Seewölfe Paket 24. Roy Palmer

Seewölfe Paket 24 - Roy Palmer


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die Gaffer weg und schickte sie zu jener Stelle, wo die Mangrovenwälder begannen. Von dort aus konnten sie zusehen.

      Ausnahmslos alle gehorchten sofort und verschwanden.

      „Jetzt brauche ich meine beiden Assistenten“, sagte der Kutscher.

      „Was sind Assistenten?“ fragte der Häuptling unsicher.

      „Meine Helfer, die jungen Medizinmänner.“ Der Kutscher deutete auf Philip und Hasard, die sich eisern das Grinsen verbissen, als sie zu „jungen Medizinmännern“ ernannt wurden.

      Was der Kutscher damit bezweckte, war auch den anderen klar. Wenn Hasards Söhne, jung, wie sie waren, ihm zur Hand gingen und assistierten, wurde der Häuptling sehr erstaunt sein.

      Aber der Kutscher bezweckte auch noch etwas anderes damit. Die beiden waren pfiffig und bewahrten kühle Köpfe, auch in sehr heiklen Situationen, wie diese eine war. Oft genug auch hatten sie ihm assistiert, wenn er Verletzungen versorgt hatte. Die Burschen kannten keine Angst, und sie rannten auch nicht weg, wenn einmal Blut floß. Sie waren genau die richtigen für ihn.

      Coanabo glaubte tatsächlich, sich verhört zu haben, als der Kutscher auf die Zwillinge deutete. Diese jungen Burschen hatten schon vorhin sein Interesse erregt, denn einer sah aus wie der andere. Zudem hatten sie solche eisblauen Augen, wie er sie noch nie an einem Menschen gesehen hatte.

      „Das sind deine Helfer?“ fragte er ungläubig.

      „Ja, sie lernen noch, aber ohne sie komme ich nicht aus, denn es wird sehr schwierig werden.“

      Die Worte brachten Coanabo erstaunlich schnell in die Wirklichkeit zurück. Hier ging es um das Leben seines Enkelkindes, und da durfte er nicht länger zögern, wenn der weiße Medizinmann seine Helfer dringend brauchte.

      Ohne zu zögern, nahm Coanabo das Messer, schritt auf die Bäume zu und zerschnitt die Fesseln von Philip, wobei er ihn neugierig musterte.

      Dann war Hasard an der Reihe, und alle beide rieben sich die Handgelenke. Sie waren noch nicht richtig frei, als sie auch schon die Holzkiste mit den Instrumenten holten.

      Die junge Frau hielt immer noch den Jungen. Weit im Hintergrund standen reglos die Indianer und sahen aus der Ferne zu, was da am Strand geschah. Auch Coanabo stand da, hoch aufgerichtet überblickte er mit einer gewissen Neugier die Szene. Auf den Zwillingen blieb sein Blick immer wieder hängen.

      Aber er ließ auch den Kutscher nicht aus den Augen, den schmalbrüstigen, energischen Mann, der ein so sicheres Auftreten hatte. Das beeindruckte ihn am meisten. Dieser Mann war nicht hitzig, sondern blieb meist kühl, bis auf das Gebrüll, das er veranstaltet hatte, als ihm seine Instrumente entwendet worden waren. Da hatte er einen Tobsuchtsanfall gekriegt.

      Coanabo sah das jetzt jedoch ganz anders. Der weiße Medizinmann brauchte diese funkelnden Geräte, um damit das Leben seines Enkels zu retten und das vieler anderer Menschen. Das war etwa so, als würde man seinem Medizinmann das Rauchpulver, die Knochenstücke oder die anderen – Gerätschaften wegnehmen, um damit zu spielen.

      „Das hier ist eine verdammt ernste Sache“, erklärte der Kutscher, „und auf euch beide kommt es wesentlich an, das habe ich nicht nur so zum Spaß gesagt. Entzündet jetzt zuallererst einmal ein Feuerchen. Das brauche ich, um das lange Skalpell zu erhitzen, damit es sauber ist. Flint und alles andere findet ihr bei dem Zeug, das die Burschen uns geklaut haben. Holz liegt auch genügend herum. Es soll nur ein kleines Feuerchen werden. Alles klar?“

      „Alles klar, Kutscher, Sir“, sagten beide.

      Dann holten sie das Zeug und sammelten ein paar Holzstücke zusammen.

      Coanabo stand da und beobachtete mit großen Augen, wie flink die Jungen zu Werke gingen.

      Aber auch die anderen sahen zu, alle mit besorgten Gesichtern.

      „Weißt du, was uns blüht, wenn der Kutscher es nicht schafft?“ raunte Old O’Flynn dem Profos zu.

