Seewölfe Paket 24. Roy Palmer

Seewölfe Paket 24 - Roy Palmer


Скачать книгу
ein kurzer Wolkenbruch nieder.

      Die Indianer hatten alle gemopsten Sachen wieder in das Kanu gepackt. Es fehlte nichts.

      Old O’Flynn packte die Schiffshauer und Messer auf die andere Seite und trennte sie von den übrigen Sachen. Auch einen großen Kochtopf packte er noch dazu.

      „Die Sachen gehören euch“, erklärte er dem Häuptling. „Ihr könnt sie behalten, und wenn wir uns wiedersehen, werden wir noch mehr und andere Dinge mitbringen.“

      Coanabo bedankte sich überschwenglich. Ja, eiserne Werkzeuge konnten sie gut gebrauchen, das Geschenk freute ihn ganz besonders, und das sagte er den Mannen auch.

      „Ich hoffe, wir sehen uns recht bald wieder“, sagte er. „Ich möchte auch eure anderen Brüder und euren Kapitän kennenlernen. Vielleicht könnt ihr uns auch genau erklären, wo ihr euch niedergelassen habt, für den Fall, daß wir den großen Medizinmann einmal ganz dringend brauchen.“

      „Wir haben Karten an Bord“, erwiderte der Kutscher. „Mit ihrer Hilfe werden wir dir die Lage genau erklären. Aber wie wollt ihr zu unserer Insel gelangen?“

      „Für den Besuch der umliegenden Inseln haben wir kleine Auslegerboote mit Mattensegeln“, erklärte Coanabo. „Aber wir segeln die Strecken nur nachts, um fremden Schiffen ausweichen zu können. Wir wollen ja nicht zur See fahren.“

      Die Abfahrt begann. Auf den Plattformen der Hütten standen winkende Gestalten, die ihnen fröhliche Worte nachriefen. Der kleine Junge winkte und schrie so lange, bis sie ihn aus den Augen verloren. Hasard und Philip hatten ihn vorhin noch auf Plymmie reiten lassen, zum großen Gaudium der anderen Zuschauer.

      Dann war das Pfahldorf ihren Blicken entschwunden, und es ging in den Creek hinein, wo die Arawaks ihnen unvermutet aufgelauert hatten.

      „Jetzt bin ich gespannt, wie es weitergeht“, sagte Sven Nyberg. „Gestern um die Zeit haben wir uns ganz schön abgezappelt.“

      Coanabo lachte leise, als er das hörte. Er konnte sich lebhaft vorstellen, wie ratlos sie gewesen sein mußten.

      „Ja, es ist sehr schwierig, sich hier zurechtzufinden. Selbst wenn man die Strecke schon ein paarmal gefahren ist, kennt man sich noch nicht genau aus.“

      Zur Verblüffung der Männer ging es nach knapp hundert Yards creekabwärts auf der linken Seite in eine schmale und enge Einfahrt hinein. Sie war so gut getarnt, daß man sie übersah.

      Es war ein kleiner natürlicher Kanal, der sich mitten durch ein Mangrovendickicht schlängelte. Sie befanden sich kaum darin, als die Einfahrt auch schon wieder unsichtbar wurde.

      „Den hätten wir selbst bei intensiver Suche kaum gefunden“, sagte Martin, „so vorzüglich getarnt ist er.“

      Die Indianer paddelten zielsicher und sehr geschickt durch das Mangrovengestrüpp. Es sah so aus, als sei die Fahrt jeden Augenblick zu Ende, aber das war nicht der Fall.

      Das winzige Bächlein mündete in einen größeren Creek.

      „Wir paddeln jetzt in südlicher Richtung“, sagte Coanabo, „ihr aber seid fast in die entgegengesetzte Richtung gepaddelt. Aber dort versanden viele Creeks oder münden in kleinere Seen.“

      „Stimmt genau“, sagte der Kutscher beeindruckt. „Hier findet sich kein Fremder mehr zurecht. Falls die Spanier das mal irgendwann versucht haben, dann sind sie steckengeblieben oder haben sich hoffnungslos in dem Labyrinth verirrt.“

      Der Kutscher nahm an, daß es auf diesem breiteren Creek längere Zeit geradeaus ging, doch auch darin sah er sich getäuscht. Schon bald darauf verließen die Kanus – weitere neun folgten dem großen Häuptlingskanu – den Creek und bogen nach links ab. Auch diesen winzigen Kanal hätten die Arwenacks glatt übersehen, denn er war ebenfalls auf ganz natürliche Weise getarnt.

      „Jetzt geht’s nach Norden, was, wie?“ fragte der Profos erstaunt.

