Seewölfe Paket 24. Roy Palmer

Seewölfe Paket 24 - Roy Palmer


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      Ein paar Wolkenbänke verwehten fast übergangslos zu langen Strichen, die sich nach und nach auflösten. Irgendwo in weiter Ferne war noch das Kreischen der Flamingos zu hören.

      Von den Mangroven mit ihren langen Stelzwurzeln wehte fauliger Modergeruch herüber, den allerdings die aufgehende Sonne vertrieb. Ein leiser Windhauch fuhr über den See und kräuselte das Wasser.

      „Man muß einer derartigen Lage auch die guten Seiten abgewinnen“, sinnierte der Kutscher. „Der Anblick ist wirklich mehr als faszinierend.“

      „Der Anblick eines Ausweges wäre noch faszinierender“, meinte Carberry. „Schließlich sehe ich einen Sonnenaufgang ja nicht zum erstenmal.“

      „Es kann aber immer der letzte sein“, widersprach der Kutscher. „Daher sollte man sich ein paar Augenblicke Zeit nehmen, ihn zu genießen. So sehe ich das jedenfalls.“

      „Irgendwo achteraus stehen diese Burschen klar bei Kessel, Mohrrüben, Sellerie und kochendem Wasser, und du bist wieder mal am Schwärmen“, sagte Carberry ungehalten. „Ich freue mich ja auch über den Sonnenaufgang, aber wir sind waffenlos und in einer miesen Situation. Deshalb sollten wir die Betrachtungen auf später verschieben und einen Ausweg suchen. Hinzu kommt, daß mich langsam Hunger und Durst plagen. Den Indianern mag es ja ähnlich gehen, aber die sind gewohnt, Menschenknochen abzunagen. Ich mag auch keine Indianer, jedenfalls keine gekochten, sonst hätten wir uns einen mitgenommen.“

      „Am Profosfleisch würden die sich eh die Zähne ausbeißen“, meinte der Kutscher ungerührt. „Muskeln und Sehnen – da könnten sie auch auf Shanes Amboß kauen. Das einzige, was bei dir weich ist, ist vermutlich das Gehirn, aber so winzige Kessel haben sie wiederum nicht.“

      Der Kutscher grinste den finster blickenden Profos freundlich an.

      „Spaß muß sein, Ed. Aber bei meinen Betrachtungen habe ich entdeckt, daß es etwa in südlicher Richtung einen weiteren Creek gibt. Man sieht ihn kaum, er ist durch Dickicht verborgen. Paddeln wir doch mal hin.“

      Carberry warf dem Kutscher noch einen wilden Blick zu. Dann nickte er grimmig.

      „Na gut. Hoffentlich hast du richtig gesehen, dann vergesse ich die dämliche Bemerkung mit dem weichen Gehirn. Wenn du dich aber geirrt hast, Kutscherlein, dann wird es Zeit, daß ich dich mal wieder kräftig zur Brust nehme, um dein Geschnatter abzustellen.“

      „Keine Sorge. Ich bin sicher, daß es hier nicht nur die eine Abzweigung gibt. Man muß nur richtig suchen.“

      Wieder wurden die Paddel ins Wasser getaucht. Nils Larsen und sein Freund Sven hielten immer wieder scharfäugig Ausschau nach allen Seiten. Doch es blieb still und ruhig bis auf das Quaken aus den Sümpfen oder weit entferntes Kreischen, das immer noch von den Flamingos stammen mochte.

      Die Sonne stieg langsam höher. Der See lag wie erstarrt da, und der faulige Geruch aus den Mangrovenwäldern verstärkte sich. Es wurde auch wieder drückend heiß und schwül.

      Ja, da war ein Creek, ein schmaler Wasserlauf in einem undurchdringlich scheinenden Irrgarten.

      Auf Carberrys Schulter zuckte Sir John zusammen, als zwei Papageien kreischend aufstoben und zur anderen Seite des Sees flogen.

      „Aasgeier!“ kreischte Sir John laut.

      „Sei still, du Schreihals“, sagte Ed.

      Sir John schwieg und ging daran, sein klatschnasses Gefieder zu putzen. Er erinnerte immer noch lebhaft an einen armseligen Sperling, der ins Wasser gefallen war.

      Der kleine Wasserlauf war so verborgen, daß man ihn erst sah, wenn man sich dicht davor befand. Der Kutscher hatte es im Sonnenlicht auch nur einmal glitzern sehen und daraus geschlossen, daß es ein weiteres Rinnsal gab. Es war teilweise zugewuchert. Dicht nebeneinander standen die Wurzeln der Mangroven. Auf den Mutterpflanzen hockten dicht an dicht die bereits ausgekeimten Jungpflanzen. Etliche Mangroven blühten. Andere trugen die langen schotenähnlichen Früchte. Der Geruch wurde immer aufdringlicher und intensiver.

