Seewölfe Paket 24. Roy Palmer
entwickelte.
Der Kutscher kam noch einmal auf die Spanier zurück.
„Es ist auch möglich“, sagte er, „daß die Dons hier auf Andros bereits Landeversuche unternommen haben. Aber sie konnten nicht weiter vordringen, weil sie sich in dem Labyrinth aus Bächen, Flüssen und Seen nicht zurechtfanden. Da sie nichts Ergiebiges vermuteten, zogen sie wieder ab und erzählten den anderen, daß hier absolut nichts zu holen sei.“
„Das mag der Fall gewesen sein“, sagte Coanabo nachdenklich, „und daher können wir uns glücklich schätzen, dieses Fleckchen gefunden und besiedelt zu haben.“
Martin Correa hatte nun auch die Neugier gepackt, warum ihnen die Flucht nicht gelungen war, und so fragte er jetzt: „Du sprachst vorhin davon, daß es für uns ganz unmöglich wäre, zu fliehen. Warum war das ausgeschlossen? Wir haben uns zwar ein paarmal verirrt, aber vielleicht hätten wir doch einen Weg zum Meer und damit zur North Bight gefunden.“
Coanabo schüttelte amüsiert den Kopf. Sein Lächeln wirkte fast etwas schadenfroh.
„Das wäre möglich gewesen. Einen Weg hättet ihr sicherlich gefunden. Aber zu dem Zeitpunkt war die Bight bereits abgeriegelt, denn ich habe am frühen Morgen, als eure Flucht entdeckt wurde, sofort vier Kanus an die Mündung des Creeks geschickt. Und diese Krieger hätten euch erwartet und umzingelt.“
„Wir haben keine Kanus gesehen“, sagte der Kutscher erstaunt. „Wir haben auch nichts gehört.“
Das Lächeln in dem schmalen Gesicht verstärkte sich noch. Coanabo lachte leise.
„Wir kannten zu jeder Zeit euren genauen Standort“, erklärte er.
„Dann habt ihr uns Späher nachgeschickt.“
„Nein, wir haben keine Späher ausgeschickt. Aber wir haben unsere Wächter, die für uns pausenlos im Einsatz sind.“
Die Männer sahen sich verwundert an. Carberry kratzte sich das Kinn. Das Gesicht des Kutschers war nachdenklich geworden.
„Wächter?“ sagte er überlegend. „Ich versuche schon die ganze Zeit das zu erraten, aber ich komme nicht dahinter.“
Als Coanabo etwas zu seinen Unterhäuptlingen sagte, lachten auch die sehr amüsiert und freuten sich, daß die weißen Männer die Wächter nicht gesehen hatten.
Schließlich gab der Kutscher die Raterei auf.
„Unsere Wächter sind die Vögel, die Reiher und Flamingos“, erklärte der Häuptling. „Wir brauchten nur dahin zu schauen, wo auf einmal Vogelschwärme aufstiegen. Diese Tiere fliegen sofort auf, wenn sich Menschen zeigen. So konnten wir in aller Ruhe euren Weg genau verfolgen, ohne daß wir jemanden ausschickten. Ihr seid den Wächtern ständig begegnet, ohne es zu ahnen.“
„Himmel“, sagte der Kutscher und schlug sich gegen die Stirn. „Daran hat keiner von uns gedacht. Natürlich flogen die Tiere sofort auf, wenn sie uns sahen. Grandios! Demnach kündigen sie auch sofort an, falls jemand in die Gewässer eindringt.“
„Deshalb sind sie unsere verläßlichen Wächter.“
„Dann habt ihr ja ganz schön über uns gelacht“, meinte der Kutscher kläglich.
Die Kerle lachten auch jetzt noch, denn sie fanden es einfach köstlich, daß sie immer wußten, wo sich die nichtsahnenden Flüchtlinge befanden. Das freute sie wie kleine Kinder, denen eine Überraschung gelungen war.
Das üppige Mahl war beendet. Es ging jetzt auf den Spätnachmittag zu. Die Frauen räumten die Essensreste ab, und einige Indianer verschwanden, um noch einmal nach den Feldern zu sehen.
