Seewölfe Paket 15. Roy Palmer
uns ein Waffenversteck in der Nähe, und wir gingen mit ihm dorthin und fanden tatsächlich eine Menge Musketen und Pistolen.“
„Und dann habt ihr es den Engländern gegeben“, sagte Yves Grammont zufrieden.
Pierre Servan wand sich.
„Wir haben mit ihnen gekämpft“, gab er zerknirscht zu, „aber der schwarze Teufel von der ‚Hornet‘ war bei ihnen und hat gekämpft wie ein Berserker.“
Yves Grammont hatte einen unartikulierten Laut ausgestoßen, der Pierre Servan verstummen ließ. Das Gesicht des Korsaren verzerrte sich zu einer Maske des Hasses. Vor seinen Augen stieg wieder das Bild auf, das ihn seit dem Gefecht mit den Engländern verfolgte: der schwarzhaarige Kerl auf dem Achterdeck der „Hornet“, der mit hochgereckter Faust seinen Leuten Befehle gab und verantwortlich war für die Schmach, die er, Yves Grammont, erlitten hatte.
„Warum habt ihr ihn nicht getötet?“ brüllte er. „Wieso lebt der Hundesohn noch?“
„Ich versuchte es“, erwiderte Servan, „aber der Engländer scheint mit dem Teufel im Bunde zu sein. Meine Kugel streifte ihn nur am Arm.“
Grammont hatte sich das rote Kopftuch von den Haaren gerissen und warf es auf die Decksplanken. Wild trampelte er darauf herum.
„Warum bin ich nur von Versagern umgeben?“ schrie er. „Überall nur Tölpel und Schlappsäcke!“ Er warf einen wütenden Blick zu Ferret hinüber, der das Steuerrad umkrampft hatte und leicht grinste. „Grins nicht, du Hundesohn, oder ich schieße es dir aus der Visage!“ brüllte er.
Er tobte über das Achterdeck wie ein Verrückter und schlug sich mit den Fäusten immer wieder auf die dicht behaarte Brust. Dann blieb er ruckartig stehen. Seine Faust zuckte vor, packte Servan am Hemd und riß ihn zu sich heran, daß sich ihre Nasen fast berührten.
„Ihr seid wieder geflüchtet, stimmt’s?“ brüllte er.
Servan kriegte kaum mehr Luft. Grammont hatte das Hemd in seiner Faust gedreht und schnürte ihm den Atem ab. Sein Gesicht lief schon rot an, als der Korsar sah, daß Servan ihm nicht antworten konnte. Er ließ den Mann los und schleuderte ihn von sich, daß er nach ein paar stolpernden Schritten mit dem Rücken gegen die Balustrade zur Kuhl prallte.
Grammont stampfte hinter ihm her.
„Antworte, du feige Ratte!“
Pierre Servan richtete sich auf. Plötzlich hielt er eine Pistole in der rechten Hand, und die Mündung war auf den Kapitän gerichtet, der stocksteif stehenblieb. Sein eines Auge zuckte. Das Blau der Iris war von einer Eiseskälte, daß Pierre Servan zu Tode erschrak, aber er wußte, daß es jetzt kein Zurück mehr für ihn gab.
„Ja!“ stieß er hervor. „Wir haben uns zurückgezogen. Aber nur, weil wir einen Gefangenen hatten, mit dem wir die Engländer erpressen wollten. Wir sind in ein Fischerdorf gegangen und haben uns dort Boote geholt und sind zurückgekehrt, um die Engländer mit den Booten anzugreifen. Wir dachten, daß Yves Grammont, der große Korsar, schon vor uns hier sein würde, um mit den Engländern abzurechnen, aber wir waren allein auf uns gestellt und hatten das Pech, daß man uns entdeckte. Von fast dreißig Männern sind noch elf am Leben! Wir haben nicht gesiegt, aber wir haben für dich unser Leben eingesetzt, Grammont! Danke es uns nicht, indem du uns beschimpfst!“
Pierre Servan steckte seine Pistole wieder weg, als wäre nichts geschehen. Er wußte, daß er sowieso keine Chance gehabt hätte, dieses Schiff lebend zu verlassen, wenn er abgedrückt hätte, aber er hatte sich nicht vor der ganzen Mannschaft der „Louise“ demütigen lassen wollen.
Yves Grammont blieb ruhig. Er hatte wieder die Arme vor der behaarten Brast verschränkt und fuhr sich mit der linken Hand durch den Vollbart.
„Ich war ein bißchen zu hart zu euch, Servan, wie?“ sagte er dann mit einer Stimme, der nichts mehr von seiner Wut anzuhören war.
