Seewölfe Paket 24. Roy Palmer

Seewölfe Paket 24 - Roy Palmer


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waren wie aus dem Nichts erschienen, urplötzlich waren sie da. Natürlich hatten sie sich geschickt in dem undurchdringlichen Gestrüpp verborgen und waren dann aufgetaucht doch diese Erkenntnis nutzte ihnen nicht viel.

      In den zahlreichen Kanus, die sie von allen Seiten umgaben, standen Arawaks, und die schauten recht grimmig drein. In den Fäusten hielten sie ihre Bogen. Die Bogen waren schußbereit und gespannt, gefiederte Pfeile lagen auf den Sehnen.

      Da gibt es nichts mehr zu türmen, dachte der Profos. Auch jeglicher Widerstand war zwecklos und wäre absolut unsinnig gewesen.

      Kerzengerade blieben sie in ihrem Kanu hocken und blickten die Indianer an. Deren Gesichter verhießen allerdings nichts Gutes.

       5.

      In einem der Kanus stand aufrecht der Häuptling Coanabo. Er blickte noch finsterer als seine Krieger und starrte düster und drohend zu dem Kanu hinüber.

      Coanabo war ein reinblütiger Arawak-Indianer, genauer gesagt ein Lucayaner vom Inselstamm. Er war bereits über sechzig Jahre alt, aber er sah schlank und drahtig aus, und er war zäh. Vor etwa dreißig Jahren war es ihm gelungen, von Bord eines spanischen Sklavenseglers zu fliehen, nachdem er jahrelang bei den Dons in einem Bergwerk auf Hispaniola geschuftet und gelitten hatte. Von dieser Zeit rührte auch sein Haß auf die Spanier her.

      Aber sie hatten seine flüchtige Bekanntschaft ja schon in der Nacht genossen.

      Jetzt blickte er sie finster an, und seine Krieger warteten nur auf einen Befehl von ihm.

      Sehr harmlos sind die alle, dachte der Profos voller Zorn. Diesen Kutscher mit seinen Verharmlosungen mußte man wohl mal kräftig unter Wasser tunken, damit sich sein Verstand schärfte. Die Kerle lauerten doch nur darauf, ihnen die Haut abzuziehen und sie in den Töpfen zu schmoren.

      Old Donegal wiederum ärgerte sich mächtig, daß er nicht sofort durchgeblickt hatte, weil er so in den Anblick der Hütten versunken gewesen war. Dabei hatte er doch nur an seine Rutsche gedacht und gar nicht mitgekriegt, daß sie wieder an ihrem Ausgangspunkt angelangt waren.

      Er brachte aber doch noch so etwas wie ein lahmes Grinsen zustande und wandte sich – äußerlich sehr freundlich – an den Häuptling. Dabei bediente er sich der englischen Sprache.

      „Ho, wir sind sehr erfreut, euch wiederzusehen, Häuptling“, sagte er grinsend. „Wir haben heute nur mal eine kleine Spazierfahrt unternommen, verstehst du? Wir wollten mal die Umgebung kennenlernen. War wirklich sehr hübsch da draußen. Aber jetzt reicht es, ist ja auch fürchterlich heiß geworden. Ja, und dann wollten wir natürlich das Kanu wieder zurückbringen, falls es noch gebraucht wird!“

      Coanabo starrte den Alten unverwandt an. Kein Muskel zuckte in seinem scharfgeschnittenen Gesicht. Aber seine Blicke bohrten sich in die von Old O’Flynn und erdolchten ihn fast.

      Doch so was beeindruckte den Alten nicht im mindesten. Wenn es ein Chickcharnie gewesen wäre – ja dann! Er machte weiterhin freundliche Nasenlöcher und grinste wie ein alter Kobold.

      „Habt ihr dazu nichts zu sagen?“ fragte er erstaunt. „Oder seid ihr nicht froh, daß wir wieder zurück sind?“

      Der Kutscher schüttelte unmerklich den Kopf.

      „Was faselst du denn da für einen Unsinn, Donegal? Der Häuptling versteht doch von dem Geseire kein Wort.“

      „Wenn er ein echter Arwenack ist, versteht er Englisch“, sagte der Alte, der sich wieder mal zu den unmöglichsten Behauptungen verstieg.

      „Das sind Arawaks und keine Arwenacks, Mann! Das habe ich dir schon ein paarmal verklart und verklickert, aber du nimmst das ja nicht zur Kenntnis.“

      „Diese alte Spillspake kapiert überhaupt nichts mehr“, brummte der Profos, „der hat in England wohl an jeder Straßenecke nur noch Indianer gesehen. Es ist schon ein Kreuz mit ihm.“

      „Na gut“, murrte Old Donegal, „dann kann er mich mal. Ist ja nicht meine Schuld, wenn er noch nicht in England war. Soll er doch in seinen verdammten Sumpflöchern Eier ausbrüten.“

      Jetzt war er wieder richtig gallig und giftig und gab den Blick des Häuptlings auch keineswegs freundlich zurück.

