Revierkampf. Frank Goldammer

Revierkampf - Frank Goldammer


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Falk sah sie fragend an.

      »Wolltest du Zeit mit uns verbringen oder hat Mama dich dazu genötigt?«, fragte seine Große schließlich.

      Falk ersparte sich eine Antwort. Falls eines seiner Kinder von dem Anruf seiner Exfrau wusste, dann Nicole.

      »Was hast du denn für eine Session?«, fragte er Tom, der hinter den beiden jungen Frauen lief. »World of Warcraft?«

      »Pfft!« Tom sah ihn an, als hätte er sich einen Damenhut aufgesetzt. »Counter Strike!«

      »Ist das nicht dieses Ballerspiel?«

      »Ja, Papa, und morgen dreh ich durch und werde zum Amokläufer.«

      »Hör mal, damit macht man keine Faxen!«, mahnte Falk seinen Sohn und sah sich sogar um, ob nicht zufällig jemand mitgehört hatte.

      Tom stöhnte genervt. »Ja, ich weiß. Hast du was gegen das Spiel?«

      Falk hob die Schultern. Es war ein Ego-Shooter, bei dem derjenige siegte, der die meisten Gegner tötete. In Tauners Augen war es brutal, jedoch war es ein Spiel, und er glaubte nicht, dass die Jungs allein deshalb durchdrehten und zu Amokläufern mutierten.

      Tom ging es zu lang, bis er eine Antwort erhielt. »Oh, sag es ruhig, jeder ist dagegen!«

      »Ach, spiel nur. Bestimmt bin ich nur zu alt dafür. Sag mal«, er beugte sich ein wenig zu seinem Sohn, »haben deine Schwestern Freunde?«

      »Frag sie doch selbst!«, sagte Tom laut.

      Nicole und Sandy drehten sich um. »Haben wir nicht!«, sagte Sandy.

      Na prima, dachte Tauner, nur immer her mit den Fettnäpfchen.

      Sie warteten länger als eine halbe Stunde, um in den Zoo zu gelangen. Falk hatte seine Hände in den Hosentaschen und kam sich vor wie das fünfte Rad am Wagen, obwohl sie nur zu viert waren. Die beiden Schwestern redeten, als hätten sie sich seit Wochen nicht gesehen. Falk vermutete, dass Absicht dahintersteckte, jeder von ihnen hatte sich vorgenommen, den Nachmittag irgendwie hinter sich zu bringen. Tom hatte sein Handy hervorgeholt und spielte irgendein Spiel, dessen piepsiges Gedudel Tauner so an den Nerven zehrte, dass er seinem Sohn das Gerät am liebsten aus der Hand geschlagen hätte. Das war er nun geworden, hatte Falk gedacht, irgend so ein Typ, mit dem seine Kinder den Nachmittag verbringen mussten, anstatt mit allen anderen ins Schwimmbad zu gehen.

      Er war heilfroh, endlich im Zoo zu sein und nicht mehr schweigend herumzustehen. »Wo gehen wir lang?«, fragte er und wollte mit forschem Ton ein wenig Schwung in die Angelegenheit bringen. Er ertappte sich dabei, wie er sich suchend nach seinem Kollegen und dessen Frau umsah.

      »Mir egal!«, murmelte Tom, ohne seine Augen von seinem Piepgerät zu nehmen.

      »Okay, deine Schwestern haben sich schon entschieden«, meinte Falk und folgte seinen Töchtern, die zum Elefantengehege liefen, welches sich gleich links neben dem Eingang befand.

      Tom sah auf, hob die Augenbrauen, wie einer, der schon alles auf dieser Welt gesehen hat, und steckte sein Handy weg, ohne dass Falk etwas sagen musste.

      »Wie läuft’s denn so in der Schule?«, fragte Falk. Die Hoffnung, heute ein Gespräch mit seinen Töchtern zu führen, verlor sich mit jedem ihrer ausgreifenden Schritte.

      Tom stöhnte genervt. »Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder? Erstens sind Ferien und zweitens hast du doch mein Zeugnis gesehen.«

      »So war das doch nicht gemeint«, brummte Falk und versuchte, sich zu erinnern, wie Toms Zeugnis ausgesehen hatte. Gar nicht so schlecht vermutlich, sonst hätte seine Mutter sich beschwert. »Ich meinte deine sozialen Kontakte?«

      »Soziale Kontakte?« Tom sprach es aus wie eine hässliche Krankheit, die man niemandem wünschte. »Meinst du mein Umfeld, oder was? Ob ich Freunde habe?«

      »Ja, oder eine Freundin!«

      »Stell dir vor, ich habe beides!« Tom schüttelte den Kopf, als hätte er es heute mit einem besonders dummen Exemplar eines Erwachsenen zu tun.

