Seewölfe Paket 24. Roy Palmer

Seewölfe Paket 24 - Roy Palmer


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er die Schimpfworte sofort nach, viele vergaß er auch wieder.

      „Der sogenannte neue Creek befindet sich da drüben, wo keine Mangroven wachsen“, sagte der Kutscher kühl. „Ich habe nämlich, ausgerechnet, welchen Weg die Sämlinge übers Wasser nehmen. Infolgedessen geht da auch eine ganz seichte Strömung. Später einmal wird dieser Teil restlos versanden, aber da drüben stecken ganz junge Mangroven im Boden. Dort zieht die Strömung hin, und in ein paar Jahren ist der Teil ein einziger Mangrovenhain. Dann kann man in den Creek auch nicht mehr hineinpaddeln. Das, mein lieber Ed, werden wir jetzt feststellen. Sollte meine Annahme nicht zutreffen, bin ich selbstverständlich bereit, dir recht zu geben.“

      „Da ist aber, verdammt noch mal, kein Bach zu sehen.“

      Sie paddelten aber trotzdem dorthin, wo die jungen Sämlinge im Wasser standen.

      Diesmal klappte dem Profos glatt der Unterkiefer weg, denn hinter einem wie getarnt aussehenden Gestrüpp zog sich ein neuer Creek dahin.

      „Jaja“, sagte der Kutscher grinsend, als er Carberrys knallrot angelaufenen Schädel sah, „ne ventis verba profundam.“

      „Genau“, sagte Carberry sehr bescheiden. „Und was heißt das?“

      „Das heißt: Gib, daß ich nicht in den Wind spreche.“

      „Ah ja.“ Carberry kratzte sich am linken Ohr und blickte sehr unbehaglich drein. Dieser Lümmel von einem Kutscher hatte es ihm wieder mal gesteckt, aber das zahlte er irgendwann einmal zurück. Immerhin hat er durch seine tiefsinnigen Betrachtungen wieder einen Flußlauf entdeckt, und das soll ihm erst mal einer nachmachen, sinnierte der Profos. Ein verdammt gescheites Bürschlein war dieser schmalbrüstige Kutscher, auch wenn ihn seine verflixten Sprüche manchmal auf die Palme trieben und er seine Überlegenheit mit einem Grinsen abtat.

      „Leider kann ich keine Garantie dafür übernehmen, wo wir landen“, sagte der Kutscher. „Aber vorerst ging es ja nur darum, in dieser Wildnis ein neues Bächlein zu entdecken. Das haben wir.“

      „Ja, das haben wir“, murmelte Carberry und merkte verärgert, daß es ihm fast so ging wie dem Stör, der immer die letzten Worte des Wikingers Thorfin Njal nachquatschte.

      Auch dieser Creek war nicht sehr ergiebig, wie sie bereits nach einer Viertelstunde feststellten. Auch hier brummten sie plötzlich ganz sanft auf, wie das vorhin der Fall gewesen war. Aber durch eine einfache Gewichtsverlagerung wurde das Kanu wieder flott.

      „Hier ist der Fahnenmast zu Ende“, verkündete Old O’Flynn, als ob das noch einer Feststellung bedurfte. Vor ihnen war alles zugewachsen und ging in morastigen Brei über. Noch weiter vorn wurde es sumpfig und matschig, das Wasser des Creeks teilte sich in unzählige kleine Rinnsale. Aber überall wuchsen die Sämlinge der Mangroven.

      Es war zum Haareausraufen – sie mußten wieder zurück.

      Jetzt allerdings war es mit der Laune des Profos endgültig zu Ende. Er fluchte erbittert und wurde immer biestiger.

      „Das gibt es doch nicht!“ wetterte er. „Wenn dieses Pfahldorf einen Zufluß hat, dann muß es auch wieder zurückgehen. Das ist völlig absurd und widersinnig.“

      „Es hat auch einen“, meinte Martin, „aber den müssen wir erst einmal finden. Das ist hier sehr schwierig.“

      „Vielleicht finden wir den richtigen, wenn der Kutscher erneut ein paar kluge Sprüche abläßt“, sagte Carberry. „Aber dann laß bitte solche klugen Sprüche los, daß wir auch im Meer landen.“

      „So kluge Sprüche gibt’s gar nicht“, erklärte der Kutscher. „Das hier ist ein einziges Labyrinth aus Tropenwald, Seen, Sümpfen, Flußläufen und kleinen Bächen. Wenn man da mitten hineingesetzt wird, ist es wohl etwas viel verlangt, sich auf Anhieb zurechtzufinden.“

      „Kluge Sprüche fallen dir wohl keine mehr ein, was, wie? Jetzt bist du auch mit deiner Weisheit am Ende.“

