Seewölfe Paket 24. Roy Palmer

Seewölfe Paket 24 - Roy Palmer


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gucken. Man lernt immer etwas dazu.“

      Die indianischen Frauen waren regelrecht entzückt, daß sich der große Medizinmann für ihre Kochkünste interessierte. Ein bißchen stolz waren sie auch, einen so weitgereisten Mann bei sich zu haben, und so war der Kutscher bald Hahn im Korb bei allen.

      Schildkrötensuppe wurde zubereitet, Krabben, Langusten und Muscheln gekocht, Jams- und Kassavewurzeln wanderten in die Töpfe, und schon bald hing ein lieblicher Duft über dem Strand.

      Hier scheint die Welt in Ordnung zu sein, dachte der Kutscher, denn diese Leutchen lebten zufrieden und anscheinend sorglos.

      Eine knappe Stunde später begann der Festschmaus.

      Der Profos sah wie ein hungriger Wolf in die Runde und konnte es kaum noch erwarten. Er ließ sich auch nicht lange bitten, als er zum Essen aufgefordert wurde. Er zeigte den staunenden Indianern, was so ein Profosmagen mengenmäßig alles vertrug.

      Der Kutscher war neugierig darauf, die Geschichte dieses Stammes zu erfahren, und fragte Coanabo danach, der auch sofort bereitwillig erzählte.

      „Diese Gegend hier war früher nicht besiedelt, es gab keine Menschen auf dieser Insel.“

      „Aber man nennt euch Inselleute, genauer gesagt – Lucayaner.“

      „Weil wir immer auf den Inseln lebten. Daher rührt der Name. Wir sind ein Stamm der reinblütigen Arawak-Indianer.“

      „Dann habt ihr vorher auf einer anderen Insel gelebt?“

      „Ja, auf Gigatio Gatas Gotas, wie die Spanier es nennen. Wir haben dort friedlich gelebt, bis die Spanier uns entdeckten. Sie nahmen uns gefangen und verschleppten uns nach Hispaniola. Dort mußten wir wie Tiere in einem Bergwerk für sie schuften. Zwei Jahre lang haben wir es ausgehalten. In dieser Zeit lernte ich die Spanier hassen, denn sie behandelten uns wie den letzten Dreck. Sie versorgten uns kaum, und kein Medizinmann kümmerte sich um uns, wenn wir krank waren. Viele meiner Brüder fanden in dem spanischen Bergwerk den Tod, viele andere kümmerten dahin.“

      Obwohl das jetzt dreißig Jahre zurücklag, funkelte wieder Zorn in den Augen des Häuptlings auf, wenn er an die Schmach dachte, die man ihm und seinen Brüdern angetan hatte.

      „Wir kämpfen gegen die Spanier“, sagte der Kutscher, „und wir fügen ihnen Verluste zu, wo immer es geht. Es ist ein jahrelanger und harter Kampf. Auf den Kopf unseres Kapitäns hat der spanische König eine hohe Summe ausgesetzt. Ihr hieltet uns also für Spanier, als ihr uns auf der Sandbank entdecktet. Mich würde interessieren, was ihr mit uns vorhattet.“

      Der Zorn aus den Augen des Häuptlings verschwand wieder. Jetzt lächelte er unmerklich.

      „Das will ich euch ehrlich sagen. Wir wollten euer Schiff ausschlachten und euch als Sklaven nehmen. Ich dachte mir, daß es mir Genugtuung bereiten würde, einmal umgekehrt zu verfahren. Wir haben für die Dons geschuftet, jetzt sollten sie einmal für uns schuften.“

      Er kennt auch den Ausdruck „Dons“, dachte der Kutscher amüsiert.

      Der Profos lachte und hieb sich auf die Schenkel.

      „Das ist gut“, röhrte er, „das ist wirklich gut! Aber was hätten die Dons denn bei euch arbeiten sollen?“

      „Wir hätten gute Verwendung für sie gehabt. Wir haben im Innern des nördlichen Inselteils große Felder angelegt, wo wir Mais, Gemüse, Jams und Früchte anbauen. Da gibt es immer Arbeit.“

      „Dann seid ihr völlig unabhängig?“ fragte der Kutscher.

