. Das hatte er nun davon!

      Die „Goldene Henne“ wurde von den Schiffen des Dreierverbandes eskortiert. Als sie wieder Fahrt aufnahmen, segelte die Kriegskaravelle im Kielwasser der „Goldenen Henne“, und je eine der Galeonen befand sich an Backbord und Steuerbord. Der Kurs führte nordwärts, St Augustine entgegen.

      De Zavallo hatte Renke Eggens unterdessen mit neuen Fragen überhäuft. Renke mußte auf alles antworten, es blieb ihm keine andere Wahl. Ja, Kolberg existierte wirklich. Es lag an der Ostsee. Und es gab auch das Handelshaus von Manteuffel mit einer Niederlassung in Havanna.

      Renke mußte die Papiere vorzeigen – und das Logbuch. Ja, die Crew bestand ausschließlich aus Deutschen, von dem „Bastard“ Karl von Hutten abgesehen. Jean Ribault hieß jetzt Jan Rebauer und war der Erste Offizier der „Goldenen Henne“. So einfach war das.

      Aber was nutzte es, daß de Zavallo zumindest darauf hereinfiel? Überhaupt nichts – sie waren ihm ausgeliefert.

      Als de Zavallo begann, persönlich die „Henne“ zu inspizieren, hatten Renke Eggens, Jean Ribault und Karl von Hutten Gelegenheit, sich miteinander zu unterhalten. Zwar hatte de Zavallo den „Indianerbastard“ unter Arrest gestellt, doch das beschränkte sich vorläufig darauf, daß die Soldaten von Hutten im Auge behielten, wie sie auch die anderen Männer bewachten.

      Ribault und von Hutten konnten immerhin unbehelligt das Achterdeck betreten. Dort standen zwei Soldaten mit den Musketen in den Fäusten, aber sie konnten nicht verstehen, was Renke mit den beiden Männern besprach.

      „So“, flüsterte Renke. „Jetzt sitzen wir im Schlamassel. Tut mir leid, aber das ist meine Schuld.“

      „Unsinn“, sagte Jean Ribault. „Dir wirft keiner etwas vor.“

      „Es wäre besser gewesen, wenn ich mich unter Deck zurückgezogen hätte“, sagte von Hutten. „Dann wäre dieser Drecksack nicht auf mich aufmerksam geworden.“

      „Er hat doch nur einen Vorwand gesucht, um die ‚Hen‘ zu beschlagnahmen“, murmelte Renke. „Er hätte schon was anderes gefunden, keine Sorge. Vielleicht hätte ihm meine Nase nicht gepaßt, weil sie spanienfeindlich ist.“

      „So ungefähr“, sagte Jean Ribault. „Aber was passiert ist, ist nun mal passiert. Laßt uns lieber überlegen, was wir unternehmen können, statt Trübsal zu blasen.“

      „Wie stehen unsere Chancen?“ fragte von Hutten. „Wenn wir die Dons jetzt aus ihren Brustpanzern stoßen, haben wir die drei Kriegssegler am Hals.“

      „Man könnte zum Beispiel den Teniente als Geisel nehmen“, schlug Jean Ribault leise vor. „Wäre das nicht eine Idee?“

      „Wir halten ihm eine Pistole an die Schläfe und erpressen auf diese Weise freie Fahrt“, sagte Renke. „Warum nicht?“

      „Oder wir brechen nachts aus dem Verband aus“, flüsterte von Hutten.

      Jean Ribault schüttelte den Kopf. „Alles Mist. Witzlos. Die Dons kennen ja unser Ziel. Sie können uns nach Havanna folgen.“

      „Was ist, wenn wir nicht nach Havanna segeln?“ fragte von Hutten.