      „Arsch mit Ohren“, sagte er zu dem Häuptling, aber das verstand der genausowenig wie den anderen Quatsch, den Old O’Flynn hin und wieder zu verzapfen pflegte.

      „Hör auf damit!“ sagte der Kutscher. „Ihnen dumme Reden zu halten oder sie zu beleidigen bringt ebenfalls nichts ein.“

      Sir John, inzwischen wieder knochentrocken, plusterte sich auf, sagte laut, kurz und völlig zutreffend: „Hummerarsch“ und flog davon, dicht an dem verdutzten Profos vorbei. Er strich ab und segelte in langem Bogen zu den Pfahlbauten. Dort ließ er sich irgendwo im Geäst eines Baumes nieder.

      Jetzt war es mit der Unterhaltung allerdings vorbei, denn nun waren die Indianer an der Reihe, die den Worten stumm gelauscht hatten.

      Coanabo stieß einen scharfen Befehl aus.

      Die Zwillinge hielten schon die Luft an, denn sie glaubten, daß die Arawaks jetzt mit Pfeilen auf sie schießen würden. Auch der Profos sah sich schon mit diesen gefiederten Dingern gespickt und wollte mit einem verzweifelten Satz in das Kanu des Häuptlings hechten, um ihm wenigstens noch die Faust an den Schädel zu knallen.

      Der Kutscher hingegen blieb wieder völlig ruhig und musterte die Indianer so gelassen, wie sie ihn oder die anderen musterten.

      Kaum hatte Coanabo die Worte hervorgestoßen, da drängten drei, vier Kanus blitzartig vor. Die Indianer hielten ihre Bogen auf die Männer gerichtet und forderten sie durch Kopfbewegungen und Zeichen der Bogen auf, in Richtung Land zu paddeln, ganz in die Nähe der Stelle, wo die Pfahlhütten standen.

      „Nur keine Aufregung“, sagte der Kutscher gelassen. „Wir sollen dort zu dem Strand hinüberpaddeln. Also tun wir, was sie wollen, damit es keinen Ärger gibt.“

      „Ärger ist gut“, brummte Carberry. „Sieht auch gar nicht danach aus. Sie wollen uns nur verhätscheln.“

      „Sie tun uns nichts“, versicherte der Kutscher. Aber daran glaubte längst niemand mehr, denn die Arawaks sahen augenblicklich alles andere als friedlich aus.

      Sie folgten jedoch der Aufforderung und zogen die Paddel durchs Wasser.

      Die anderen Kanus folgten dichtauf. Coanabo ließ die Weißen keinen Augenblick aus den Augen.

      Der Profos schielte nach Sir John, doch der war nicht zu sehen. Er hockte immer noch irgendwo im Geäst der Bäume und ließ sich nicht blicken.

      Im Gegensatz zu den meist vorherrschenden Mangrovenufern befand sich auf der linken Seite des Sees ein langer Sandstrand. Dorthin paddelten sie jetzt, scharf bewacht von den anderen Kanus. Hinter dem Strand wuchsen Bäume, ein paar Palmen, Buschwerk, und danach begann undurchdringliches Gestrüpp.

      Aus den Hütten blickten Indianer, neugierig, verstohlen starrten sie auf die weißen Männer.

      Als das Kanu auf den Strand lief, wurde ihnen bedeutet auszusteigen. Das alles geschah durch schnelle Kopfbewegungen oder Handzeichen.

      „Immer schön folgsam bleiben“, sagte der Kutscher mit unerschütterlicher Ruhe. „Keine Gegenwehr, es hätte keinen Zweck, denn hier gelangen wir allein nicht heraus.“

      Kaum befanden sie sich auf dem Streifen Sandstrand, da wurden sie auch schon von allen Seiten von Indianern umringt. Wie durch Zauberei tauchten Lianenseile in den Händen der Arawaks auf.

      Der Kutscher wurde blitzschnell gefesselt, über den Strand geschleppt und an einen Baum gebunden.

      Carberry war bereits von vier, fünf Kerlen umringt und knirschte vor Wut mit den Zähnen, als sie ihn fesselten und ebenfalls über den Strand zu einem Baum schleppten. Dort banden sie den Profos fest, der nur noch sehr mühsam seine Wut unterdrückte.


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