Seewölfe Paket 24. Roy Palmer
Rojo warf die Würfel auf die Planken. Sie rollten auseinander und blieben liegen. Der Einarmige stieß einen Pfiff aus.
„Drei Sechsen“, sagte er.
„Ich hab’s ja gewußt!“ jubelte El Rojo.
„Augenblick mal“, sagte Tores. „Du hast sie so hingelegt.“
„Ich habe was?“ fragte der Baske. Seine Augen verengten sich.
„He!“ sagte Lombardez. „Fangt jetzt keinen Streit an, ihr beiden.“
„Du hast gemogelt“, sagte Tores. „Ich hab’s gesehen.“
„Was redest du denn da für einen Quatsch?“ zischte El Rojo.
Tores stieß einen saftigen Fluch aus. „Mit deinen miesen Tricks kommst du bei mir nicht durch, Rojo. Nimm die Würfel wieder auf und wirf sie noch einmal!“
„Nein! Was liegt, das liegt!“
„Ruhig bleiben“, sagte der Einarmige. „Tores, du beschuldigst Rojo zu unrecht. Er hat ordentlich gewürfelt, ich habe es gesehen.“
„Nein! Er hat sie so hingelegt!“
„Beweise das!“ schrie El Rojo.
„Du bist ein Betrüger!“ brüllte Tores, dann stürzte er sich unvermittelt auf ihn. Die Rumflasche, die auf den Planken stand, kippte um. Die Würfel rollten unter eine der Kojen. Tores packte El Rojo und schüttelte ihn kräftig durch. Er rammte ihm die Faust gegen die Brust und brüllte wieder: „Du Betrüger! Falschspieler!“
El Rojo versuchte, sein Messer zu zücken, doch Tores war auf der Hut. Er hieb wieder zu. El Rojo stieß einen Fluch aus. Tores’ Faust hatte sein Gesicht getroffen. Blut lief dem Basken aus der Nase.
Lombardez, der Einarmige und ein dritter Seemann versuchten, die Streithähne zu trennen, doch Tores und El Rojo wälzten sich inzwischen auf den Planken herum.
„Du Hurensohn!“ brüllte Tores. „Betrüger!“
„Dich bring’ ich um!“ schrie der Baske. Wieder versuchte er, sein Messer zu ziehen.
In diesem Moment betrat der Teniente Don José de Zavallo das Mannschaftslogis. Keiner hatte ihn gehört. Er blieb breitbeinig direkt vor den Kämpfenden stehen. Die Fäuste hatte er in die Seiten gestemmt. Am Gurt trug er eine neunschwänzige Katze. Er griff danach und rollte sie auseinander.
Lombardez, der Einarmige und die anderen Seeleute wichen zurück. Tores und El Rojo schienen de Zavallo immer noch nicht bemerkt zu haben. Sie droschen weiterhin mit den Fäusten aufeinander ein.
De Zavallo ließ die Neunschwänzige durch die Luft pfeifen. Die Lederriemen trafen zuerst Pedro Tores, dann den Basken.
„Aufhören!“ stieß de Zavallo mit schneidender Stimme hervor.
Schritte näherten sich trappelnd durch den Mittelgang des Vordecks. Drei Seesoldaten rückten an. Der Teniente hatte sie zu sich beordert, als er den Lärm aus dem Logis vernommen hatte. Dann war er sehr schnell im Vordecksschott verschwunden.
Die Soldaten verharrten im offenen Schott des Logis’. De Zavallo holte zu einem neuen Schlag mit der Neunschwänzigen aus. Tores ließ von El Rojo ab und fuhr zu ihm herum. De Zavallo schlug zu, die Peitsche traf den großen Mann mitten ins Gesicht. Doch Tores verzog keine Miene.
El Rojo setzte sich auf, wischte sich das Blut aus dem Gesicht und sah den Teniente an.
„Was ist los?“ fragte er. „Zur Hölle, was soll das?“
„Wer hat angefangen?“ fragte de Zavallo scharf.
„Keiner“, erwiderte Lombardez. „Es ist ein Mißverständnis, Señor Teniente, und …“
„Ich habe Sie nicht gefragt!“ zischte der Teniente. Er war ein sehr junger, sehr karrierebewußter Mann, arrogant und kaltschnäuzig. Er sah Pedro Tores an. „Noch einmal: Wer hat angefangen?“
„Ich“, erwiderte Tores.
„Warum der Streit?“
„Nur eine kleine Meinungsverschiedenheit“, entgegnete Tores.
