Seewölfe Paket 15. Roy Palmer

Seewölfe Paket 15 - Roy Palmer


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neuer Schrei, ein paar Schläge. Ein Kerl segelte durch die Luft und landete in hohem Bogen im Wasser. Das war der eine Wächter, der zweite folgte blitzschnell hinterher.

      „Seid ihr verrückt?“ rief Burton voller Zorn. „Fischt die Kerle gefälligst wieder auf, sonst sind sie noch vor uns im Hafen!“

      „Sollen wir sie vielleicht spazierenfahren?“ fragte eine brummige Stimme vom Schiff her.

      „Gebt ihnen eins über den Schädel und sperrt sie irgendwo ein.“

      „Weshalb soll man Toten denn eins über den Schädel hauen?“ fragte die Stimme eines Mannes höhnisch zurück.

      Burton zuckte mit den Achseln. Daß er sich da keine sanften Lämmer eingehandelt hatte, wußte er. Aber die Kerle hätten auch anders vorgehen können.

      Trotzdem mußten die Toten aus dem Bach, damit man sie nicht vorzeitig fand, falls sich etwas verzögerte. Zwei Mann stiegen ins Wasser, packten erst den einen der Wächter, hoben ihn hoch und reichten ihn ihrem Kumpanen. Dann folgte der andere.

      Jetzt erst entschloß sich auch Burton, in das kalte Wasser zu steigen, doch in diesem Augenblick wurde eine Planke zum Ufer geschoben, und er konnte wie ein Admiral an Bord gehen. Man war ja schließlich wer!

      Bromley hatte es in der Zwischenzeit ebenfalls geschafft und wie ein nasser Sack das Schiff erklommen. Jetzt fror ihn ein wenig. Er verspürte schon wieder diesen entsetzlichen Hunger und schnatterte wie vor ein paar Jahren im Tower.

      „Steckt die Wachen in einen Verschlag oder sonstwohin!“ befahl Burton. „Das ist eine reine Vorsichtsmaßnahme.“

      „Tote an Bord bringen Unglück“, erklärte eine Stimme.

      „Wir wollen mit ihnen ja nicht die Welt umsegeln“, erwiderte Burton scharf. „Also bringt sie weg!“

      Über diese abgetakelten Kerle ein Kommando zu führen ist gar nicht mal so einfach, dachte er. Er bezahlte sie zwar für ihre Arbeit, aber sie wußten alles besser und kannten sich im Gegensatz zu ihm in der Seemannschaft eben besser aus.

      Als die beiden Wachen verschwunden waren, besichtigte Burton erst einmal das Schiff. Patricks alte Galeone hatte auf jeder Seite vier mittelgroße Stücke, aber die Rohre sahen nicht gerade vertrauenerwekkend aus. Vermutlich war schon lange nicht mehr aus ihnen gefeuert worden.

      „Wie steht’s mit den Kanonen?“ fragte er einen baumlangen Kerl.

      „Für jeweils einen Schuß wird es schon reichen. Kann auch sein, daß uns die Rohre nach dem Abfeuern um die Ohren fliegen, Mister.“

      „Habt ihr Pulver und Kugeln gefunden?“ wollte er dann wissen.

      „Ja, eine ganze Menge. Aber wie geht es nun weiter?“

      „So, wie es besprochen wurde. Wir segeln an der Werft vorbei, feuern, drehen wieder um und feuern noch mal, bis die Kanonen leer sind. Dann fahren wir mit dem Kahn irgendwo aufs Land und verschwinden. Das Ziel gebe ich euch noch an.“

      Fahren, drehen wieder um, Kanonen leer, dachte der Kerl. Das waren ja nette Ausdrücke, aber das konnte ihm egal sein, wenn dieser feiste Mister davon nichts verstand. Dafür waren sie schließlich da.

      Der Lange nickte.

      „In Ordnung, Mister. Wir haben ein paar Mann dabei, die sich darauf ganz gut verstehen, die können auch Segel setzen und diesen alten Zossen hier gut steuern.“

      „Dann ist ja alles in bester Ordnung“, sagte Burton. „Bloß die Strikke müssen wir nachher an Bord nehmen. Das wird nicht so einfach sein. Dann muß ja einer an Land bleiben.“

      Himmel, hat der gute Mann eine Vorstellung von der Seefahrt, dachte der Lange schaudernd. Wenn beim Loswerfen jedesmal ein Kerl an Land zurückbleiben würde, dann gäbe es auf der ganzen Welt bald keinen einzigen Seemann mehr.