      „Stinkt wie im Saustall“, stellte Old Donegal naserümpfend fest.

      „Wenn du dein Holzbein abnimmst und es zwischen die Mangroven steckst, treibt es schon einen Tag später Blüten und neue Wurzeln“, versicherte der Profos. „Hier kann man auf billige und leichte Art die Holzbeine vermehren.“

      „Glaub’ ich nie im Leben“, versicherte Old Donegal. „Das sind wieder so Spinnereien von dir.“

      „Versuch’s doch mal. Aber du hast ja bloß Angst, daß die Chickcharnies aufkreuzen und dein Holzbein klauen.“

      Sie duckten sich, denn erneut schlugen Blätter, Zweige und große Wedel in ihre Gesichter.

      „Ich weiß nicht, ob das der richtige Weg ist“, meinte Martin Correa. „Der Bach wird immer enger und wächst fast zu. Diese Strecke haben wir doch mit Sicherheit heute nacht nicht zurückgelegt.“

      Daran zweifelten auch die anderen. Sogar der Kutscher hob die Schultern, als er das zugewucherte Wässerchen sah.

      „Wir müssen es versuchen. Heute nacht haben wir nicht viel gesehen, fuhren aber oftmals haarscharf an Blättern und Ästen vorbei.“

      Sven richtete sich im Kanu auf und blickte nach vorn. Direkt neben dem Boot wuchsen riesige Blüten aus dem Wasser. Ihre Blätter waren so groß, daß ein ausgewachsener Mann darauf Platz gehabt hätte. Hin und wieder war ein Vogel zu sehen, der über die Blätter rannte und ständig mit dem Schnabel nach irgendwelchem Getier fischte.

      „Weiter vorn wird der Flußlauf etwas breiter“, sagte Sven. „Vielleicht sind wir doch auf dem richtigen Kurs.“

      Tatsächlich verbreiterte sich das Bächlein nach knapp fünfzig Yards.

      Carberry ließ nach einer Weile das Kanu stoppen, bis es bewegungslos im Wasser lag.

      „Was soll das?“ fragte Martin Correa.

      „Keine Strömung“, stellte Carberry fest. „Das gefällt mir schon überhaupt nicht. Sieht nach einem stehenden Gewässer aus.“

      „Eine ganz winzige Strömung gibt es doch“, widersprach der Kutscher nach einer Weile. „Man spürt sie aber kaum. Trotzdem sollten wir weiterpaddeln.“

      „Und wenn wir wieder in einem See landen?“

      „Kehren wir um und suchen nach einem anderen Weg.“ Der Kutscher war anscheinend durch nichts zu erschüttern. Er schwitzte auch kaum, wie Carberry erstaunt feststellte. Er hockte paddelnd im Kanu und erweckte ganz den Eindruck, als sei er der Leiter einer großangelegten Expedition, die unbekanntes Gelände erkundet.

       4.

      Der Creek mochte jetzt etwa acht Yards breit sein. Sein Ufer ging in Brackwasser über, das offenbar durch den Einfluß der Mangroven immer weiter versandete. Überall faßten die Stelzwurzeln immer wieder Fuß und setzten ihre unzähligen Ableger in den Boden.

      Die Sonne brannte jetzt noch kräftiger und schien ihnen heiß in die Gesichter, in denen der Schweiß perlte. Zum Glück zog etwas später wieder eine dunkle Wolke vorüber, die Erfrischung brachte.

      Der übliche Platschregen durchnäßte sie noch einmal, aber sie empfanden diese kühlenden Schauer als herrlich.

      „Ohne diese Güsse würde man hier glatt verrückt“, meinte Nils Larsen. „Das ist die einzige Erfrischung, und wenn man rechtzeitig die Futterluke aufklappt, kriegt man auch noch etwas zu trinken.“

      „Himmel, diese Mangrovenröhre muß doch bald mal ein Ende haben“, schimpfte Carberry. „Die Sonne steigt und steigt, und wir paddeln wie die Verrückten. Wir befinden uns doch schon mindestens zwei oder drei Stunden in diesem stinkenden Nebenarm.“

      „Höchstens eine Stunde“, schätzte der Kutscher. „Das Zeitgefühl trügt hier oft, wegen der Eintönigkeit.“

      „Du


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