Der Teniente deutete auf die Würfel. „Beim Spiel? Spiel ist Gift. Eine Sünde.“ Er wies mit dem Griff der Neunschwänzigen auf die Rumflasche. „Alkohol und Glücksspiel sind verboten, sie ruinieren Körper und Geist.“
„Na so was!“ Tores erhob sich langsam. „Wir haben Freiwache.“
„Das ist mir bekannt“, sagte de Zavallo. „Aber es verstößt gegen die Bordregeln, sich zu prügeln und mit dem Messer aufeinander loszugehen.“
„Wir haben uns nur geschlagen“, sagte El Rojo. „Nicht mit Messern gekämpft. Ich werde doch nicht mit dem Messer auf meinen Kumpel Tores losgehen. Was, Tores?“
„Ach, halt’s Maul!“
„Verdammtes Pack“, sagte der Teniente. „Ohne Disziplin. Es wird Zeit, daß ich hier hart durchgreife.“
Tores tat einen Schritt auf Don José de Zavallo zu. „Es steht in keiner Dienstvorschrift, daß ich mich von Ihnen beleidigen lassen muß, Teniente.“
„Stehenbleiben!“ fuhr de Zavallo ihn an.
„Ich habe von Ihnen keine Befehle entgegenzunehmen“, sagte Tores barsch. „Und ich brauche mich schon gar nicht von Ihnen schlagen zu lassen, Sie Laffe!“
De Zavallo hob die Neunschwänzige und hieb noch einmal zu. Tores nahm auch das hin, aber er duckte sich. Es sah aus, als wolle er sich auf de Zavallo stürzen. Doch da traten die Seesoldaten auf einen Wink des Teniente heran.
„Abführen, den Mann“, sagte de Zavallo. „Er empfängt zehn Hiebe mit der Neunschwänzigen! Das wird ihm eine Lehre sein!“
Kurze Zeit darauf verfolgte der Capitán vom Achterdeck der Kriegsgaleone aus, wie Tores an einer hochgestellten Gräting festgebunden wurde. De Zavallo selbst nahm die Züchtigung vor. Die Neunschwänzige knallte hart auf Tores’ nackten Rücken. Er sank nicht zusammen, als die Soldaten ihn wieder losbanden, doch in dem Blick, den er dem Teniente zuwarf, flackerte Mordlust.
Don José de Zavallo enterte aufs Achterdeck. Bevor der Capitán ihm eine Frage stellte, sagte er: „Insubordination. Der Kerl ist frech geworden. Hat sich mit einem anderen Kerl geprügelt. Sie spielen und saufen und haben schlechte Laune, wenn sie Freiwache haben. Es wurde Zeit, ein Exempel zu statuieren.“
„Sehr gut, Teniente“, sagte der Capitán und Verbandsführer. „Passen Sie auf diese Hunde auf. Wenn die nichts um die Ohren haben, steht ihnen der Sinn nach Meuterei. Ich kenne das.“
„Die Faulpelze sollten weniger Freiwache haben“, sagte der Teniente.
„Verdoppeln Sie die Deckswachen.“
„Ja, und ich werde das Schiff von oben bis unten aufklaren lassen“, sagte Don José de Zavallo. Er verließ das Achterdeck wieder und gab entsprechende Anweisungen. Er benahm sich, als sei er der Kapitän. Und so empfand er auch. Eines Tages, dessen war er sicher, würde er ein eigenes Schiff kommandieren. Noch waren Schiffe knapp in St. Augustine, doch auch das würde sich ändern. Sobald sich die Gelegenheit dazu bot, würde er, de Zavallo, dafür sorgen, daß der „Schiffsraum“, wie er es nannte, vergrößert wurde – auf die eine oder andere Art.
Die wenigen Kriegsschiffe, die in Fort St. Augustine verfügbar waren, überwachten derzeit die Floridastraße. Es herrschte zwar Ruhe, doch das konnte sich von einer Stunde zur anderen ändern. Die verstärkten Patrouillen der Kriegssegler hingen mit jenen Geschehnissen zusammen, bei denen im vergangenen Jahr überraschend – meist in der nördlichen Floridastraße – englische Freibeuter aufgetaucht waren und die nach Spanien heimsegelnden Schatzschiffe ausgenommen hatten.
Den letzten Bericht brachte Don Gregorio de la Cuesta nach St. Augustine. Eine abenteuerliche Geschichte: De la Cuesta war es gelungen, mit einer Jolle von den