„Wann immer ihr uns verlassen wollt“, sagte Coanabo, „es steht euch frei. Ihr könnt so lange bleiben, wie ihr wollt.“
„Wir wollten morgen früh aufbrechen“, sagte der Kutscher, „denn wir wollen die Gewässer um die Inseln noch genauer erkunden, damit wir nicht wieder auflaufen.“
„Das war ein Rumbuddelauflauf“, sagte der Profos trocken und warf Old O’Flynn einen bezeichnenden Blick zu, der darauf allerdings nicht reagierte.
„Wir werden euch Hilfe leisten“, versprach Coanabo, „wie ich es versprochen habe. Wir weisen euch in die Gewässer um diese Insel genau ein. Aber jetzt werde ich dir die Hütten zeigen“, sagte er zu Old O’Flynn.
Der Alte war von der Idee begeistert und nahm auch noch die Zwillinge mit, weil sechs Augen mehr sähen als zwei, wie er sagte. Dann fuhren sie mit dem Häuptling und einem weiteren Indianer im Kanu auf den See hinaus, wo Old O’Flynn alles bestaunen, beklopfen und betasten konnte.
Der Kutscher wandte sich jetzt mit einem süffisanten Grinsen an den Profos, der gedankenverloren auf den See starrte.
„Wie war denn das Essen, Ed?“
„Himmlisch, ganz phantastisch“, schwärmte der Profos. „Das Geflügel war ganz besonders knusprig und herrlich gewürzt.“
„Geflügel?“ Der Kutscher tat erstaunt. „Ich habe das für Menschenfleisch gehalten.“
„Na, hör mal“, brauste Carberry auf, „du wirst doch wohl Geflügel- von Menschenfleisch unterscheiden können.“
„Letzteres habe ich noch nicht versucht“, sagte der Kutscher, „aber bei diesen Kannibalen habe ich nicht damit gerechnet, Hühnerfleisch vorgesetzt zu kriegen.“
„Kannibalen? Wie kannst du diese liebenswerten Leute als Kannibalen bezeichnen? Die tun doch keiner Fliege etwas zuleide.“
„Dann muß ich mich geirrt haben“, sagte der Kutscher. „Mir war immer so, als hätte ich etwas von Kesselkochern, Fleischhackern oder Oberfressern gehört. Hm, daß die uns nicht geschmort haben, was?“
„Na ja, das war ein bißchen voreilig von mir“, gab Carberry zu, „aber jetzt habe ich meine Meinung geändert.“
„Das freut mich aber wirklich. Dann sei in Zukunft nicht wieder so voreilig.“
„Aye, aye, Sir“, brummte der Profos.
„Gehst du mit – ich will mal nach dem Kleinen sehen. Es muß ihm ja wieder bessergehen.“
Als ein Kanu sie zu der Pfahlhütte hinüberbrachte, war die junge Mutter ganz entzückt. Der Kleine hatte allen erzählt, daß ihn der weiße Medizinmann geheilt hätte und er morgen auch wieder richtig essen könne.
Der Junge schlummerte friedlich und hatte wieder eine gesunde Gesichtsfarbe. Der Kutscher legte ihm die Hand auf die Stirn.
„Kein Fieber mehr“, stellte er fest. „Bis morgen abend hat er das alles wieder vergessen.“
Später, bevor es auf den Abend zuging, zeigte der Häuptling ihnen auch noch die Felder, die sie bewirtschafteten. Alles war sauber angelegt und grünte. Der Mais trug Früchte, zwei andere Felder standen in voller Blüte. Da gab es ganze Haine, in denen Papayas wuchsen, dann Felder, auf denen die Jamswurzel gepflanzt wurde, und andere, auf denen Gemüse aller Art angebaut wurde.
„Davon haben wir im Überfluß“, sagte Coanabo. „Diese Insel hat sich fast als ein Paradies erwiesen. Wir leben unbehelligt von den Spaniern und können gut existieren. Es wäre wünschenswert, wenn wir untereinander handeln und tauschen könnten. Erzählt mir von euren Problemen.“
Das tat der Kutscher lange und ausführlich, und er hatte in Coanabo einen sehr aufmerksamen Zuhörer.
Sie hatten wirklich neue Freunde gewonnen.
In dieser Nacht schliefen sie im Pfahlbaudorf der Arawaks und genossen ihre Gastfreundschaft. Diesmal waren sie keine Gefangenen mehr. Vor vierundzwanzig Stunden hatte das noch ganz anders ausgesehen.
8.
Am anderen Morgen war der Profos sehr angenehm berührt, als sie gleich zu einem reichhaltigen Frühstück gebeten