      „Sicher. Sie werden zuerst dich in den Boden rammen und warten bis dein Holzbein ausschlägt und Blumen darauf wachsen. Rosen vielleicht oder Orchideen, können auch Mangroven sein. Dann siehst du selbst wie ein vertrockneter Busch aus.“

      „Die schneiden uns die Hälse durch“, wisperte der Alte, „oder sie schicken uns zu den Chickcharnies in die Sümpfe.“

      „Dich vielleicht, an dir ist ja nicht viel dran. Die anderen wandern in die Fleischtöpfe.“

      „Mir ist verdammt mulmig zumute“, sagte Old Donegal.

      „Mir überhaupt nicht, ich habe mich selten so gefreut und amüsiert, hauptsächlich über deine Dusseligkeit.“

      „Dir werden die blöden Witze schon noch vergehen.“

      Das glaubte der Profos unbesehen. Er hatte schließlich gehört, was der Häuptling gesagt hatte. Er hatte nicht offen gedroht, nur dem Kutscher verklart, daß im Falle eines Mißlingens die Wünsche oder Forderungen nicht erfüllt werden würden. Mehr hätte der Häuptling auch gar nicht zu sagen brauchen, das sagte eh alles.

      Inzwischen flackerte am Strand ein kleines Feuerchen, das die Zwillinge in erstaunlich kurzer Zeit angezündet hatten. Auch darüber war der Häuptling verblüfft.

      „Feuer brennt, Sir“, meldete Philip.

      „Sehr gut. Jetzt müßt ihr ein paar Tupfer bereitlegen, ebenfalls die Tinktur in der braunen Flasche. Damit werden die Tupfer getränkt und der Abszeß bepinselt. Das ist eine Lösung, die zugleich heilt und auch entzündungshemmend wirkt. Dazu brauche ich noch die große Pinzette. Bringt das alles hierher und breitet es auf dem Stück Segeltuch aus. Danach wird es dann etwas schwieriger.“

      Die Zwillinge flitzten, kramten in der Kiste, brachten das Segelleinen und breiteten darauf alles das aus, was der Kutscher angefordert hatte.

      Viele Augenpaare musterten sie bei ihrem geschäftigen Treiben.

      „Jetzt hört mir gut zu“, sagte der Kutscher. „Wir setzen das Kerlchen da drüben an den Baumstamm. Ihr baut euch rechts und links von ihm auf und haltet seinen Kopf fest. Unter fest verstehe ich, daß ihr ihn so in die Klemme nehmt, daß der Kleine sich absolut nicht rühren und bewegen kann. Er darf auf keinen Fall zucken, wenn ich die Eiterbeule aufschneide. Es liegt also viel an euch, ob alles gut verläuft.“ Sehr freundlich fügte er noch hinzu: „Falls das Kerlchen doch mit dem Kopf ruckt, wenn ich das Messer in seinem Hals habe, dann sind wir alle im Arsch. Das hört sich drastisch an, aber die Sprache versteht ihr ja. Alles klar, Leute?“

      „Aye, aye, Sir, du kannst dich auf uns verlassen. Das Kerlchen wird denken, es stecke in einer Schraubzwinge.“

      Die beiden blieben äußerst kühl und gelassen, als sie das sagten. Nicht die geringste Erregung war ihnen anzumerken.

      Jetzt wandte sich der Kutscher freundlich lächelnd an den Häuptling und die Mutter des Jungen.

      „Erschreckt nicht, wenn gleich etwas Blut fließen wird. Der Kleine wird Blut und Eiter spucken, aber das gehört nun mal dazu. Er wird euch aber auch bestätigen, daß es ihm danach sofort wieder bessergeht. Er kann dann wieder schlucken und wird Erleichterung verspüren. Die Mutter soll auch dem Kleinen sagen, er möge keine Angst haben und es werde alles gut, weil der große Medizinmann aus dem Land sehr weit im Osten extra angereist ist, um ihn zu heilen. Würdest du das der Mutter bitte übersetzen, Häuptling?“

      Coanabo hörte genau zu, und er nickte immer wieder, als der Kutscher ihm das sagte.

      Die Zwillinge blickten zum Mangrovengestrüpp hinüber, weil sich da etwas bewegt hatte. Dort schob sich gerade ganz gemächlich ein Kaiman aus dem Wasser und kroch an Land, um sich zu sonnen. Er platschte sich in den seichten Morast und riß weit den Rachen auf.

      Keiner der Krieger kümmerte sich um das Tier, obwohl es sich in ihrer unmittelbaren Nähe befand. Aber auch die Riesenechse ließ sich durch die Männer nicht stören.

      Hasard und Philip sahen sich an. Beide dachten daran, daß sie heute nacht in diesem See geschwommen


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