Revierkampf. Frank Goldammer

Revierkampf - Frank Goldammer


Скачать книгу

      »Mach dir nichts daraus, die Kids kriegst du nicht. Rennen wie junge Hunde.«

      Tauner stieß sich vom Auto ab. »Der fragte mich sogar, warum ich ihm nachlaufe!«

      »Er hat mit dir geredet?«

      »Hat gewartet, keine 50 Meter weiter.« Kaum war es draußen, ärgerte Tauner sich darüber.

      Den bärtigen Mund seines Kollegen umwogte ein feines Lächeln. Doch er sagte nichts, hob sich den Spott für später auf und machte ein paar Fotos von der Wand. »Problematisch wird es für die Jungs nur, wenn sie in flagranti erwischt werden, dann weiß man nämlich, welches Zeichen sie verwenden, und kann ihnen all die Tags aufs Auge drücken, die man in der Stadt gefunden hat. Da kommt ein hübsches Sümmchen zusammen zum Schluss.«

      »Und weil die Hornochsen sowieso kein Geld haben, können sie die Strafe nicht bezahlen, bekommen Sozialstunden aufgebrummt und irgendein Sozialarbeiter gibt ihnen Tipps, wo es noch Wände zu beschmieren gibt.«

      Uhlmann lachte grunzend. »Das ist der Falk, wie ich ihn mag.«

      »Mach dich nur lustig. Findest du das in Ordnung? Alles vollzuschmieren?«

      Uhlmann winkte ab. »Kannst doch nichts dagegen tun. Das gehört zu unserer Kultur.«

      »Wenn dir das Haus gehört, siehst du das anders.«

      »Stimmt, aber mir gehört kein Haus. Kannst du das entziffern?« Uhlmann deutete auf das Gekritzel.

      Tauner hielt den Kopf schief und versuchte, aus den Schlaufen und Zacken irgendetwas herauszulesen. »Grftl?«

      »Nofate!«, meinte Uhlmann.

      Tauner blies die Backen auf und ließ Luft entweichen. »Wo willst du denn hier ein N erkennen?«

      »Glaub’s mir! Hier, sieh!« Uhlmann fuhr mit seinem dicken Zeigefinger die Buchstaben entlang. »Enn … ooo … efff … aaa … tee … eee … Ausrufezeichen … Schnörkel.«

      Tauner schüttelte den Kopf und öffnete die Wagentür. »Gehen wir frühstücken, Ausrufezeichen, ohne Schnörkel.«

      »Hast du nicht die Kinder dieses Wochenende?«, fragte Uhlmann mit vollem Mund, vor ihm stapelten sich schon drei leere Pappschachteln.

      Tauner nickte und pikte skeptisch sein Rührei an. Da es nicht gackerte oder davonlief, begann er es zu essen. Eine Angestellte kam, nahm die Nummer vom Tisch und stellte Uhlmann drei weitere Schachteln vor die Nase. »Guten Appetit!«, meinte sie und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.

      Uhlmann störte das nicht, er schob Tauner eine Schachtel zu. »Hier, geb ich aus!«

      »Was ist denn das?«

      »Ein Pancake!«

      »Bist wohl schon satt?«, fragte Tauner ein wenig gehässig.

      Uhlmann schniefte mit vollen Backen, langte nach vorn und zog die Schachtel zu sich. »Und was hast du vor mit deinen Kindern?«

      Tauner trauerte dem Pancake ein wenig nach, konnte es jedoch nicht zeigen, hob deshalb die Schultern. »Keine Ahnung, in den Zoo vielleicht.«

      »Ha!« Uhlmann lachte ein halbes Lachen und stopfte sich wieder etwas in den Mund. »Wie alt sind die?«, presste er durch die geschlossenen Zähne.

      »Tom ist 16.«

      »Deine Mädels sind doch schon 20, oder?«

      »21 und 19. Hast du einen besseren Vorschlag?«

      »Geh doch baden mit ihnen, fahr zum Senftenberger See.«

      »Hans, ich bin froh, dass sie noch mit mir reden, ich glaube nicht, dass sie beim Baden mit ihrem alten Herrn gesehen werden möchten. Außerdem kommen die erst am Nachmittag, weil die Damen nämlich ausschlafen wollen. Die gehen heute Abend weg und kommen nicht vor 6 Uhr morgens wieder. Und wie ich Tom kenne, zockt der bis zum Morgengrauen.«

      Uhlmann sah erstaunt von seinem Essen auf. »Der zockt? Um Geld?«

      »Nein, mein lieber Kollege, er spielt Computer. Ich dachte, du als Experte für jugendliche Subkulturen wüsstest das.«

