Seewölfe Paket 15. Roy Palmer
meinte Servan. „Dann kann er im Bilgewasser schwimmen, wenn er Lust dazu verspürt. Die Wasserhöhe müßte ausreichen, da er beim Tauchen ja am liebsten seinen Arsch aus dem Wasser streckt.“
Die Piraten brüllten vor Lachen, und das brachte Le Testu wieder einigermaßen zur Besinnung.
Er rappelte sich auf die Knie, würgte wieder Salzwasser hoch und spuckte es Pierre Servan auf die Stiefel.
Servan tat einen Satz zurück und fluchte.
„Du verrückter Hund!“ schrie er. „Das leckst du mir ab! Versaut uns das ganze Schiff, dieser verräterische Hurensohn von einem Hugenotten!“
„Selber Verräter, du hinterhältiges Lügenmaul!“ gab Le Testu stöhnend zurück. „Ich hätte dich gleich über den Haufen schießen sollen, als wir uns im Wald begegneten, dann gäbe es jetzt einen Dreckskerl weniger auf der Welt.“
„Du bist eben zu blöd, Mann“, sagte Servan grinsend. „Wenn du alles glaubst, was man dir auf die Nase bindet, mußt du dich nicht wundern, wenn du von einer Falle in die andere tappst.“
Le Testu sagte nichts mehr.
Pierre Servan hatte recht. Er hatte sich wie ein Dummkopf benommen und erhielt jetzt nur seine gerechte Strafe. Er schaute Montbars an, der mit bleichem Gesicht an der Lenzpumpe lehnte. Der notdürftige Verband an seiner Schulter war wieder durchgeblutet. Er sah ziemlich geschwächt aus, und Le Testu wußte, daß sie kaum noch einmal eine Gelegenheit zur Flucht erhalten würden.
Er schüttelte den Kopf. Noch wollte er die Hoffnung nicht aufgeben. Solange er lebte, bestand immer noch eine Chance.
Er wehrte sich nicht, als sie ihn am Hemd auf die Beine rissen, ihn fesselten und unter die Back schleppten, wo sie ihn durch eine Luke unter Deck stießen. Sie brachten ihn in eine kleine Kammer in der Vorpieck.
Bevor die Tür hinter ihm und Montbars verriegelt wurde, sagte Yves Grammont, der seinen Männern gefolgt war, hohnlachend: „Wenn wir mit euch fertig sind, werden wir eure Reste an Heinrich von Bourbon ausliefern. Ich habe gehört, daß seine Soldaten scharf darauf sind, euch beide ein bißchen zu kitzeln.“
Le Testu und Montbars schwiegen.
Yves Grammont wußte nicht, daß er mit diesen Worten neue Hoffnung in Le Testu und Montbars geweckt hatte. Sie warteten, bis die Tür hinter ihnen zuschwang und völlige Dunkelheit um sie herum war. Die Stimme Grammonts drang zu ihnen herein.
„Was ist los?“ fragte er.
„Der Ausguck meldet, daß die Galeonen der Engländer Kurs auf uns genommen haben“, antwortete ein anderer.
„Wir kehren um“, sagte Grammont grimmig. „Kurs Lannion.“
„Was ist mit den Fischerbooten?“
„Wir nehmen sie im Schlepp mit.“
Schritte entfernten sich, dann war es still.
„Hast du gehört?“ fragte Le Testu flüsternd. „Sie wollen uns an die Soldaten Heinrich von Bourbons ausliefern. Das heißt, daß sie uns nicht hängen werden!“
Montbars stöhnte.
Le Testu versuchte, dichter an ihn heranzurücken.
„Wir müssen die verdammten Fesseln lösen“, preßte er hervor. „Dann können wir uns um deine Wunde kümmern.“
Er spürte einen Druck an seiner linken Seite, als er sich herumwälzen wollte.
Die Flasche, dachte er. Er hatte sie dem gefangenen Engländer abgenommen und eingesteckt. Die ganze Zeit hatte er nicht mehr an sie gedacht.
Was hatte der Engländer in seinem fürchterlichen Französisch hervorgestoßen, als er, Le Testu, ihn nach der Bedeutung der Flasche gefragt hatte?
„Zünde mal die Lunte an“, hatte der Engländer gesagt, „dann wirst du sehen, was passiert.“
Le Testu begann zu grinsen. Bei der erstbesten Gelegenheit würde er diesen Rat beherzigen. Er hoffte, daß der Engländer nicht gelogen hatte.