      „So ist es. Es weiß kaum jemand, daß wir existieren. Wir haben so gut wie keine Kontakte zur Außenwelt. Alles, was wir zum Leben brauchen, bauen wir selbst an oder stellen es her.“

      „Ihr betreibt keinerlei Tauschhandel?“

      „Nein, mit den Spaniern wollen wir nichts zu tun haben, obwohl uns Werkzeuge, Stoffe, Waffen oder Töpfe fehlen. Das können wir leider nicht selbst herstellen.“

      „Wir haben jahrelang Tauschhandel mit einem Stamm der Timucuas getrieben und uns immer prächtig verstanden“, erzählte der Kutscher. „Aber leider ging dieser Stamm bei einem Seebeben unter. Wir haben vor, uns auf einer der Inseln anzusiedeln, weil auch unsere vorherige Insel bei der Katastrophe zerstört wurde.“

      Da wurde nicht nur der Häuptling hellhörig, auch die Arwenacks spielten bereits mit dem Gedanken, hier Kontakte anzuknüpfen, falls die Arawaks das wünschten. Der Kutscher traute sich nur noch nicht so richtig mit der Sprache heraus.

      Doch Coanabo nahm den Gedanken sofort auf, als er hörte, daß sich die weißen Männer auf einer der Inseln ansiedeln wollten.

      „Wir sind Freunde geworden“, sagte er ernst, „obwohl das vor ein paar Stunden noch nicht so aussah. Aber jetzt hat sich alles grundlegend geändert. Wenn ihr einverstanden seid, können auch wir Tauschhandel betreiben. Wir geben euch das, was ihr braucht, und ihr gebt uns das, was uns fehlt. So ist jedem geholfen.“

      Alle waren von dieser Idee begeistert, und so wurde das gleich per Handschlag bekräftigt und besiegelt.

      „Da wird Hasard staunen, wenn er das erfährt.“

      „Da ist noch etwas“, meldete sich Old O’Flynn etwas zaghaft. „Ich wollte doch eine Kneipe bauen, und hier könnte man genau studieren, wie so eine Pfahlhütte richtig ins Wasser gesetzt wird. Wenn ich mir das mal anschauen könnte, hätte ich es später viel leichter.“

      Coanabo verstand zwar anfangs nicht, was es mit der „Rutsche“ auf sich hatte, aber dann begriff er und versprach dem Alten, ihm genau zu erklären, wie so eine Hütte gebaut würde.

      „Wie seid ihr den Spaniern entkommen?“ fragte der Kutscher nach einer Weile gespannt.

      „Das Bergwerk, in dem wir uns fast zu Tode schufteten, war eines Tages nicht mehr ergiebig. Daher trieb man uns an Bord eines spanischen Sklavenseglers, der uns nach Kuba bringen sollte. Von Bord dieses Schiffes gelang es mir mit ein paar Stammesbrüdern zu fliehen. Wir haben eins der spanischen Beiboote gestohlen und sind damit nach Gigatio geflohen.“

      „Und wir haben ein indianisches Kanu geklaut“, sagte der Profos lachend, „und wollten ebenfalls damit fliehen. Aber uns ist es nicht gelungen.“

      Der Häuptling lachte ebenfalls und schüttelte den Kopf. Offenbar schien er sich sehr zu amüsieren.

      „Die Flucht konnte auch nicht gelingen“, sagte er. „Ich werde euch nachher sagen, weshalb das unmöglich war. Aber zunächst möchte ich das andere zu Ende erzählen. Als wir mit der Jolle oder dem Beiboot die Insel erreichten, fanden wir dort noch ein paar Überlebende unseres Stammes, die den Spaniern entkommen waren. Es waren hauptsächlich Frauen und Kinder. Wir hatten aber Angst daß die Dons wieder auftauchten. Daher beschlossen wir, eine andere Insel zu suchen. So gelangten wir nach Andros und fanden im Norden dieser Insel eine neue Heimat. Der Stamm der Arawaks vermehrte sich langsam wieder, und ich wurde der Häuptling. Das ist jetzt dreißig Jahre her.“

      „Und die Spanier haben euch nicht mehr belästigt?“

      „Nein, sie haben sich hier nie blicken lassen. Sie nennen dieses Land die ‚Insel des Heiligen Geistes‘ und meiden es. Vielleicht sind sie abergläubisch oder haben Angst, in die Mangrovenwälder und Dschungel vorzudringen. Ich weiß es nicht. Es gibt viele und auch schreckliche Geschichten über diese Insel.“

      Old O’Flynn nickte eifrig. O ja, da konnte er mitreden. Chickcharnies, kleine bärtige Elfen, Feuerteufelchen und was hier noch alles heimlich herumkrebste. Aber das mit den Chickcharnies wollte er doch genau wissen, und so fragte er den Häuptling danach.

      „Viele meiner Brüder haben Elfen gesehen“, sagte er, „auch Chickcharnies haben schon ihren Schabernack mit ihnen getrieben. Aber mir selbst sind noch keine begegnet.“

      „Vermutlich, weil du der Häuptling bist“, sagte Old O’Flynn. „Vor dir haben sie mehr Respekt, und deshalb zeigen sie sich nicht.“

      „Mag sein“,


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