      „Darüber habe ich auch schon nachgedacht“, erwiderte Jean Ribault. „Aber welchen Sinn hätte es? Wenn wir zur Cherokee-Bucht segeln, schaffen wir uns mit Hilfe unserer Freunde zwar die Dons vom Hals, aber Arne bleibt in Havanna weiterhin im Ungewissen, wo wir unseren neuen Stützpunkt anlegen.“

      „Und das geht nicht“, sagte Renke. „Da gebe ich dir recht. Wenn Arnes Beobachtertätigkeit in Havanna überhaupt einen Zweck haben soll, dann muß er schleunigst wissen, wo er uns per Brieftauben erreichen kann.“

      „Logisch“, sagte von Hutten. „Und die Brieftauben müssen sowieso erst auf die neue Flugroute eingetrimmt werden.“

      „Pech auf der ganzen Linie“, sagte Jean Ribault. „Fatal in diesem Zusammenhang ist eben auch, daß wir nur mit der ‚Golden Hen‘ nach Havanna segeln können, mit keinem anderen Schiff.“

      „Weil niemand unsere ‚Henne‘ kennt“, brummte Renke. „Ja, das war alles so schön ausgedacht und eingefädelt, und die Tarnung als deutsches Handelsschiff war perfekt. Beim Donner, warum mußte das schiefgehen?“

      „Wegen dieses idiotischen Teniente“, sagte von Hutten. „Wir können es drehen und wenden, wie wir wollen. Wir sind die einzigen, die Arne unterrichten können. Und wir müssen es tun, so schnell wie möglich. Die ‚Wappen von Kolberg‘ und die ‚Pommern‘ können Havanna ja erst etwa im August wieder anlaufen, weil sie offiziell am 13. Februar Kuba mit Kurs Kolberg verlassen haben.“

      „Da haben wir nun das Problem“, sagte Jean Ribault wütend. „Wie sollen wir es lösen?“ Er ärgerte sich auch über sich selbst. Er hätte dem spanischen Kriegsschiffverband wohl doch besser ausweichen sollen. Doch was nutzte es jetzt noch, sich Vorwürfe zu machen?

      Von Hutten sagte: „Vielleicht wäre es aus dieser Sicht doch besser gewesen, wenn ihr auf meinen Vorschlag eingegangen wäret.“

      Renke blockte diesen Einwand sofort ab. „Nein! Ich habe das doch schon mal gesagt: Die Dons wollen das Schiff, nicht dich. Die haben nur einen fadenscheinigen Grund gesucht, unsere ‚Henne‘ zu beschlagnahmen. So, und jetzt nimm sie ihnen mal wieder weg.“

      „Diese Hundesöhne“, sagte Jean Ribault. „Aber es ist klar – sie brauchen dringend Schiffe. Wie viele eigentlich? Wollen sie sich in St. Augustine eine Flotte zulegen? Na, wir werden ja sehen.“

      „Besser wär’s, wenn wir St. Augustine gar nicht erst sehen würden“, sagte Renke. „Wenn es uns vorher gelänge, abzuhauen.“

      „Wir hauen auf jeden Fall ab“, murmelte Jean Ribault.

      „Aber wie?“ raunte von Hutten.

      „Uns wird schon was einfallen“, brummte Renke.

      Don José de Zavallo war mit sich selbst und der Welt zufrieden. „Goldene Henne“ war zwar ein verdammt komischer Name für ein Segelschiff, aber was kümmerte ihn das? Viel wichtiger war, daß es sich um eine solide Karavelle neuer Bauart handelte. Sehr alt konnte sie noch nicht sein, höchstens vier, fünf Jahre. Das zählte. Nichts war morsch und wurmstichig, nirgends war ein Leck zu entdecken. Das Schiff war gut in Schuß, das mußte man diesen deutschen Tölpeln lassen.

      Als erstes nahm sich de Zavallo das Vordeck vor. Ein Blick in die Kombüse verriet ihm, wie die Deutschen es mit der Sauberkeit hielten: alles bestens in Ordnung, keine Fettflecken auf der Anrichte, keine schmutzigen Töpfe und Pfannen, keine schmierigen Planken, auf denen man ausrutschen konnte.

      Alle Achtung, dachte der Teniente insgeheim. Irgendwie empfand er sogar etwas Respekt vor diesen seltsamen Teutonen, auch, wenn sie einen Indianerbastard als Lotsen an Bord hatten. Von der


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