      „Die kappen wir, auch die Ankertrosse, das Zeug brauchen wir ohnehin nicht mehr. Ich meine, wir schneiden sie mit dem Messer ab, Mister, und lassen sie sausen.“

      „Ach so, ja, natürlich. Die Stricke schneiden wir durch, klar“, sagte Burton, dem das Schiff ein Buch mit sieben Siegeln war.

      Burton und Bromley inspizierten den alten Kahn. Sie sahen sich die Räume an, tauchten auch in der winzigen Pulverkammer auf und benahmen sich so, als wären sie ihr ganzes Leben lang zur See gefahren. Daß sie den anderen dabei ständig im Weg herumstanden, fiel ihnen nicht auf.

      Die angeheuerten Knechte, Fischer und Beutelschneider entwickelten eine emsige Aktivität.

      „Ich staune nur, wie diese Kerle sich bei Nacht überall zurechtfinden“, meinte Bromley. „Die benehmen sich so, als kennen sie jede Planke von diesem Schiff. Ich wüßte nicht, wo ich zuerst anfangen sollte.“

      „Ich auch nicht“, gab Burton ehrlich zu. „Du solltest jedoch in Zukunft nicht so voreilig sein, Mark. Dein Sprung ins Wasser hätte unter ungünstigen Umständen alles vermasseln können.“

      „Ich will eben auch meinen Teil dazu beitragen. Sag mal, wo sind eigentlich die Schlafräume von diesen Kerlen? Ich meine, die müßten doch auch eine Küche haben, eine kleine wenigstens.“

      „Was willst du denn dort?“

      „Ich habe Hunger, und mit leerem Magen kann ich keinen klaren Gedanken fassen.“

      „Jaja, ich verstehe“, sagte Burton seufzend. Er blickte Mark Bromley an, aus dessen Klamotten immer noch das Wasser troff. Der dilettantische Exhauptmann stand da und schnatterte wie eine Ente.

      Den Weg zum Quartier mußten sie sich zeigen lassen, weder Burton noch Bromley fand ihn. Als sie dann endlich unten in der muffigen Kammer standen, wo noch immer schwach eine Lampe brannte, riß Bromley die Schapps auf und wühlte darin herum.

      Er fand ein paar runzelige Mohrrüben, zwei Äpfel, ein Stück Hartbrot sowie einen kleinen Tiegel mit leicht ranzig riechendem Schmalz.

      Ausgehungert, als hätte er tagelang nichts gegessen, fiel er darüber her, stopfte sich die Äpfel in den Mund, zerbrach das Hartbrot, stippte es in das ranzige Schmalz und schlang alles gierig hinunter.

      Burton stand daneben und sah angewidert zu. Von dem Zeug hätte er keinen Bissen runtergekriegt, selbst nach drei Hungertagen nicht. Bromley kratzte auch noch den Rest des Schmalzes mit dem Finger aus dem Holztöpfchen, aber satt war er immer noch nicht, und so stöberte er weiter.

      „Und wo ist die Küche?“ fragte er gierig.

      „Die werden wir auch noch finden, keine Angst.“

      Bromley wrang ein bißchen an seinen nassen Klamotten herum und hinterließ überall eine feuchte Spur, wo er ging und stand.

      Die Kombüse war so klein, daß sich zwei Männer gerade darin aufhalten konnten. Ein entsetzlicher Geruch drang aus dem Raum. Als Bromley mit der Lampe hineinleuchtete, wunderte er sich über die Decke in der Kombüse, denn sie sah aus, als hätte man sie dick paniert. Dann kam aber ziemlich schnell Leben in sie, denn die Panierung war nichts anderes als eine Armee von Kakerlaken, die jetzt verstört nach allen Richtungen davonflitzten.

      Burton ging mit einem Gefühl des Ekels hinaus. Er hörte Bromley rumoren, wühlen und Fußtritte austeilen, mit denen er gegen die Schapps donnerte. Offenbar hatte er wieder was zu essen gefunden, denn Burton hörte ihn mampfen.

      Pfui Deibel, dachte er, der frißt sogar das von Kakerlaken und Kleister durchsetzte Mehl aus den Säcken. Dem mußten sie ja damals im Tower ganz gehörig zugesetzt haben. Diesen Hungertick würde er bis an sein Lebensende nie wieder loswerden.

      Oben an Deck wurde geflucht. Schritte und Getrappel waren zu hören, Kugeln polterten an Deck. Die kleine Galeone wurde in Gefechtszustand versetzt und aufgeklart, und Bromley hockte hier unten und stopfte alles in sich hinein, was er an Eßbarem fand.

      Endlich erschien er wieder, grinsend und erleichtert, wie Burton sah. Aus seiner rechten Hosentasche lugten noch ein paar der verrunzelten Karotten heraus. Notproviant für


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