Pierre Servan sagte nichts. Er rang sich ein leichtes Grinsen ab und nickte.
„Dieser englische Hundesohn macht mich verrückt“, sagte Grammont wieder heftiger. „Er steckt mir im Blut wie eine Krankheit, seit seine Geschütze meine Schiffe auseinandergetrieben haben, als seien es nur jämmerliche Kauffahrer. Ich will den Kerl haben, koste es, was es wolle!“
„Wir werden ihn uns holen, Kapitän“, erwiderte Servan heiser. „Vielleicht kann uns der Hugenotte, den ich mit an Bord gebracht habe, etwas näheres über das Komplott sagen, das die Engländer gegen uns geschmiedet haben.“
Der Korsar richtete sein Auge auf die beiden Gestalten in der Kuhl, die etwas abseits von den anderen standen und von niemandem besonders beachtet wurden.
Servan schob sich aus ihrem Blickfeld, lief schnell zu Ferret hinüber und zischte ihm ins Ohr: „Geh runter in die Kuhl und achte auf die beiden Burschen, die ich mit an Bord gebracht habe. Es sind Hugenotten, und wenn sie merken, daß sie bei uns an der falschen Adresse sind, werden sie vielleicht versuchen, abzuhauen.“
„Wohin denn?“ fragte Ferret grinsend.
„Quatsch nicht, sondern tu, was ich dir sage“, erwiderte Servan scharf.
Ferret zuckte mit den Schultern und schob sich zum Niedergang zur Kuhl. Er holte sich auf dem Weg hinüber zu den beiden Fremden noch einen Mann, und als Servan sah, daß sie sich unauffällig hinter Le Testu und dem Korsen postiert hatten, sagte er zu Grammont: „Das ist der Kerl, der unsere Waffentransporte nach Rennes überfallen hat.“
Yves Grammont starrte Servan ungläubig an. Dann entspannte sich sein Gesicht, und grinsend sagte er. „Wenn das stimmt, werden wir dem Bourbonen ein unschätzbares Geschenk überreichen können.“
3.
Gustave Le Testu zog die Augenbrauen zusammen, als er den Mann auf dem Achterdeck der „Louise“ brüllen hörte. Irgendwie weckte die herrische Stimme eine Erinnerung in ihm. Mit seinen dunklen Augen starrte er zum Achterdeck hinauf, aber weder Servan und Bauduc noch der Kapitän waren zu sehen.
„Mir ist nicht wohl in meiner Haut“, zischte Le Testu dem Korsen zu, der seine Wunde auf der linken Schulter betastete.
„Warum nicht?“ fragte Montbars. „Hier sind wir vor den englischen Piraten sicher.“
Eigentlich hat Montbars recht, sagte sich Le Testu, aber ein besseres Gefühl wollte sich dennoch nicht einstellen.
Er warf einén Blick zur Küste hinüber, wo die Sonne als glutroter Ball aufging. Die beiden englischen Galeonen waren ankerauf gegangen, und die zweimastige, lateinergetakelte Karavelle, die noch ein Stück weitergekreuzt war, hatte ebenfalls beigedreht.
Er wandte sich an Montbars und half dem Korsen, einen Verband um die Schulterwunde zu schlingen.
„Große Schmerzen?“ fragte er.
Der Korse biß die Zähne aufeinander. Sein kantiges Gesicht war bleich. Das Salzwasser, das in seine Wunde gedrungen war, mußte höllisch gebrannt haben.
Die Stimme auf dem Achterdeck war lauter geworden. Le Testu sah, wie die gesamte Crew auf der Kuhl atemlos hinaufstarrte.
„Hoffentlich schießt der verrückte Hund Servan und Bauduc nicht über den Haufen“, flüsterte er. „Dann sind wir auch erledigt.“
Der Korse antwortete nicht. Er schien im Moment mit nichts anderem als mit seiner Wunde beschäftigt zu sein.
Le Testus Blick ruckte herum, als er das leise Aufstöhnen der Männer neben sich vernahm. Er sah, wie Pierre Servan mit dem Rücken gegen die Galerie des Achterdecks prallte. Und dann wollte ihm der Atem stocken.
Servan hielt eine Pistole in der Hand und hatte sie auf den großen, athletischen Mann mit dem Vollbart gerichtet. Die schwarze Augenbinde schien über die Schulter Servans hinweg genau in Le Testus Augen zu starren.
Le Testu zuckte zusammen, als hätte ihn eine Peitsche quer übers Gesicht getroffen.
Eine