      »Na ja, der Zoo ist gar nicht schlecht.«

      »Sag ich doch«, knurrte Tauner. Er hatte Angst vor dem morgigen Tag, musste er sich eingestehen. Bestimmt lachten ihn die Kinder aus, und sicher maulte Tom den ganzen Tag herum. Und gewiss würden Nicole und Sandy sowieso nur über Dinge plappern, die er nicht verstand, und garantiert würde eines der Kinder irgendwann so etwas sagen wie: ›Bei Mama dürften wir das‹, oder: ›Mama hätte nichts dagegen‹, oder: ›Mama würde schimpfen‹.

      »Wollen wir uns zufällig treffen im Zoo?«, fragte Uhlmann, der trotz seiner geistigen Grobmotorik manchmal auch sehr feinfühlig sein konnte.

      Tauner wägte diesen Vorschlag in Gedanken ab und schüttelte den Kopf. »Das würden die merken, und außerdem …« Da musste er allein durch, dachte Tauner zu Ende.

      2

      Er wusste schon, dass es ein Fehler gewesen war, da waren sie nicht mal beim Zoo angekommen. Der Parkplatz war überfüllt und vor dem Eingang war eine hundert Meter lange Schlange. Kinder kreisten in spätsommerlicher Hitze als kreischende Satelliten um ihre Eltern oder verharrten in Agonie und wurden von ihren Eltern nach vorn geschubst, wenn die Wartenden sich rührten.

      »Oh Mann!«, stöhnte Tom auf dem Beifahrersitz. Er war schlaksig und dürr wie fast alle Jungs in seinem Alter.

      »Tommy, hab dich nicht so!«, zwitscherte Sandy. Tauner hätte sie beinahe nicht wiedererkannt, sie hatte ihren ›Look‹ geändert, aus langen blonden Haaren waren halb lange rote Haare geworden, und Tauner war sich nicht ganz im Klaren, ob ihm das gefiel. »Wird bestimmt schön!«

      Das sagte sie nur seinetwegen, dachte sich Tauner im Stillen und fragte sich, wo er das Auto abstellen konnte. Sie hätten mit der Straßenbahn fahren sollen.

      »Wir hätten mit der Bahn fahren sollen, Papi«, meinte Nicole.

      »Sag doch nicht Papi«, murrte Falk. Jetzt war er schon fast am Ende des Großen Gartens angelangt und hatte noch immer keine Parklücke gefunden.

      »Was soll ich sonst sagen? Vater? Vati? Oder Herr Hauptkommissar?«

      Falk blickte in den Rückspiegel, um zu sehen, ob seine Älteste einen Scherz gemacht hatte. Nicole war sehr nach ihrer Mutter geraten, nicht nur dem Äußeren nach. Sie war das einzige seiner Kinder, welches die Scheidung der Eltern nicht nur aus einem praktischen Aspekt betrachtete, sondern um die verlorene gemeinsame Zeit trauerte. Was er sah, machte ihn ein wenig traurig. »Was weiß ich, sag eben Papi«, sagte er leise und zwinkerte Nicole im Spiegel zu. Im nächsten Moment wünschte er, er hätte es nicht getan.

      »Da drüben parkt einer aus!«, meinte Tom.

      Falk bremste, sah kurz in den Spiegel und wendete eng und schnell, dass die Reifen quietschten.

      »Das war aber nicht nötig«, meinte Nicole leise.

      Tom drehte sich zu ihr um. »Ich fand es geil!«

      Falk schloss einen Moment die Augen. Sie waren keine halbe Stunde zusammen und er war schon in zwei Fettnäpfchen getreten. Wütend über sich selbst parkte er ein.

      Als er aussteigen wollte, hielt Tom ihn am Handgelenk fest. »Ich sag’s dir gleich, das wird heut teuer für dich. Ich will Eis und Pommes und Cola und was weiß ich noch!«

      Tauner grinste seinen Rotzlümmel von Sohn an. »Damit habe ich schon gerechnet.«

      »Und!« Tom hob die Hand. »Nach dem Abendbrot will ich nach Hause. Ich hab heut eine Session.«

      »Und wir haben heute Abend auch etwas vor!«, meldete sich Sandy. »Wir wollen ins Kraftwerk!«

      Tauner hob die Hände. »Ich zwinge euch ja nicht, bei mir zu bleiben. Ich wollte nur ein paar Stunden mit euch zusammen sein.«


Скачать книгу