      Falk lief eine Weile schweigend neben ihm her, kurz darauf erreichten sie die beiden jungen Frauen, die es geschafft hatten, zwischen den Besuchermassen eine Lücke zu finden, von der aus man die Elefanten beobachten konnte. Kaum hatte er selbst einen Blick auf die Tiere geworfen, hatten die Damen genug und drehten munter schwatzend ab.

      »Hör mal«, sagte Falk zu seinem Sohn, »ich kann mir vorstellen, dass dich unsere Scheidung belastet, letztendlich ist …« Er kam nicht weiter.

      Tom warf ihm einen genervten Blick zu. »Hör mal, ich wollte einfach nur einen chilligen Nachmittag haben, okay, was du und Mama machen, ist mir egal, ihr würdet ja sowieso nicht auf mich hören, wenn ich was sage, außerdem hat sich ja kaum was geändert. Du warst früher auch so gut wie nie zu Hause!« Toms Telefon piepte wie gerufen, so war er beschäftigt und konnte seinen Vater ignorieren.

      Falk versuchte, auf seinen Sohn nicht wütend zu sein, doch das misslang ihm gründlich. Tom hatte recht, er war früher oft nicht zu Hause gewesen, doch das brachte der Beruf mit sich. Außerdem hatte sein Sohn nicht so mit ihm zu reden. Jemand hakte sich bei ihm ein. Falk warf einen traurigen Blick auf seine Älteste.

      »Er pubertiert, du kannst nichts richtig machen. Selbst wenn du noch zu Hause wärst, würde er dich hassen!«, sagte Nicole.

      Falk wusste, wie sie es meinte, dennoch trafen ihn die Worte. Er war auch pubertär gewesen früher, aber seinen Vater hatte er nicht gehasst. »Und du? Und Sandy, hasst ihr mich auch?« Falk lauschte seiner Stimme und fand, dass er sich genauso beleidigt anhörte, wie er es war.

      »Ach was, Papa, so war das nicht gemeint. Tom denkt eben gerade, er wäre der Größte, das denken alle Jungs in dem Alter. Zu Hause spielt er sich auch auf.«

      »Und kriegt er alles hin? Oder hat er Probleme?«

      »Du denkst wohl schon wieder wie ein Polizist.«

      »Nein, überhaupt nicht, ich will nur wissen, ob er … also …« Falk verstummte, und Nicole lachte.

      »Also doch der Polizist. Er gerät nicht auf die schiefe Bahn. Er sitzt nur viel zu lang und viel zu oft am Computer. Außerdem geht er skaten.«

      »Und er hat eine Freundin?«

      »Ja, irgend so ein kleines Mädchen aus der Achten.«

      »Und hat er … mit ihr …« Falk schloss seinen Mund erneut, ein weiteres Mal zu spät. Nicole lachte auf, und fremde Leute drehten sich zu ihnen um.

      »Mann, Papa, gehst du bei deinen Verhören auch so vor? Dann solltest du den Beruf wechseln. Du glaubst doch nicht, dass wir uns gegenseitig verpfeifen?«

      Tauner schwieg und versuchte, sich an die Zeit zu erinnern, als Nicole gerade geboren war, er ein angehender Kriminalbeamter mit einer Frau war, die ihn liebte und die er liebte. Es war ihm kaum möglich, zu viele Belanglosigkeiten schoben sich dazwischen, und Nicole selbst war zu sehr wie seine Exfrau geworden, nahezu ein jüngeres Ebenbild.

      Nicole war erwachsen genug, um nicht weiterzusprechen, sie blieb bei ihm untergehakt und so folgten sie Tom und Sandy am Raubtiergehege vorbei, hin zum Giraffenhaus, wo schreiende Kinder sich um alles Mögliche kümmerten, nur nicht um die Tiere. Eine Viertelstunde später erreichten sie ein von Menschen überfülltes Areal. Tauner machte große Augen, als er die Schlangen vor den Imbissbuden sah. Doch seine Kinder waren gnädig zu ihm, passierten das Gelände, ohne Ansprüche auf Verpflegung zu erheben. Tauner wurde dabei ein wenig wehmütig, denn vor nicht allzu langer Zeit wäre er hier nicht ohne Gebrüll oder Gezänk durchgekommen. Waren sie wirklich alle schon so groß, dachte er, war er schon so alt? Oder waren sie instruiert, nicht allzu sehr an seinen Nerven zu zehren? Tauner mochte beide Gedanken nicht.

      Vorbei an den Geiern, die bewegungslos im Schatten hockten und die Besucher beäugten, geriet das Orang-Utan-Haus in Tauners Blickfeld. Das hob seine Stimmung ein wenig. Er mochte diese friedlichen Tiere und erinnerte sich daran, dass er und seine Kinder früher viel Zeit vor den Gehegen verbracht hatten. Denn auch wenn seine Kinder


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