Er grinste, als er daran dachte, daß die Piraten es nicht einmal für nötig befunden hatten, sie nach versteckten Waffen zu durchsuchen. Er tastete mit den gefesselten Händen nach seinen Stiefeln. Hatte er sein Messer bei seinem Fluchtversuch verloren?
Nein, auch das Messer war noch da.
Le Testus Optimismus wuchs.
„Los, Montbars“, sagte er. „Laß uns versuchen, unsere Fesseln zu lösen. Verdammt, der Satan soll mich holen, wenn wir es nicht schaffen, diesen Hundesöhnchen alles heimzuzahlen, was sie uns angetan haben.“
4.
Die „Fidelity“, Easton Terrys hatte auf Zeichen von Ben Brighton die Spitze übernommen, da die „Hornet“ durch ihren zersplitterten Bugspriet nicht mit vollen Segeln fahren konnte.
Bens Bruder Roger hatte sich um die Takelung des Vormastes gekümmert. Fockstag, Vorstengestag und Vorbramstag mitsamt dem Sprietmastbackstag waren durch den Kanonenschuß der „Louise“, der den Bugspriet abgeknickt hatte wie einen Kienspan, zerstört worden. Roger Brighton hatte bereits alles in die Wege geleitet, daß das Rigg erneuert werden konnte, aber erst einmal mußte der Bugspriet wieder in Ordnung sein.
So fuhr Ben am Vormast nur die Fock, was bei achterlichem Wind allerdings nicht viel brachte.
Bis auf die Männer, die an Land gewesen waren, befand sich alles an Deck. Al Conroy scheuchte die Männer an den Culverinen hin und her. Sämtliche Geschütze wurden überprüft, die Brooktaue und Geschütztaljen nachgesehen und die Ladegeräte gereinigt und griffbereit zurechtgelegt. Die Grummets neben den Geschützen wurden mit Kugeln aufgefüllt, die Zündlöcher mit Bohrern gesäubert.
Als es nichts mehr zu beanstanden gab, ließ Al die Männer exerzieren, bis Luke Morgan knurrte: „Nun ist es aber genug, Al. Sonst sind wir fix und fertig, wenn es in Gefecht geht.“
„Was sollen denn Hasard und die anderen sagen, die die ganze Nacht durch marschiert sind, während ihr geschnarcht habt wie besoffene schottische Bauern, he?“
„Sie ruhen sich ja jetzt aus“, sagte Luke. „Oder willst du, daß wir vor Müdigkeit umfallen, wenn die anderen wieder aufwachen?“
Al Conroy nickte. Er wußte, daß Luke recht hatte. Vielleicht war es nur der bevorstehende Kampf, der sie alle ein bißchen nervös werden ließ.
Ben Brightons Kopf schob sich über die Balustrade zum Achterdeck.
„Was ist denn das für ein Hämmern unter Deck?“ fragte er.
Als Conroy hob den Kopf. Jetzt hörte er es auch. Es hörte sich an, als schlage jemand mit einer Axt auf Holz herum.
„Ferris Tucker“, murmelte Al.
„Der sollte doch schlafen!“ rief Ben.
Al grinste zu ihm hoch.
„Du kennst doch Ferris, oder?“ fragte er Ben Brighton. „Wenn an seinem Schiff etwas nicht in Ordnung ist, findet er keinen Schlaf, und wenn er vorher Wochen durch die Gegend marschiert ist. Er wird einen neuen Bugspriet zurechtzimmern, und dein kleiner Bruder wird ihm dabei helfen.“
Ben Brighton zuckte mit den Schultern. Er wußte, daß Al Conroy wahrscheinlich recht hatte.
Er drehte sich um, als er ein Schott knarren hörte. Er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Fast hatte er es sich gedacht. Auch der Seewolf hatte in seiner Kammer nicht den rechten Schlaf gefunden. Nach drei Stunden war er wieder auf den Beinen. Er sah zwar noch ein bißchen müde aus, doch seine Augen waren klar.
Er ging zur Backbordseite hinüber und schaute auf die „Fidelity“, die etwa zweihundert Faden vor ihnen segelte.
„Holen wir auf?“ fragte Hasard, als Ben Brighton neben ihn trat.
Ben