Big Ideas. Das Film-Buch. John Farndon
der begabte und bis heute umstrittene D. W. Griffith, wurde später selbst Regisseur und trug zur Entstehung des modernen Blockbusters bei.
Kino als Kunst
Die Pioniere des Films waren zwar hauptsächlich in Frankreich und Amerika ansässig, doch in Deutschland wurde der Film erstmals zu Kunst. Nach dem Ersten Weltkrieg entstanden inmitten von politischem und wirtschaftlichem Chaos eine ganze Reihe Meisterwerke, die bis heute nachwirken. Die Stummfilmzeit brachte einige der glänzendsten, makellosesten Filmkunstwerke überhaupt hervor: Werke von Robert Wiene, F. W. Murnau und Fritz Lang. Doch selbst damals gebührte nicht allein den Regisseuren die Ehre – man denke an Karl Freund, ein riesiger Mann mit ebenso riesigem Wissen über Kameras, der ein meisterhafter Kameramann wurde. Er schnürte sich die Ausrüstung an den Leib oder auf ein Fahrrad und revolutionierte so die Optik des Films.
Auch Maler zog der Film an. 1929 schuf der berühmte Surrealist Salvador Dalí mit einem jungen Filmfanatiker namens Luis Buñuel den bis heute befremdlichen Streifen Ein andalusischer Hund; Dalí wandte sich dann vom Film ab, doch Buñuel drehte bis in die 1970er-Jahre weitere ikonoklastische Filme, die auch politisch revolutionär waren. In der Sowjetunion galt das Kino als Kunstform des Volkes. Filme nahmen im weltweiten Kampf um Herzen und Köpfe eine zentrale Stellung ein.
Hollywoods Anfänge
In Amerika machten Studiobosse erstmals ein Riesengeschäft aus Kino und Film, das auf Stars wie Rudolph Valentino, Douglas Fairbanks und Greta Garbo aufbaute. Doch die größten Stars waren Clowns, deren Komödien uns von allen Meisterwerken der Stummfilmzeit bis heute zuverlässig amüsieren. In Buster Keaton und Charlie Chaplin hatte Hollywood zwei Genies, die ihre Kunst im amerikanischen Vaudeville und der britischen Music Hall erlernt hatten und diese nun vor die Kamera brachten. Mit Mimik, Slapstick und Pathos war ihnen das Lachen des Publikums allein durch ihren Anblick sicher. Gleichzeitig waren sie penible und innovative Filmemacher.
»Charlie Chaplin und ich pflegten einen freundschaft lichen Wettstreit: Wer würde den Spielfilm mit den wenigsten Zwischentiteln hinbekommen?«
Buster Keaton
Wenn einer den frühen Film prägte, so der phänomenal berühmte und äußerst ehrgeizige Charlie Chaplin. Er steht am Ende der TonfilmÄra. 1927 erklärte Al Jolson in Der Jazzsänger: »Moment, ihr habt ja noch gar nichts gehört!« Dennoch blieb Chaplin dem geliebten Stummfilm treu und schuf 1931 mit Lichter der Großstadt einen der größten. Bis dahin hatte er dem Film bereits geholfen, den ihm gebührenden Platz einzunehmen – mitten im Leben.
LABOR OMNIA VINCIT
DIE REISE ZUM MOND / 1902
IM KONTEXT
GENRE
Science-Fiction, Fantasy
REGIE
Georges Méliès
DREHBUCH
Georges Méliès, nach Romanen von Jules Verne und H. G. Wells (nicht im Abspann angegeben)
STARS
Georges Méliès, Bleuette Bernon, François Lallement, Henri Delannoy
FRÜHER
1896 Méliès’ trickreicher Kurzfilm Le manoir du diable gilt als der erste Horrorfilm.
1899 In Cendrillon nutzt Méliès mehrere Szenenbilder.
SPÄTER
1904 Méliès’ Voyage à travers l‘impossible ist ein weiterer Kurzfilm nach Jules Verne über Wissenschaftler, die in einem Dampfzug zur Sonne reisen.
Wie der Titel nahelegt, erzählt der 12-minütige Film Die Reise zum Mond von einer fantastischen Expedition in den Weltraum. Eine Gruppe Wissenschaftler kommt zusammen, eine riesige Kanone wird gebaut und Astronauten werden zum Mond geschossen, wo sie in die Hände der Mondbewohner, der Seleniten, fallen. Sie werden vor deren König gebracht, können aber fliehen und zur Erde zurückkehren. Dort wird ihnen zu Ehren eine Parade abgehalten und ein Außerirdischer zur Schau gestellt.
Revuetänzerinnen stehen bereit, um die erste Riesenkanone abzufeuern, die das Raumschiff zum Mond bringen soll. Méliès’ theatralischer Stil lässt die Handlung eher absurd als heroisch wirken.
Zaubertricks
Für manche Filmpioniere wie die französischen Brüder Lumière stellte das neue Medium einen wissenschaftlichen Durchbruch dar, es war ein Mittel, um die Realität zu dokumentieren. Dem Franzosen Georges Méliès, Regisseur von Die Reise zum Mond, ermöglichte es dagegen die Präsentation von Tricks. Méliès’ Kurzfilme waren einfache Unterhaltung, geschaffen für die sensationslüsternen Flaneure auf den Pariser Boulevards des Fin de Siècle. Voller Revuetänzerinnen, Geister und mephistophelischer Teufel entwickelten sich die vorerst einfachen Aufzeichnungen von Zaubertricks zu Geschichten, die mit innovativen, kühnen Kamerakunstgriffen realisiert wurden – den ersten Spezialeffekten des Kinos. 1902 schuf Méliès seine größte illusionistische Leistung, indem er das Publikum zum Mond und wieder zurück brachte.
Science-Fiction und Satire
Die Reise zum Mond war der erste Film, der von den beliebten »wissenschaftlichen Romanzen« Jules Vernes und H. G. Wells’ inspiriert war, und gilt als erster Science-Fiction-Film überhaupt. Doch auch wenn Méliès die grundlegende Ikonografie des Science-Fiction-Kinos beschwor – das schnittige Raketenschiff, den auf die Kamera zurasenden Mond und die kleinen grünen Männchen –, so hatte er kein neues Genre vor Augen. Sein Ziel war eine freche Satire auf die viktorianischen Werte, eine Slapstick-Komödie, die die rücksichtslosen Profiteure der industriellen Revolution verhöhnte.
In Méliès’ Händen werden Wissenschaftler zu destruktiven Idioten. Angeführt von Professor Barbenfouillis (von Méliès selbst gespielt), zanken und springen sie umher wie ungezogene Kinder. Bei ihrer Landung bohrt sich ihre Rakete dem Mann im Mond ins Auge, sie verursachen Chaos im Königreich der Seleniten – die sie wie dumme Wilde behandeln – und nur zufällig gelingt ihnen die Rückkehr. In der Schlussszene wird eine Statue von Barbenfouillis präsentiert – die Karikatur eines aufgeblasenen alten Mannes, erinnernd an einen von Méliès’ politischen Cartoons. Ihre Inschrift lautet Labor omnia vincit (»Arbeit besiegt alles«), was angesichts des Chaos zuvor äußerst ironisch wirkt.
Bei ihrer Ankunft auf dem Mond entdecken die Wissenschaftler ein seltsames Land. Aufgrund ihrer Arroganz gegenüber den Mondmenschen gilt der Film als anti-imperialistische Satire.
Georges Méliès Regisseur
Méliès Kurzfilme experimentierten mit theatralischen Techniken und Spezialeffekten, die er sich als Illusionist auf