      „Nehmt es nicht so schwer“, meinte der Kutscher, „bisher haben wir noch aus jeder Lage herausgefunden. Genießt den Anblick des herrlichen Sees und der lieblichen Tiere. Ille terrarum mihi praeter omnis angulus ridet, was soviel bedeutet wie: Lacht mir doch kein Fleckchen Erde wie dieses.“

      „Jetzt ist er übergeschnappt“, sagte Carberry. „Das sind die Hitze und die stickige Luft. Mein Gott, ausgerechnet der Kutscher, und wir können ihm nicht mal helfen.“

      Ziemlich besorgt, aber auch mißmutig sah er den Kutscher an, der wieder aufmerksam über den See spähte. Er entdeckte auch noch vor den Zwillingen einen Flußlauf.

      Was den Profos so ärgerte, war die Gelassenheit des Kutschers. Der schien das als einen Spaziergang zu betrachten, glaubte nicht an Menschenfresser, schien keinen Bammel zu haben und gab sich ganz gelassen großen Sprüchen hin. Und er schien diese lausige Irrfahrt durch den Modder und Dreck regelrecht zu genießen.

      Noch einmal paddelten sie in einen Flußlauf, der seiner Breite wegen einiges versprach. Doch auch diese Hoffnung erwies sich recht bald als trügerisch und endete wiederum in einer Sackgasse.

      Ein winziger Brackwassersee tat sich auf, dem sich das übliche und sattsam bekannte Bild anschloß: ein paar Mangroven, undurchdringliches Dickicht, verfilzter Urwald und ein paar Reiher, die sich an den Anblick der Menschen nicht gewöhnen konnten. Kreischend und flatternd verschwanden sie.

      Der Profos sah direkt gefährlich aus, als sie wieder umkehrten. Wenn ihn jetzt einer anmosert, dann frißt er das Kanu, überlegte der Kutscher. Der war so in Braß, daß er alle Augenblicke aufgeregt und tief Luft holte, die er dann schnaubend ausstieß.

      „Scheißsee, mistiger!“ fauchte er. „Ich sauf ihn aus, und dann sehen wir ja, wo das Wasser nachfließt. Was jetzt?“ brüllte er.

      „Weitersuchen“, erklärte der. Kutscher lakonisch. „Wir haben ja noch den ganzen Tag vor uns.“

      „Unser ganzes Leben, meinst du wohl. Hier finden wir doch nie mehr heraus. Aber ich habe jetzt eine Idee, und die werden wir auch gleich in die Tat umsetzen, dann hat die Sucherei ein Ende.“

      Ein ganz sanfter Regenschauer zog vorüber und brachte zum Glück etwas Erfrischung. Diesmal rissen sie alle die Klappen auf, um ein paar Tropfen der kühlen Flüssigkeit abzukriegen. Danach sah der Profos etwas friedlicher aus.

      „Was für eine Idee hast du?“ wurde gefragt.

      „Sir John wird uns helfen“, sagte Carberry zur Verblüffung der anderen.

      „Und wie soll das geschehen?“

      „Ich setze ihn sozusagen als Pfadfinder ein“, verkündete der Profos mit leisem Triumph in der Stimme. „Sir John kann fliegen und hat von oben einen besseren Überblick. Der kann alles mit einem Blick übersehen. Und dann folgen wir ihm einfach. Ja, daran hast du auch nicht gedacht, Kutscherlein. Ich hab’s auch hier oben, ohne lateinische Sprüche, die sowieso nicht weiterhelfen. Das ist die Idee des Jahres.“

      Der Kutscher blickte den Profos fast mitleidig an, dann Sir John, der durch den Regen wieder auf Spatzengröße geschrumpft war und ziemlich zauselig und zerpliesert auf Carberrys Schulter saß.

      „Idee des Jahres!“ spottete der Kutscher. „Das ist bestenfalls der Witz des Jahres. Wie willst du das tun? Glaubst du etwa, die Krachente wird dir von oben den Kurs winken? Dafür ist Sir John viel zu dämlich. Der kann zwar hervorragend die rüdesten und ordinärsten Profos-Sprüche nachplappern, aber damit hat sich’s auch. Zum Mitdenken reicht sein Gehirn nicht aus, das ist nicht viel größer als eine lausige Mücke.“

      „Von wegen!“ brüllte Carberry. „Der hat Verstand, vielleicht mehr als wir alle zusammen.“

      „Der hat keinen Verstand, der Schreihals!“ wetterte der Kutscher erbost zurück. „Du willst mir doch wohl nicht verklaren, daß dieser Piepmatz, der wegen seiner klatschnassen Federn ohnehin nicht fliegen kann, Verstand und Geistesgröße habe. Jetzt langt’s aber, Mann! Erzähl das deiner Großmutter, die lacht vielleicht darüber.“

      Sir


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