      „Ja, aber nur ein kurzes Stück. Dieser Kanal holt etwas nach Norden aus, schwenkt dann aber ganz plötzlich wieder südwärts.“

      Der Narbenmann grinste über das ganze Gesicht.

      „Da hätten wir ja tage- und wochenlang unseren Spaß gehabt“, gab er unumwunden zu. „Inzwischen wären wir glatt verhungert.“

      „Das wäre sehr wahrscheinlich gewesen. Das Wasser ist kaum trinkbar, weil es meist Brackwasser ist. Ihr hättet ein paar Fische fangen können, die Vögel hättet ihr nicht gekriegt, denn die streichen sofort ab, wenn sie jemanden sehen.“

      Das bestätigte sich kurze Zeit darauf. Aber sie hatten es ja selbst schon erlebt.

      Bald darauf begann eine langgezogene Krümmung. Der kleine Kanal schwenkte nach Süden und mündete in einen See, in dem es eine kleinere Insel gab.

      „Paßt jetzt auf“, sagte der Häuptling. „Gleich werden unsere Wächter in großen Scharen aufsteigen.“

      Sie hatten den flachen See kaum erreicht, als auch schon wieder riesige Vogelschwärme hochflatterten. Da war ein Kreischen und ein Geschnatter und Krächzen zu hören, das über weite Entfernungen schallte. Eine Wolke von rosafarbenen Flamingos flatterte auf. Die Tiere rannten über das Wasser und erhoben sich verschreckt in die Luft.

      Auf der Insel gab es Reiher, und die folgten augenblicklich dem Beispiel der Flamingos. Auch sie stiegen unter nervtötendem Gekreische und Krächzen auf.

      Der Papagei, der auf Carberrys Schulter hockte, schrumpfte regelrecht zusammen, als das Kreischen begann.

      Die Luft war brühwarm und stickig, und jeder sehnte sich insgeheim danach, wieder frischen Seewind zu spüren.

      Zielstrebig glitt das große Kanu über den See. Die anderen folgten in Kiellinie. Jetzt lag Südostkurs an, wie der Profos nach einem Blick auf die Sonne feststellte. Die Reiherinsel blieb an Steuerbord zurück, und dann ging es wieder in eine kaum sichtbare Einfahrt hinein. Sie war so eng und schmal, daß die Kanus nur hintereinander fahren konnten.

      Dieser Kanal war scheinbar fast zugewachsen. Er war von Mangrovenästen so überwuchert, daß sie sich alle bücken mußten.

      „In den wären wir nicht hineingepaddelt“, sagte Hasard junior, „weil das von vornherein aussichtslos erschienen wäre.“

      Die Männer wunderten sich nur noch, als es durch unzählige Windungen weiterging. Manchmal waren die Kanus achteraus nicht mehr zu sehen.

      Es war wirklich kein Wunder, daß sie ständig in die Irre gepaddelt oder in toten Gewässern gelandet waren, wo sie immer wieder umkehren mußten.

      Dieser Stamm der Arawaks hatte sich eine Siedlung geschaffen, die kein Fremder jemals erreichen würde.

      Der Kutscher war fast ein bißchen neidisch auf dieses grandiose Versteck, aber für sie selbst hatte es den Nachteil, daß es nicht mit Dreimastern oder Karavellen zu befahren war. Auf diesen Bachläufen, Kanälen und Seen konnte man sich nur mit kleinen Booten bewegen.

      Am frühen Nachmittag war die Reise beendet. Sie befanden sich jetzt auf jenem Creek, der nördlich der Sandbank, wo die „Empress“ aufsaß, in die North Bight mündete.

      Als sie die Stelle erreicht hatten, stießen wie aus dem Nichts drei weitere Kanus zu ihnen.

      „Diese Männer bewachen die Einfahrt in den Creek“, erklärte Coanabo. „Es ist die einzige Einfahrt, die unter vielen Umwegen zu unserem Dorf führt. Außerdem ist diese Einfahrt immer bewacht, und die Männer lösen sich regelmäßig ab. Ihr seht also, daß uns kein Fremder beehren kann, ohne daß wir es sofort erfahren.“

      Die Männer nickten beeindruckt. Ihre Blicke richteten sich auf die „Empress“, die still und einsam auf der Sandbank ruhte.

      „Das gute alte Stück“, murmelte Old O’Flynn. „Hoffentlich haben sich in der Zwischenzeit keine Chickcharnies eingenistet.“

      „Und wenn, dann sind sie in die Rumbuddel gekrochen“, meinte der Profos grinsend.


Скачать книгу